Alexander Farenholtz – zurück in Kassel Foto: imago stock&people/imago stock&people

Die Weltkunstausstellung Documenta hat mit dem Antisemitismus-Skandal viel Schaden genommen. Jetzt soll der Kulturmanager Alexander Farenholtz die Lage beruhigen.

Hier die Inhalte, dort die Abwicklung – das ist die grobe Einteilung jeder heute meist üblichen Doppelspitze in Museen, Theatern und Festivals. Die Verantwortlichen für die Organisation bleiben dabei eher im Hintergrund.

Verwaltungs-Fachmann

„Und dies“, sagt Alexander Farenholtz, 1989 erster hauptamtlicher Geschäftsführer der Documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs-GmbH in Kassel und von 2002 bis 2020 Geschäftsführer der Kulturstiftung des Bundes, „ist im Sinne der Sache auch genau richtig.“ Für ihn ist klar, dass man eine solche Aufgabe nur wahrnehmen kann, „wenn man den eigenen Profilierungsbedarf richtig einschätzt“.

In Kassel und rund um die Weltkunstausstellung Documenta 15 war in den vergangenen Wochen und Monaten vieles anders. Seit Januar sah sich Generaldirektorin Sabine Schormann Vorwürfen ausgesetzt, die Arbeit des für die Konzeption der Documenta 15 verantwortlichen indonesischen Künstlerkollektivs Ruangrupa nicht ausreichend flankiert zu haben. Am vergangenen Freitagabend kam – für viele Wochen zu spät – das Aus für Schormann. Der Aufsichtsrat beschloss die Abberufung der Generaldirektorin. Die Präsentation des Bildes „People’s Justice“ des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi mit seiner antisemitischen Bildsprache habe eine „klare Grenzüberschreitung“ dargestellt, hatte das Gremium unter dem Vorsitz des Kasseler Oberbürgermeisters Christian Geselle (SPD) und der hessischen Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) erklärt.

Alexander Farenholtz Foto: Falk Wenzel

Wer aber könnte jetzt die Documenta GmbH glaubhaft vertreten, das so wichtige Vertrauen neu aufbauen? Die Stadt Kassel und das Land Hessen setzen auf Alexander Farenholtz. Am Dienstag bereits hat er die Arbeit in Kassel aufgenommen.

Alexander Farenholtz? 1954 in Helmstedt geboren, arbeitet der Verwaltungswissenschaftler von 1982 bis 1986 im Hamburger Senat – zuletzt als Leiter der Abteilung Bezirkliche Arbeitsmarktpolitik im Bezirksamt Hamburg-Harburg. 1986 wird Farenholtz Persönlicher Referent des damaligen Pforzheimer Oberbürgermeisters Joachim Becker.

1989 der Sprung in organisatorisches Neuland – Farenholtz übernimmt mit Blick auf die Weltkunstausstellung Documenta IX 1992 die erstmals hauptamtlich organisierte Geschäftsleitung der Documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs-GmbH in Kassel. 1993 geht Farenholtz nach Stuttgart – als Leiter der Zentralstelle des damaligen Ministeriums für Familie, Frauen, Weiterbildung und Kunst Baden-Württemberg in der großen Koalition aus CDU und SPD entwickelt er erste Gedanken für neue Verwaltungsstrukturen der Landesmuseen. In Stuttgart hat der Name Farenholtz einen guten Klang. Der 2021 mit 98 Jahren gestorbene Vater, Christian Farenholtz, entwickelte als Baubürgermeister (1965-1973) das Prinzip der Bürgereteiligung.

Teamarbeit für die Expo 2000

Als „tolle Zeit“ sieht Alexander Farenholtz seine nächste Station – von 1996 bis 2000 verantwortet er gemeinsam mit Tom Stromberg die Leitung des Kulturprogramms der Weltausstellung Expo 2000 in Hannover. Ein letztes Ministeriumsgastspiel in Stuttgart ist schon Anlauf für eine neue Aufgabe – die Geschäftsführung der 2002 neu gegründeten Kulturstiftung des Bundes.

Sollte fröhlich sein: Documenta 15 Foto: d15

Jetzt ist Farenholtz zurück in Kassel – und doch in gänzlich anderer Rolle als 1989. „Wenn ein 35-jähriger Berufsanfänger mit dem künstlerischen Leiter einer Weltausstellung arbeiten soll“, sagte Farenholtz 2016 als Gast unserer Gesprächsreihe „Über Kunst“, „funktionieren Hierarchievorstellungen nicht mehr. Ich hatte in gewisser Weise den Vorteil, gar nicht den Anspruch zu haben, als Chef oder Kontrolleur aufzutreten, sondern wirklich als jemand, der hilft, Dinge zu realisieren.“

Vermittlung ist Trumpf

Jetzt muss Alexander Farenholtz ein Spagat gelingen – viele Scherben sind in Kassel (und nicht nur dort) zu sichten und zu beurteilen, und zugleich braucht die Documenta 15 bis Ausstellungsende am 25. September dringend positiven Rückenwind. Einen Hinweis für mögliche neue Töne in Kassel gab Alexander Farenholtz bereits. Die Frage der Vermittlung von Kunst werde „heute sehr viel umfassender verstanden“, sagte er im „Über Kunst“-Gespräch unserer Zeitung: „Es geht nicht darum, dass das, was an den Wänden hängt, richtig erklärt wird, sondern darum, dass diese Häuser und Institutionen sich öffnen für eine andere Gesellschaft als jene von vor 20 oder 30 Jahren.“