Foto: dpa/Felix Kästle

Weil Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) derzeit Bundesmittel blockiert, ist eine Diskussion über den besten Weg in Sachen Ganztagsschulen entbrannt. Freiwillig oder verpflichtend? Unter kommunaler oder Landesaufsicht? Und: Nützt der Ganztag schwachen Schülern? Die Bildungsforscherin Bettina Arnoldt weiß Antworten.

Stuttgart - Knapp 100 Millionen Euro an Bundesmitteln könnten für den Ausbau der Ganztagsbetreuung an Schulen in Land fließen. Das sieht eine Bund-Länder-Vereinbarung vor. Der Haken: Kommunale Betreuungsangebote, wie sie in Baden-Württemberg üblich sind, werden nicht bezuschusst. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) will die Vereinbarung deshalb bislang nicht unterschreiben und hat damit die Frage aufgeworfen, welcher Weg der beste in Sachen Ganztagsschule ist. Antworten kennt Bildungsforscherin Bettina Arnoldt vom Deutschen Jugendinstitut.

 

Frau Arnoldt, von Ganztagsschulen sollen Kinder aus bildungsfernen Familien profitieren. Weil sie dort betreut und beim Lernen unterstützt werden, kommen sie im Unterricht besser mit. So die Theorie. Ist das so?

Momentan leider nicht. Unsere Studien zeigen, dass von Ganztagsschulen durchaus alle Schüler profitieren. Sie werden in der Schule besser und sozial kompetenter. Aber es ist eben nicht so, dass Kinder aus sozial schwachen Familien dadurch aufschließen.

Zu wenig Lernförderung

Liegt das am Modell Ganztagsschule an sich?

Nein, es liegt daran, wie Ganztagsschule in Deutschland umgesetzt wird. In den offenen Ganztagsschulen, also jenen, die nicht verpflichtend sind, gibt es ein vielfältiges Angebot am Nachmittag. Es werden Hausaufgaben gemacht, Sport, Musik und es wird gespielt. Aber um schwächere Schüler zu fördern, ist das Nachmittagsangebot zu wenig mit dem Unterricht am Vormittag verzahnt. Der Nachmittag wird auch nicht von Lehrern gestaltet, sondern von externem Personal. Das heißt: Das ist teilweise ein wirklich hochwertiges Angebot, aber die Unterrichtsinhalte des Vormittags werden zu wenig vertieft.

Aber im gebundenen, also verpflichtenden Ganztag müsste das doch anders sein?

In der Theorie ist das Konzept des gebundenen Ganztags sehr gut. Dadurch, dass alle Schülerinnen und Schüler am Ganztag teilnehmen, können der Unterricht und die Ganztagsangebote inhaltlich aufeinander bezogen werden. Aber in der Praxis findet das nicht überall so statt. Ein Grund ist, dass gar nicht genug Lehrpersonal dafür da ist. Aber das wäre eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg.

Wie sähe eine Ganztagsschule aus, die wirklich Chancengleichheit fördert?

Es braucht vor allem am Nachmittag sogenannte lernförderliche Angebote, also Zeiten, in denen die Schüler Unterrichtsstoff zusammen mit Fachpersonal vertiefen. Außerdem hat sich gezeigt, dass multiprofessionelle Teams, in denen Lehrer, Sozialpädagogen, Erzieher, zusammenarbeiten, am erfolgreichsten sind.

Schüler wollen zeigen, was sie können

Was braucht es noch?

Die Schülerinnen und Schüler sollten über die Angebote mitbestimmen können. Außerdem bleibt mehr hängen, wenn sie etwas erarbeiten können oder ein Produkt herstellen. Damit meine ich, dass etwa ein Musikangebot auch zu einem Ergebnis führen sollte, etwa einer Aufführung, bei der die Schüler zeigen, was sie gelernt haben.

In Baden-Württemberg gibt es offene ebenso wie gebundene Angebote. Ist das sinnvoll?

Jedes Modell hat seine Vorteile: In der gebundenen Ganztagsschule können – allerdings nur, wenn sie gut gemacht ist – schwächere Schüler besser gefördert werden. Das offene Angebot entspricht hingegen mehr dem Elternwunsch nach einer möglichst großen Flexibilität. Eltern wollen arbeiten können, aber die Betreuung ihrer Kinder gern ihrem Arbeitsrhythmus anpassen und sie dann abholen, wenn es passt. Es kommt darauf an, welches dieser Ziele die Politik vor allem fördern will.

Einheitliche Standards wichtig

Diskutiert wird derzeit auch, ob es gut ist, wenn die Verantwortung für offene Ganztagsangebote allein bei den Kommunen liegt. Gibt es dazu Erkenntnisse aus der Forschung?

Mir ist nicht bekannt, dass dies schon einmal evaluiert wurde. Meine persönliche Einschätzung ist, dass es landesweit einheitliche Regelungen und Standards geben sollte, etwa was die Finanzierung, Öffnungszeiten oder Personal anbelangt. So hat man zum Beispiel in NRW herausgefunden, dass die Höhe der Elternbeiträge für den offenen Ganztag dort je nach Kommune stark voneinander abweichen. Das ist den Eltern schwer vermittelbar und auch nicht sozial gerecht.