Carola Rackete – die parteilose Aktivistin soll der angeschlagenen Linkspartei neuen Schwung verleihen. Foto: dpa/Till M. Egen

Mit der politischen Sommerpause gehen die Parteien in die Halbzeit der Legislaturperiode. Wir nehmen das zum Anlass, zu untersuchen, wie sie zur Hälfte der Wahlperiode dastehen. Diese Folge: die Linke.

Nach langem Zögern hat die Linke den offenen Bruch mit der ewigen Einzelkämpferin Sahra Wagenknecht gewagt. Ob das ein Befreiungsschlag war, ist noch völlig offen. Die Lage der Partei ist noch immer prekär.

Die Lage

Am Anfang stand das Trauma. Mit 4,9 Prozent wäre die Linkspartei ganz aus dem Bundestag gefallen, hätte sie nicht drei Direktmandate errungen. Man kann nicht sagen, dass sich die Linke von diesem Schrecken tatsächlich erholt hat. In den Umfragen liegt die Partei mal knapp unter, mal knapp über der Fünf-Prozent-Marke. Der Ukraine-Konflikt war für die Partei ein Problem, da ihre Haltung nicht so leicht zu vermitteln war. Die Linkspartei verurteilt den russischen Angriffskrieg unmissverständlich. Aber gleichzeitig lehnt sie Waffenlieferungen an die Ukraine ab.

Zuletzt flog die Linke aus der Regierung in Berlin, bei den Wahlen in Bremen konnte sie allerdings ein stabiles Ergebnis einfahren. Doch noch immer droht der Partei die Spaltung, weil womöglich Sahra Wagenknecht eine eigene Partei gründet. Im Juni vollzog der Parteivorstand den endgültigen Bruch mit Wagenknecht. „Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht“, hieß es in einer Erklärung. Das hat die Partei allerdings nicht befriedet – im Gegenteil: Zuletzt verkündete Amira Mohamed Ali, Linken-Fraktionschefin im Bundestag, dass sie nicht erneut für das Amt antreten will. Dies begründete sie vor allem mit dem Kurs der Parteiführung gegen Wagenknecht und nährte Befürchtungen, dass die Linke ihren Fraktionsstatus im Bundestag verliert. Schon wenn drei Abgeordnete in eine neue Wagenknecht-Partei wechseln würden, wäre das der Fall. Dann bekäme die Linke weniger Geld und hätte weniger parlamentarische Rechte.

Das Problem

Das Problem der Linken heißt Sahra Wagenknecht. Seit Jahren hatte Wagenknecht eine exzentrische Position in der Partei eingenommen. Im Februar war Wagenknecht zusammen mit Alice Schwarzer Mitinitiatorin und Sprecherin auf einer großen Kundgebung vor dem Brandenburger Tor. Unter dem Motto „Aufstand für den Frieden“ wurde gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine demonstriert. Im Publikum befanden sich zahlreiche Gruppen des rechten Milieus. Für die Parteiführung war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Mit Wagenknecht, die für ihre Positionen nie eine Mehrheit in der Partei fand, gibt es keinerlei Zusammenarbeit mehr.

Aber die Möglichkeit einer linkspopulistischen Parteigründung durch Wagenknecht hängt wie eine dunkle Wolke über der Linken. Ein solches Projekt hätte durchaus Chancen auf Achtungserfolge. Eine mit Vorsicht zu genießende Umfrage in Thüringen sähe die Wagenknecht-Partei bei den Landtagswahlen in Thüringen (Herbst 2024) auf Anhieb als stärkste politische Kraft. Noch ist Wagenknecht Linke-Mitglied – für die Partei ist das eine bleierne Last.

Die Strategie

Die Parteispitze hat sich im Juni dazu durchgerungen, auch öffentlich den Bruch mit Wagenknecht zu vollziehen. Was das in der Praxis bedeutet, zeigte sich klar, als die parteilose Friedens- und Flüchtlingsaktivistin Carola Rackete zur Spitzenkandidatin für die Europawahlen im kommenden Frühjahr nominiert wurde. Diese offene Hinwendung zu sozialen und linken Bewegungen gilt der Parteispitze als wichtiges Mittel, um gesellschaftspolitisch anschlussfähig zu bleiben, wurde aber von Wagenknecht immer bekämpft. Die Parteispitze weiß aber auch, dass der Osten eher für traditionell linke Themen ansprechbar ist. Deshalb bemüht sich Parteichefin Janine Wissler darum, soziale Themen in den Vordergrund zu rücken – von der Mietpreisbremse bis zur Kinderbetreuung. Diese thematische Doppelstrategie soll bis ins nächste Jahr durchgehalten werden, in dem drei Landtagswahlen im Osten anstehen.

Auf- und Absteiger

Innerparteilich ist Sahra Wagenknecht sicher eine Absteigerin. Innerhalb der Linken hat sie keine Zukunft mehr. Am Ende gescheitert ist sicher auch Dietmar Bartsch, der Fraktionschef im Bundestag, mit seinem Versuch, das Wagenknecht-Lager einzubinden. Natürlich ist Carola Rackete, wenn auch parteilos, ein frisches neues Gesicht. Viele setzen große Hoffnung auf ihre Kandidatur.

Parteiencheck: In unserem Parteiencheck nehmen wir die sechs größten Parteien Deutschlands unter die Lupe.