In Stuttgart wird gegen vier Terrorverdächtige verhandelt Foto: dpa

Am Dienstag hat vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht der Mammutprozess gegen vier Terrorverdächtige begonnen. Sie sollen für eine linksextremistische türkische Gruppe gearbeitet haben. Im Saal hatten sie einige Unterstützung.

Stuttgart - Mit einem Mal steht der ganze Gerichtssaal. Als der erste Angeklagte hereingeführt wird, erhebt sich das Publikum, spendet tosenden Applaus und skandiert auf Türkisch: „Die revolutionären Gefangenen sind unsere Ehre.“ Rund 70 Familienangehörige, Freunde und Mitstreiter der vier Angeklagten, drei Männer und eine Frau, sind aus halb Europa zum Prozess gekommen. Sie reagieren am ersten Verhandlungstag nicht nur einmal mit stehenden Ovationen auf das Erscheinen und die Ausführungen der Angeklagten.

Der Prozess vor dem Oberlandesgericht, der bis in den Januar dauern soll, wird von hohen Sicherheitsvorkehrungen begleitet. Schließlich geht es um den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Die zwischen 33 und 42 Jahre alten Männer und die 37-jährige Frau sind im vergangenen Sommer in Deutschland und Österreich festgenommen worden. Sie sollen hohe Funktionäre der Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) sein. Die linksextremistische Gruppe hat sich in den vergangenen Jahren zu zahlreichen Selbstmordattentaten und weiteren Anschlägen in der Türkei mit mehreren Toten bekannt. Sie strebt damit den Sturz der Regierung und die Einsetzung einer kommunistischen Führung an.

Die Anklage der Generalbundesanwaltschaft wirft den vier Angeklagten vor, wichtige Funktionen für den Auslandsarm der Terrorgruppe erfüllt zu haben. Einer von ihnen ist deswegen bereits einmal zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Die vier sollen Geld beschafft, Schulungen geleitet, Propagandamaterial hergestellt und verteilt sowie Kontakte zu den höchsten Vertretern der Gruppe unterhalten haben.

Der erste Verhandlungstag bringt zu diesen Vorwürfen nur magere Erkenntnisse. Zunächst beklagen die acht Verteidiger die Einzelhaftbedingungen in Stammheim und die Sitzordnung im Gerichtssaal. Dort ist jeweils ein Justizbeamter zwischen den Angeklagten positioniert, damit diese nicht miteinander reden können. Mehrere Dolmetscher übersetzen . Erst am Nachmittag kann die Anklageschrift verlesen werden.

Drei der Angeklagten kündigen an, sich zu den Vorwürfen äußern zu wollen. Den Anfang macht der Älteste von ihnen – mit einer einstündigen Erklärung. Zur Anklage sagt er nur: „Die Bundesanwaltschaft versagt und klagt ganz und gar unschuldige Menschen an.“ Der Rest ist eine Abhandlung über Rassismus und Faschismus, der von Altkanzler Kohl bis zum NSU-Prozess reicht. Den USA wirft der Mann „Massaker, Folter und Vergewaltigung“ vor. „Die USA sind der Feind der Völker der Welt“, sagt er – und die türkische Regierung deren faschistische Marionette, die das Volk unterdrücke.

Der Prozess geht am Donnerstag weiter. Mutmaßlich mit tosendem Applaus.