Die deutschen Fußball-Frauen wollten bei der EM in den Niederlanden den Titel holen – und scheiterten kläglich. Bundestrainerin Steffi Jones will weitermachen – doch was ergeben die Analysen von DFB-Präsident Reinhard Grindel?
Rotterdam - Der Schlusspfiff war längst vorüber, da schlug Babett Peter immer noch die Hände vors Gesicht. Sie ging in die Knie und weinte bitterlich. So als sollten ihre Tränen dem ohnehin von den tagelangen Regenfällen getränkten Rasen im Sparta-Stadion in Rotterdam den letzten Rest geben. Nur mühsam ließ sich die Abwehrchefin der deutschen Frauen-Nationalmannschaft in den Kreis führen, der sich nach der Mega-Pleite bei der Europameisterschaft eher halbherzig bildete.
Mit einem 1:2 (1:0) im Viertelfinale gegen Dänemark war das Schreckensszenario Wirklichkeit geworden. „Das ist einfach ein ganz bitterer Moment – ähnlich wie 2011“, sagte die 29-jährige Peter. Allein dieses Statement ließ die historischen Dimension des Scheiterns erahnen. Genau wie bei der Heim-WM vor sechs Jahren sprangen die deutsche Fußballerinnen in den Niederlanden weit unter der Messlatte durch, die sie sich selbst gelegt hatten.
Dem Olympiasieg folgt die große Pleite
Neben der Abwehrchefin, in der Ära unter Bundestrainerin Silvia Neid zur Welt- und Europameisterin und zuletzt sogar zur Olympiasiegerin gekürt, wirkten auch Anja Mittag oder Anja Schult völlig geschockt: Die Stürmerin kauerte im Strafraum, während auf der Gegenseite die Torhüterin hinters Tor trottete, um zwei Wasserflaschen umzutreten. Irgendwo musste der Frust sich ja entladen.
Die holprige Vorrunde hatte Warnsignale ausgesendet, die im Endeffekt nicht richtig ernst genommen wurden. „Die Enttäuschung ist sehr groß. Da hinterfragt man schon, was ist schiefgelaufen“, gestand Bundestrainerin Steffi Jones und gab sich irgendwann die Antwort selbst: „Der Siegeswille war nicht so groß wie der von Dänemark. Die ganze Art unseres Spiels war nicht souverän. Wir haben nicht über fünf Meter einen sauberen Pass gespielt.“
Die deutsche Mannschaft enttäuscht auf ganzer Linie
Auf diese Weise ließ sich die glorreiche deutsche EM-Epoche – acht Titelgewinne, sechs in Folge seit 1995 – eben nicht fortführen. Als die Bundestrainerin hinterher zur Pressekonferenz erschien, wirkte sie zwar einerseits gefasst, andererseits aber auch regelrecht konsterniert. Das Hin und Her mit der Spielverlegung vom Vortag wegen Regens gab letztlich ein Sinnbild für ihre Mannschaft, die in diesen 90 Minuten plus Nachspielzeit auf ganzer Linie enttäuschte. Dabei hätte die deutsche Elf doch vom frühen Führungstor von Isabel Kerschowski profitieren können, als Dänemarks Torfrau Stina Lykke Petersen den Ball über die eigene Torlinie bugsierte (3.). „Wir führen 1:0 – und spielen unsicher, mit vielen Ballverlusten“, klagte Steffi Jones.
Das schwarz-rot-goldene Aufbauprogramm nahm der Favoritenschreck Dänemark dankbar an. Als die Schiedsrichterassistentin kurzzeitig die Fahne hob, schalteten Dzsenifer Marozsan und Isabel Kerschowski auf der linken Abwehrseite völlig ab und blieben einfach stehen – Stine Larsen durfte ungehindert in die Mitte flanken, wo Anna Blässe im Kopfballduell gegen die entschlossenere Nadia Nadim den Kürzeren zog: 1:1 (49.). „Wir schlafen bei diesen Aktionen“, analysierte Steffi Jones, während auch Babett Peter fassungslos über das Unvermögen der eigenen Mannschaft war: „Die Schiedsrichterin hatte richtig auf Vorteil entschieden. Wir waren zu unaufmerksam.“ Und auch ein Stück weit naiv.
Die Taktik von Bundestrainerin Steffi Jones geht nicht auf
Das frühe Aus im ersten K.o.-Spiel kam eben mit dieser Schlüsselszene nicht zufällig zustande. Während das deutsche Team in einem wirren Schlagabtausch seine Chancen etwa zweimal durch Linda Dallmann nicht nutzte („Davon muss einer rein“), setzten die Skandinavierinnen durch den Kopfball der sträflich vernachlässigten Theresa Nielsen (82.) schließlich den Todesstoß. Damit wurde die Jones-Elf – nach der Einwechslung von Mandy Islacker mit der offensivsten Ausrichtung auf dem Feld – für erstaunliche Lücken in der Rückwärtsbewegung bestraft.
Die Bundestrainerin gab zu, dass die von ihr bevorzugte Rauten-Formation im Mittelfeld gewisse Risiken birgt – sie hatte diese aber stets gebilligt. Nun kündigte die noch nicht einmal ein Jahr im Amt arbeitende 44-Jährige eine umfassende Analyse an, vor der sie aber bereits die Bereitschaft erklärte, den Job als Bundestrainerin fortzuführen. „Die Entscheidungsträger sitzen im DFB. Die werden in den nächsten Tagen mit mir zusammensitzen und entscheiden, wie es weitergeht“, sagte Steffi Jones und versicherte: „Meine Motivation ist da. Ich möchte gerne weitermachen.“
DFB-Präsident Reinhard Grindel teilte nach der Bruchlandung von Rotterdam mit: „Wir werden nun in aller Ruhe, unabhängig von der aktuellen Enttäuschung über das Ausscheiden, mit allen Beteiligten analysieren und überlegen, was zu tun ist, damit unsere Frauen-Nationalmannschaft wieder an frühere Erfolge anknüpfen kann.“ Wie eine bedingungslose Arbeitsplatzgarantie hörte sich das nicht an.