Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz gibt sich nachdenklich. Foto: dpa/Ronny Hartmann

Taktische und realpolitische Gründe bringen den CDU-Vorsitzenden zu einem moderateren Ton. Das kann nicht schaden, findet unser Berliner Korrespondent Norbert Wallet.

CDU-Chef Friedrich Merz hat auf dem Deutschlandtag der Jungen Union moderate Töne angeschlagen. Er hat deutlich gemacht, dass die Grünen weiter potenzieller Koalitionspartner bleiben, dass die Union bei einer Reform der Migration der Ampel die Hand reicht und er hat auch eine Botschaft des Miteinanders an die integrationswilligen Muslime in Deutschland gesandt.

Die Union fürchtet die Europawahlen

Das ist eine bemerkenswerte rhetorische Abrüstungspolitik des Vorsitzenden, der sonst keiner Zuspitzung aus dem Weg geht. Was steckt dahinter? Vielleicht ist es eine Überinterpretation, in dem konzilianteren Ton einen grundsätzlichen Richtungswechsel zu sehen, aber eine neue Nuance kann man darin schon erkennen.

Es sind drei Gründe, die das zumindest leicht veränderte Auftreten erklären. Erstens: Die Union ist erschreckt von der Aussicht, dass die Nationalpopulisten bei den Europawahlen im Mai zur stärksten Kraft aufsteigen könnte. Deswegen will die Union unter allen Umständen eine Migrationsreform realisieren. Das geht nur mit der Ampel. Da dürften massive rhetorische Aufwallungen kaum dienlich sein.

Angespannte Weltlage erfordert größte Ernsthaftigkeit

Zweitens gibt es im politischen Berlin gerade eine etwas gespenstische Debatte um ein Ende der Ampelregierung und ein mögliches befristetes Eintreten der Union in eine Scholz-Regierung. Die Basis dieser Spekulation ist ziemlich dünn, aber der Rückhalt der Ampel in der Bevölkerung ist es auch. Auch in diesem Zusammenhang stehen die Zeichen gerade jedenfalls nicht auf scharfe Konfrontation.

Drittens ist es jenseits der taktischen Aspekte die äußerst angespannte Weltlage, die von der gesamten Politik größte Ernsthaftigkeit und eine Gemeinsamkeit aller demokratischen Kräfte erfordert. Wenn sich das nun auch in der Rhetorik des Vorsitzenden der größten Oppositionspartei niederschlägt, kann das nicht verkehrt sein.