Kein Freund von Nato und EU: US-Präsident Donald Trump Foto: AP

Vor der Münchner Sicherheitskonferenz, die Freitag beginnt, warnen Experten: Europa wird nicht nur von äußeren Gegnern wie Russland herausgefordert, sondern auch von den USA. Deutschen Politikern bereitet das Sorgen.

Stuttgart - US-Präsident Donald Trump hält die Rivalität mit den Großmächten, mit Russland und vor allem mit China, für das alles überragende außenpolitische Leitmotiv seiner Präsidentschaft. Da will er sich die Hände nicht binden lassen und stellt außenpolitisch Moral, Werte, ja sogar die Rolle der USA als Garantiemacht der liberalen Weltordnung in Frage. Im Zweifel will er auch ohne Rücksicht auf alte Bindungen und Verbündete agieren.

Trumps Skepsis gegenüber dem Verteidigungsbündnis Nato ist lange bekannt. Wiederholt hat er die Sinnhaftigkeit der Allianz in Frage gestellt und im vergangenen Jahr gleich mehrere Male privat geäußert, er wolle aus dem Bündnis aussteigen. Institutionen, die amerikanischen Interessen nicht nützen, so hat der US-Außenminister Mike Pompeo im Dezember in Brüssel ganz offen verkündet, müssten „reformiert oder eliminiert“ werden.

Gefahr für die liberale Weltordnung

Das erfüllt deutsche Sicherheitsexperten und Außenpolitiker mit Sorge, selbst wenn einige einräumen, dass Trump durchaus recht hat, wenn er mehr europäische Verteidigungsbemühungen anmahnt. „Würde das umgesetzt werden, was Trump immer wieder per Twitter fordert, dann würde die liberale internationale Ordnung kollabieren und Anarchie ausbrechen, der wir in Deutschland nicht gewachsen wären“, sagt Joachim Krause, Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik der Universität Kiel, mit Blick auf den Umgang Trumps mit der Nato.

Der Experte hält Deutschland für verwundbarer als in der Öffentlichkeit wahrgenommen: „Deutschlands Sicherheitslage hat sich deutlich verschlechtert, weil Russland Grenzen gewaltsam ändert und die Konfrontation mit dem Westen sucht“, so der Stratege kurz vor der am Freitag beginnenden Münchner Sicherheitskonferenz.

Endlich handlungsfähiges Europa

„Wir müssen feststellen, dass Washington in vielen Bereichen nicht mehr der zuverlässige Partner ist wie einst“, pflichtet der CSU-Außenpolitiker Florian Hahn bei. Hahn, Mitglied im Verteidigungsausschuss, sieht Deutschland noch von anderen Risiken bedroht: „Neue Gefahren im Cyber- und Spaceraum, die massive Aufrüstung Chinas.“ Auch der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid befürchtet: „Ein Amerika, das sich weitgehend auf sich selbst zurückzieht, macht die Welt nicht sicherer, sondern unsicherer.“ Vor diesem Hintergrund fordert die Logik der internationalen Beziehungen nach Gegenmacht: Sich vom Bündnispartner USA unabhängiger machen und eigene Fähigkeiten stärken. Endlich mehr Europa in der Außen- und Sicherheitspolitik mahnen ungeduldig auch die Großkoalitionäre Schmid und Hahn an. Schmid fordert die Einführung von Mehrheitsentscheidungen und die Abkehr von der Einstimmigkeit. „Nur ein handlungsfähiges Europa kann einer weiteren Erosion der internationalen Ordnung erfolgreich entgegentreten und damit seine Interessen vertreten“, so der Nürtinger Bundestagsabgeordnete.

Der Sicherheitspolitiker Hahn fordert eine „echte Europäische Verteidigungsunion mit einheitlich ausgerüsteten, gemeinsam ausgebildeten europäischen Streitkräften und verlässliche Regelungen für schnelle, gemeinsame Militäreinsätze“. Wenn das nur so leicht zu bewerkstelligen wäre. Die bisher vorzeigbaren Resultate in dieser Richtung – ob Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (Pesco) oder Europäische Interventionsinitiative (EI2) – nehmen sich sehr bescheiden aus: Mehr Bürokratie statt Battailone. Und trotz gestiegener Verteidigungsausgaben der Europäer kommen die USA immer noch für mehr als Zweidrittel der Militärausgaben im Bündnis auf.

Warnungen vor Rüstungswettlauf

Der Grünen-Politiker Tobias Lindner will angesichts der wachsenden Spannungen mit befreundeten Mächten neue Bündnisse zu schließen. „Deutschland muss Allianzen mit Ländern schließen, die die multilaterale Weltordnung, ihre Regeln und Institutionen erhalten wollen.“ Für die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen sind die USA indes der Hauptschuldige für die größere Gefährdung Deutschlands. Sie führt den erst von Washington und dann von Moskau gekündigten INF-Abrüstungsvertrag zum Verbot von Mittelstreckenraketen an. „Wir brauchen eine Entspannungspolitik mit Moskau.“ In einem Punkt aber herrscht Konsens: Nötig wäre eine ehrliche Sicherheitsdebatte über Gefahren und Kosten. „Eine offene und ernsthafte Diskussion gibt es in Deutschland außer in einem kleinen Expertenkreis nicht“, beklagt Krause. „Mit Warnungen vor einem Rüstungswettlauf wird man Herrn Putin nicht beeindrucken können.“