Alexis Goede und Mathilde Kettnaker in ihrem Hostel in Kolumbien Foto: privat

Mathilde Kettnaker (27) aus Filderstadt ist wohl das, was man eine Globetrotterin nennt. In Guatemala verlor sie ihr Herz an Alexis Goede, einen Spross einer deutsch-kolumbianischen Liebe. Mit ihm eröffnete sie 50 Kilometer westlich von Medellín ein Hostel.

Stuttgart/Medellín - Sie hat lange gesucht. Nun ist sie angekommen. Mathilde Kettnaker (27) aus Filderstadt ist wohl das, was man eine Globetrotterin nennt. Nach dem Abitur an der Waldorfschule Bonlanden und einer abgebrochenen Lehre als Physiotherapeutin reiste sie um die Welt, durchquerte vor allem Süd- und Mittelamerika kreuz und quer. Um schließlich eine neue Heimat zu finden. Zunächst verlor sie in Guatemala ihr Herz an Alexis Goede, einen Spross einer deutsch-kolumbianischen Liebe. Mit ihm eröffnete sie 50 Kilometer westlich von Medellín ein Hostel.

Medellín - Medellín - Medellín - Moment einmal, Medellín. Da war doch was? In Deutschland kennt man Kolumbiens zweitgrößte Stadt vornehmlich als Heimat der Drogenkartelle. Ist es nicht gefährlich dort?

„Kokain gibt es im kolumbianischen Nachtleben an jeder Ecke“, sagt Kettnaker. Für viele Bauchladenverkäufer sei das ein lukratives Nebengeschäft. Bekannte von Kettnaker erzählten, dass sie sogar mal einen Workshop gemacht hätten, wo sie lernten, wie man das weiße Pulver aus der Kokapflanze herstellt. „Ein Gramm kostet etwa 15 Euro“, sagt Kettnaker. In Deutschland ist es etwa das fünffache.

Doch trotz der Verbreitung der Rauschdroge und Elend und Armut hat die junge Frau in Kolumbien persönlich noch keine schlechten Erfahrungen gemacht. „Kolumbianer sind eine Mischung aus Macho und Gentleman, aber am Ende immer hilfsbereit“, resümiert sie ihre Begegnungen. „Man wird in der Stadt auch eher gewarnt als bestohlen – ,machen Sie lieber Ihre Tasche zu’ oder ,zeigen Sie Ihr Geld nicht so vor’ hört man da ständig“, sagt Kettnaker.

Und es ist so eine Sache mit den Vorurteilen. Die gibt es natürlich auch andersherum. Europäische Frauen gelten in Kolumbien, gelinde gesagt, als nicht besonders strebsam. „Die Handwerker dachten, oje, deutsche Frau, die liegt bestimmt nur faul in der Sonne rum“, erinnert sich Kettnaker, die sofort enttarnt war, obwohl sie sich extra die blonden Haare schwarz färbte, um weniger aufzufallen. Von wegen, deutsche Frauen seien faul.

„Mein Vater ist ein tüchtiger Heimwerker“, sagt Kettnaker, „einen Nagel krieg ich schon noch in die Wand gehauen.“ Ein Jahr lang haben sie gewerkelt. Dann eröffnete das kleine Hostel mit fünf Zimmern, die Platz für 18 Personen bieten, in 1200 Meter Höhenlage. Es ist typischer kolumbianischer Landhausstil, detailverliebt, viel Deko. Gäste sind vor allem Rucksackreisende, Motorradfahrer und Einheimische, die die Finca für Familienfeste mieten. Aus wirtschaftlicher Sicht sei es ganz gut angelaufen, sagt sie.

Kettnaker selbst ist Mädchen für alles. „Ich koche, mache Zimmerservice und berate unsre Gäste, was man in der Gegend unternehmen kann“, sagt sie. Denn landschaftlich hat das Umland von Medellín einiges zu bieten: „Es gibt viele Bäche mit kleinen Wasserfällen. Und gut ausgebaute Wanderwege, die Touristen zu Fuß, mit dem Mountainbike oder zu Pferde erschließen können“, sagt Kettnaker. Unterstützung bekommen die Existenzgründer von einem Gärtner, einer Nachbarin und Auslandsvolontären, die auf der Finca arbeiten und dafür umsonst nächtigen dürfen und Verpflegung bekommen.

„Nicht gerade die französische Cuisine“, räumt Kettnaker ein, die zwar selbst keine Spitzenköchin ist, sich aber zwischen Huhn, Rind, Bohnen und Maisfladen etwas mehr kulinarische Abwechslung in den kolumbianischen Kochtöpfen wünschen würde. „Vor allem Käse fehlt mir.“ Kettnaker hat einen Narren an Schimmelkäse gefressen, den man in Kolumbien nur selten bekommt und wenn dann sehr teuer ist.

Zu teuer für die Landbevölkerung und die noch ärmere arme Stadtbevölkerung. „Die haben umgerechnet 230 bis 250 Euro im Monat zum Leben. Und Lebensmittel kosten in Kolumbien so viel wie in Deutschland.“, sagt Kettnaker. Die Leute aus dem Land könnten das als Selbstversorger noch ganz gut ausgleichen. In der Millionenstadt Medellín sieht es da schon anders aus. „Es gibt viele Bettler mit fehlenden Gliedmaßen. Und Straßenkinder, die an Klebstoff schnüffeln oder die Abgase von LKWs einatmen, um high zu werden“, sagt Kettnaker. Es gibt sogar Viertel in Medellín, die so verrufen sind, dass sich die Auswanderin noch nie hineingetraut hat. Doch nicht nur die Kinder berauschen sich in Kolumbien.

„Auf dem Land ist Alkohol ziemlich verpönt. In der Stadt wird vor allem Bier getrunken“, sagt Kettnaker, „aber ganz anders gefeiert als in Deutschland. Mir fehlt die Art, wie in Deutschland gefeiert wird – und elektronische Clubmusik“, sagt Kettnaker. In Kolumbien feiere man vor allem draußen und zu lateinamerikanischen Rhythmen.

Auch wenn sie die Idylle in den Hügeln bei Medellín schätzen gelernt hat, kommt sie vom Reisen nicht ganz los. Wenn auch nicht als rastlose Touristin. „Nebenher arbeite ich immer wieder als Reisebegleiterin“, sagt sie. Sie muss los. In Frankfurt geht ihr Flieger. Doch nun weiß sie, wo sie hingehört. Die Suche hat ein Ende.