Kartoffeln sind billiger geworden – seit Juli 2013 um 32 Prozent. In unserer Bildergalerie listen wir die Produkte mit den auffälligsten Preisänderungen im Vergleich zum Vorjahr auf. Was ist teurer – und was billiger geworden? Foto: dpa

Mit interaktiver Grafik - Gut für die einen, schlecht für die anderen: Im Juli sind die Verbraucherpreise um 0,8 Prozent gestiegen – und damit so wenig wie schon lange nicht mehr. Niedrige Inflationszahlen sind für Verbraucher positiv, für die Wirtschaft aber gefährlich.

Brüssel - Gut für die einen, schlecht für die anderen: Im Juli sind die Verbraucherpreise um 0,8 Prozent gestiegen – und damit so wenig wie schon lange nicht mehr. Niedrige Inflationszahlen sind für Verbraucher positiv, für die Wirtschaft aber gefährlich.
 
Was heißt Deflation?
Wenn die Preise für Waren und Dienstleistungen allgemein, spürbar und über einen längeren Zeitraum zurückgehen, spricht man von Deflation. Das Angebot an Gütern und Dienstleistungen ist deutlich größer als die Nachfrage. Das drückt die Preise.
Wie sieht die Situation im Moment aus?
Die Inflationsrate ist im Juli in der Euro-Zone auf 0,4 Prozent abgerutscht. In Deutschland waren es 0,8 Prozent, so wenig wie seit 2010 nicht mehr. Im August erwarten Volkswirte nur noch 0,3 Prozent. Das ist weit weg von den knapp zwei Prozent, bei der die Europäische Zentralbank (EZB) Preisstabilität gewahrt sieht. Die Entwicklung schürt die Debatte über eine Deflation und eine Spirale aus sinkenden Preisen und sinkender Nachfrage. Verbraucher und Firmen halten sich mit Käufen und Investitionen zurück, weil sie erwarten, dass es noch günstiger wird. Dies könnte zu einer großen Last für die Konjunktur werden. Die EZB und Ökonomen winken jedoch ab – noch. Im Kern seien die Preise stabil, allein billige Energie und Nahrungsmittel seien Grund für den schwachen Preisauftrieb. Mittelfristig gehe es mit der Inflationsrate wieder nach oben. Doch in den Krisenländern Südeuropas könnte es zu Deflation kommen.
Inflationsrate in Deutschland | Create Infographics
Warum ist Deflation gefährlich?
Werden Waren und Dienstleistungen permanent billiger, verschieben Verbraucher Käufe, weil sie glauben, dass Anschaffungen oder Dienstleistungen noch günstiger werden. Firmen schieben Investitionen auf. Beides belastet die Unternehmen, weil sie Produkte und Dienstleistungen nicht verkaufen können. Dies wiederum führt – so die Theorie – zu Kurzarbeit, Lohnsenkung, Personalabbau und höherer Arbeitslosigkeit, was Konsum und Investitionen weiter bremst. Zudem vergeben Banken kaum Kredite. Es droht eine gefährliche Deflationsspirale.
In der Euro-Zone ist die Inflationsrate nahe an der Nullgrenze. Gab es schon Minusraten?
In Griechenland lag die Rate im Mai bei minus 2,1 Prozent, bis Juli hat sie sich auf minus 0,8 Prozent verbessert. Auch in Portugal gehen die Preise seit Monaten leicht zurück, um bis zu 0,7 Prozent. In Spanien lag die Rate im März bei minus 0,2, im Juli bei 0,4 Prozent, in Italien im Juli bei minus 0,1 Prozent.
Machen sich Experten deshalb Sorgen?
Noch nicht. Angesichts der Wirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit sei das nicht überraschend. Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), spricht von „Lowflation“ (niedrige Inflation), andere von „Disinflation“ (Verringerung des Preisniveauanstiegs). Anhaltende Deflation wäre in den Krisenstaaten auch deshalb ein Problem, weil der Abbau der Schulden erschwert würde.
Was sagt die Europäische Zentralbank?
Für sie ist der niedrige Preisauftrieb vor allem auf die deutliche Verbilligung von Energie und Nahrungsmitteln zurückzuführen. „Wir haben keine Deflation im Sinne von Preisen, die auf breiter Basis sinken, so dass Haushalte und Unternehmen ihre Ausgaben verschieben, weil sie niedrigere Preise erwarten“, sagt EZB-Präsident Mario Draghi. Tatsächlich war Benzin in Deutschland im Juli gut drei Prozent billiger als ein Jahr zuvor, Heizöl sechs, Gurken und Paprika 18 und 17 Prozent und Kartoffeln sogar 32 Prozent. Dagegen sind Nettomieten um 1,4 Prozent gestiegen.
Trotzdem werden die Sorgenfalten größer. Warum?
In den Krisenländern droht sich das Gefühl zu verfestigen, dass die Inflationsrate lange sehr niedrig bleibt. Das bremst die Konjunktur und den Abbau der Schulden. Die EZB erwägt weitere Sonderkredite, um die Banken dazu zu bringen, in Portugal, Griechenland und Spanien wieder mehr Kredite zu gewähren, um die Wirtschaft anzukurbeln. Volkswirte glauben, dass die Inflationsrate in der Euro-Zone erst 2019 wieder auf zwei Prozent steigt. 2015 wird sie auf nur ein Prozent zulegen.
Bestehen in Deutschland Deflationsgefahren?
Fernseher, Computer, Digitalkameras oder Waschmaschinen werden bei immer höherer Leistung immer günstiger. Im Durchschnitt sind diese Produkte, so das Institut für Weltwirtschaft (IfW), zwischen 1994 und 2013 um 18 Prozent billiger geworden. Trotzdem ist die Nachfrage nicht gesunken. Es gibt, so das IfW, „kaum Evidenz für die konsumhemmende Wirkung sinkender Preise“. Die Inflationsrate in Deutschland, so die Dekabank, werde 2015 auf 1,5 Prozent steigen. Die Commerzbank rechnet mit 2,1 Prozent.
Was bedeutet die niedrige Inflation oder sogar Deflation für Anleger und Sparer?
Sie dämpft den negativen Effekt niedriger Zinsen oder gleicht ihn sogar aus. Bei einer Deflation von 1,5 Prozent und einem Zins von einem Prozent für das Tagesgeldkonto bleiben real sogar 2,5 Prozent übrig. Aktionäre zählen tendenziell zu den Deflationsverlierern, weil die Firmen wenig verdienen und gar rote Zahlen schreiben, was den Aktienkurs drückt. Auch Immobilien werden von Deflation und sinkender Nachfrage getroffen. Wer auf Pump gekauft hat, ringt mit einem weiteren Problem: Real nimmt die Schuldenlast zu.