Der Verein Wüstenstrom bietet Beratungen für homosexuelle Menschen an, die ihre Sexualität als konflikthaft empfinden Foto: dpa-Zentralbild

Nach Vorwürfen um "Umpolungsversuche" bei Homosexuellen: In der Debatte um den christlichen Verein Wüstenstrom in Tamm (Kreis Ludwigsburg) haben sich mehrere Betroffene bei den Stuttgarter Nachrichten gemeldet und die Organisation in Schutz genommen.

Stuttgart/Tamm - In der Debatte um den christlichen Verein Wüstenstrom in Tamm (Kreis Ludwigsburg) haben sich mehrere Betroffene bei den Stuttgarter Nachrichten gemeldet und die Organisation in Schutz genommen. „Ich denke nicht, dass man dem christlichen Verein Wüstenstrom gerecht wird, wenn man ihm unterstellt, für ihn gebe es nur Heterosexuelle, und Schwule seien in deren Augen verwirrt und bösartig“, schreibt Andreas Walz aus Stuttgart-Plieningen.

In der Vergangenheit hatten Schwulen- und Lesbenverbänden sowie mehrere Politiker der Organisation unterstellt, sogenannte Konversationstherapien oder Umpolungsseminare anzubieten. Im Gespräch mit den Stuttgarter Nachrichten erhob zuletzt Richard (Name von der Redaktion geändert) massive Vorwürfe gegen die Organisation: „Die wollten mir nicht mehr helfen – die wollten aus mir mit aller Macht einen Heterosexuellen machen.“ Der junge Mann wurde nach eigener Aussage depressiv, brach die Beratungen ab und wandte sich an einen richtigen Psychotherapeuten. Mittlerweile lebt er in einer homosexuellen Beziehung.

Dazu schreibt Ursula Weiffenbach aus dem Stuttgarter Stadtteil Rohr, die selbst als Familientherapeutin arbeitet: „Therapien, die nicht den Erwartungen der Klienten entsprechen und deshalb abgebrochen werden, gibt es überall – sie gehören zum therapeutischen Alltag.“ Es dränge sich daher die Frage nach den Motiven auf, die Richard gehabt habe, um an die Öffentlichkeit zu gehen. Sie jedenfalls kenne Wüstenstrom als „eine vertrauenswürdige Therapieeinrichtung“, die in der therapeutischen Landschaft versuche, eine Lücke zu schließen.

Ein Betroffener aus Ludwigsburg, der nach eigenem Bekunden selbst seit einigen Jahren Ratsuchender bei Wüstenstrom ist, erklärt schriftlich: „Ich kann keine der Aussagen im Artikel bestätigen. Auch kenne ich andere Ratsuchende. Aber ich kenne niemanden, der zu irgendetwas gezwungen worden ist.“

Andreas Maier, der seinen Wohnort nicht nennen möchte, verteidigt die Verantwortlichen von Wüstenstrom ebenfalls. Die Beratung sei „hoch professionell“ und es sei ausgeschlossen, dass der Ratsuchende in irgendeine Richtung gedrängt werde, schreibt er. Ihm sei niemals suggeriert worden, dass er heterosexuell empfinden müsse, obwohl er seine homosexuellen Gefühle als konflikthaft empfunden habe. Das Ergebnis der Beratung bei Wüstenstrom: „Ich lebe fröhlicher, freier und leichter.“

Ein Betroffener aus Stuttgart und Felix R. aus Zürich, die beide nicht ihren vollen Namen veröffentlicht haben wollen, haben im Dialog mit Wüstenstrom ebenfalls nur positive Erfahrungen gesammelt. „Ich selbst habe während meiner Beratung bei Wüstenstrom jahrelang in einer homosexuellen Beziehung gelebt“, schreibt der Stuttgarter, „und ich kann bezeugen, dass ich zu keinem Zeitpunkt zu irgendetwas gezwungen wurde.“ Und R. schildert seine Situation so: „Ich habe selber homosexuelle Gefühle, die ich nicht auslebe. Das ist mein ganz alleiniger Entscheid. Ich wurde nie in der Beratung bei Wüstenstrom zu irgendetwas gedrängt, noch gab es irgendwelche Bestrebungen, mich umzupolen.“

Es sei sogar immer wieder frustrierend gewesen, in der Beratung zu erfahren, dass das ja gar nicht gehe. Er habe erst selbst lernen müssen, sich und seine Männlichkeit zu akzeptieren. Die Beratung von Wüstenstrom habe ihm dabei geholfen: „Mittlerweile kann ich sagen: Ich bin ein ganz normaler Mann und das ist gut so.“

Wüstenstrom bietet Beratungen für Menschen an, die ihre Sexualität als konflikthaft empfinden. „Solche Menschen gibt es viele, wie der große Zulauf zeigt“, meint Weiffenbach, „warum sollten sie kein Recht auf Hilfe haben?“