Die Fläche der geplanten neuen Halle entspricht rund 30 Fußballfeldern. Foto: MediaPortal Daimler AG

Daimler investiert bis 2020 insgesamt 2,1 Milliarden Euro für eine Rundumerneuerung des traditionsreichen Werks Sindelfingen. Herzstück ist eine neue Montagehalle für die S-Klasse, für die jetzt der Grundstein gelegt wurde.

Sindelfingen - Markus Schäfer weckt bei der Grundsteinlegung für die neue Montagehalle für die nächste Generation der S-Klasse in Sindelfingen große Erwartungen: Diese Fabrik werde „eine Zeitenwende in der Autoproduktion einleiten“ und neue Maßstäbe setzen, weil sie so digital, so flexibel und so grün sein werde, wie keine andere, kündigt der Produktionschef der Autosparte des Stuttgarter Konzerns an. Ende 2019 sollen hier die ersten Vorserienexemplare der nächsten Generation des Flaggschiffs von Mercedes-Benz zusammengebaut werden.

Die neuenFertigungsanlagen sollen laut Schäfer so flexibel gestaltet sein, dass auf dem gleichen Band auch das erste Sindelfinger Elektroauto der neuen Sub-Marke EQ und Robotaxis, also voll autonom fahrende Wagen ohne Lenkrad und Pedale, produziert werden können. Darüber hinaus sollen hier auch Wagen der E-Klasse gefertigt werden, wenn die Kapazität in der Montagehalle dieser Baureihe wegen starker Nachfrage nicht ausreichen sollte. Um besser auf Schwankungen der Nachfrage nach den verschiedenen Varianten reagieren zu können, strebt das Unternehmen auch flexiblere Arbeitszeitmodelle an. Diese müssen jedoch erst noch mit dem Betriebsrat ausgehandelt werden.

Statt Gabelstaplern fahren automatisierte Transportsysteme durch die Halle

In dieser Halle wolle man zudem „alle Register von Industrie 4.0 ziehen“, sagt Schäfer. Das heißt, alle Fertigungsprozesse sollen miteinander digital vernetzt sein. Mit Funk-Chips (RFID) soll sich der Weg einzelner Teile vom Lieferanten bis zum Kunden verfolgen lassen, Big Data und künstliche Intelligenz sollen beispielsweise dafür sorgen, dass drohende Störungen in Maschinen schon vorzeitig erkannt und eine Zwangspause in der Fertigung durch vorsorgliche Wartung der Maschine verhindert werden kann, erläutert der Produktionschef. Die „umständliche Zettelwirtschaft“, so Schäfer, soll abgelöst werden durch eine Kommunikation mit Smartwatches oder Datenbrillen. Statt Gabelstaplern sollen fahrerlose Transportsysteme die Mitarbeiter am Band mit den benötigten Teilen versorgen. Geplant ist auch, dass die fertigen Wagen automatisiert vom Band zur Verladestation fahren. In bestimmten Bereichen, so der Produktionschef, soll die Automatisierung im Vergleich zu heute aber auch zurückgefahren werden.

Mit der neuen Fabrik will der Autobauer laut Schäfer auch einen „Riesenschritt“ in Richtung ressourcenschonender Produktion gehen. Der CO2-Ausstoß beispielsweise soll im Vergleich zur bisherigen Fertigung der S-Klasse um 75 Prozent verringert werden. Eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach soll jährlich 5000 Megawattstunden grünen Strom erzeugen. Zudem soll durch das Dach Tageslicht in die Montagehalle kommen, was heute sehr ungewöhnlich für Autofabriken ist, wenn man von Sonderfällen wie der Rolls-Royce-Manufaktur im britischen Goodwood absieht.

Die Montagehalle für die S-Klasse ist das Herzstück der Rundumerneuerung des Standorts

Den Neubau der Montagehalle für die S-Klasse bezeichnet Werkleiter Michael Bauer als „Herzstück“ einer umfassenden Modernisierung dieses Traditionsstandorts, die schon seit einiger Zeit läuft. Zur Rundumerneuerung gehören auch ein Rohbau für die S-Klasse, der mehr Platz braucht als der bisherige, neue Bürogebäude, eine Nachrichtenzentrale und ein Rechenzentrum. Auch die Lackieranlagen werden modernisiert.

Bis zum Jahr 2020 sollen in Sindelfingen insgesamt 2,1 Milliarden Euro investiert werden. 600 Millionen davon werden im Forschungs- und Entwicklungsbereich investiert. Die Investitionen sind Teil einer Vereinbarung, die das Management 2014 zur weiteren Entwicklung des Werks und zur Sicherung der Beschäftigung mit dem Betriebsrat abgeschlossen hat.

Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut sagt, die Grundsteinlegung sei ein wesentlicher Baustein für eine gute Zukunft des Automobilstandorts Baden-Württemberg. Denn die neue Fabrik werde zwei globale Megatrends zusammenbringen, die für das Land ganz entscheidend seien: die Digitalisierung der Produktion und Fahrzeugmodelle der Zukunft. Nur wenn die Autohersteller auf beiden Feldern die richtigen Antworten lieferten, so die Ministerin, könne Baden-Württemberg seinen Ruf als Premiumstandort der Industrie auf lange Sicht verteidigen.