Lissy Langer baut im Sindelfinger Entwicklungslabor mit einem Roboter eine Batterie in ein Hybridfahrzeug ein. Foto: Media Portal Daimler AG

Die Veränderungen in der Arbeitswelt beschäftigen auch die Verantwortlichen im Mercedes-Werk in Sindelfingen. Der Autobauer gab jetzt Einblicke in den Umgang mit dem Thema Digitalisierung.

Sindelfingen - Film ab im Kundencenter des Mercedes-Werks in Sindelfingen. Auf der Leinwand gleiten rassige Modelle durch eine traumhafte Landschaft. Man sieht blitzsaubere Produktionshallen, in denen Roboter wie von Geisterhand gesteuert arbeiten. Irgendwo in der Sindelfinger High-Tech-Fabrik steht auch noch ein Mensch mit einem Touchscreen. Fanfarenklänge und Trommelwirbel beenden die Präsentation, die einstimmen soll auf das Thema der folgenden Vorträge: die Marktsituation des Automobilbauers Daimler und Industrie 4.0.

Neue Unternehmenskultur

Rund 150 Zuhörer lauschen gespannt, was der Standortverantwortliche Michael Bauer und der Kommunikationsmanager Industrie 4.0 und Prozesssteuerung, Marc-Oliver Füger, zu verkünden haben. Die Botschaft lautet: Um marktfähig zu bleiben, steht die Vernetzung sämtlicher Geschäfts- und Arbeitsprozesse an. Mehr Schnelligkeit, Transparenz und Handlungskompetenz sind das Ziel. Und natürlich geht es auch um eine neue Unternehmenskultur. Womit der Bogen zu der Veranstaltungsreihe Biennale im Dialog gespannt wäre, die sich mit kulturellen Entwicklungen befasst und in deren Rahmen Daimler einlud.

Hier entlang: Daimler startet Produktion der S-Klasse in Sindelfingen

Voraussetzung für die Vernetzung ist laut der Führungskräfte „totale Transparenz“ – beispielsweise über eine App für die Meister im Werk. Die Fertigungsprozesse und die Arbeitsaufzeichnungen werden in Echtzeit verfolgt. Eine Steuerungssoftware ermöglicht Eingriffe auf der Sensorebene an einzelnen Maschinen. Vernetzt ist man auch mit der Produktionsleitung sowie mit allen Lieferanten und Systempartnern überall auf dem Globus.

Fehler aus der Ferne behoben

„Mit jeder neuen Baureihe erweitern wir unser Netzwerk“, sagt Marc-Oliver Füger. Ein praktischer Vorteil: Wenn eine Anlage gewartet werden muss oder es Schwierigkeiten gibt, kann der Fehler aus der Ferne diagnostiziert und abgestellt werden. Denn ein Stillstand der Anlagen soll auf jeden Fall vermieden werden. „Eine Flugreise zu ausländischen Fertigungsstätten, um sich ein Bild vor Ort zu machen, gehört längst der Vergangenheit an“, sagt Füger. Vorgaben und Verbesserungen – im Sinne von Best Practice – können überall übernommen werden. „Die C-Klasse-Werke in Bremen und Peking, in Südafrika und in den USA konnten sich bei der Inbetriebnahme gegenseitig unterstützen“, erläutert Füger. Im Jahr 2014 wurde die Produktion in den Werken binnen sechs Monaten hochgefahren.

„Gibt es vor Ort ein gravierendes Problem, werden die beteiligten Personen zusammengeschaltet: der Meister, die Systemfachleute und auch der Mitarbeiter eines Fertigungsbereichs. Gemeinsam wird nach einer Lösung gesucht. Da kann es auch mal sein, dass der Mitarbeiter wegen seiner täglichen Praxiserfahrung mehr weiß als der Meister und prägt dann maßgeblich die Entscheidung, wie weiter gemacht wird“, berichtet Bauer. Das zeige, wie man sich allmählich vom Hierarchiedenken verabschiede. Aber auch auf eine fein abgestimmte Kooperation zwischen Mensch und Roboter kommt es im digitalen Zeitalter an. Bei aller Intelligenz der computergesteuerten Kollegen: „Letztlich entscheidet immer noch der Mensch“, sagt Füger. Die Befürchtung, Industrie 4.0 vernichte Arbeitsplätze, sei nicht korrekt. Allerdings ändern sich die Anforderungen im Arbeitsalltag. „Um mit den Technologien umgehen zu können, müssen wir verstärkt auf die Ausbildung und Qualifikation unserer Mitarbeiter setzen“, betont Bauer. Denn immer mehr geht es auch darum, die Arbeit virtuell zu planen und zu testen – bis hin zu den ergonomischen Anforderungen für den Menschen: „Er ist und bleibt natürlich immer noch das Wichtigste“, so Bauer.

Das Herz der Forschung und Entwicklung der Daimler AG schlägt in Sindelfingen. Sämtliche Fahrzeugmodelle und auch die ersten Prototypen werden dort entwickelt und gebaut. In der so genannten Tec-Fabrik werden auch Roboter erprobt. 11 000 Mitarbeiter sind mit Innovationen beschäftigt.

In Sindelfingen beschäftigt Daimler 35 000 Mitarbeiter. 13 000 davon sind in der Produktion tätig. Sie stellten im vorigen Jahr 310 000 Fahrzeuge her. 11 000 Menschen arbeiten in anderen Bereichen wie im Qualitätsmanagement, im Einkauf, in der Logistik und im Finanz-Controlling. Zuletzt investierte Daimler 2,1 Milliarden Euro in den Standort, davon flossen 600 000 Euro in Forschung und Entwicklung.