In Baden-Württemberg besuchen derzeit rund 1,5 Millionen Schülerinnen und Schüler allgemeinbildende oder berufliche Schulen. Foto: dpa/Alessandro Crinari

Alles läuft auf mehrwöchige Zwangsferien hinaus: Aus Angst vor dem Coronavirus dürften bald landesweit alle Schulen und Kindergärten bis Ostern geschlossen werden. „Endlich“, sagen die Gymnasiallehrer. Elternvertreter hingegen warnen vor Chaos.

Stuttgart - Das Land ist aus Sicht des Elternbeirates auf allgemeine Schulschließungen bis Ostern absolut nicht vorbereitet. „Wir haben keine Möglichkeiten, auf digitale Bildungsangebote auszuweichen, weil wir nach wie vor in der Steinzeit sind“, sagte der Vorsitzende des Landeselternbeirats, Carsten Rees, der Deutschen Presse-Agentur. „Nachdem die Bildungsplattform ella zusammengebrochen ist, stehen wir saublöd da.“ Rees wies auf die Lage von Schülern hin, die mitten in Prüfungsvorbereitungen steckten, etwa aufs Abitur lernen. Der Elternbeirat erwarte umfassende Antworten von der Landesregierung. „Ich befürchte Chaos, weil wir nicht ausreichend vorbereitet sind.“ Es gebe viele Fragen etwa auch zur Betreuung von Kindergartenkindern und keine befriedigende Antworten.

Die baden-württembergische Landesregierung will am Freitag bei einer Sondersitzung des Kabinetts über allgemeine Schulschließungen im ganzen Land bis Ostern entscheiden. Das bestätigte ein Regierungssprecher der Deutschen Presse-Agentur. Die Sondersitzung findet um 12.00 Uhr statt und soll eventuell per Videoschalte durchgeführt werden. Dort sollen Maßnahmen beschlossen werden, um das Virus einzudämmen und die Ausbreitung zu verlangsamen. Die Krankenhäuser seien noch stark belegt durch die Grippewelle.

Drastische Maßnahmen zur Eindämmung

In Baden-Württemberg besuchen derzeit rund 1,5 Millionen Schülerinnen und Schüler allgemeinbildende oder berufliche Schulen. Rund 444 000 Kinder wurden 2019 in Kindertageseinrichtungen betreut.

Die bevorstehende Schließung aller Schulen und Kindergärten im Land hätte nach Ansicht der Gymnasiallehrer deutlich früher beschlossen werden müssen. „Das Bewusstsein für den Ernst der Lage ist bei der Landesregierung erst langsam gereift“, sagte Ralf Scholl, der Vorsitzende des Philologenverbands Baden-Württemberg, der Deutschen Presse-Agentur. „Jetzt ist es aller-, allerhöchste Eisenbahn für einen konsequenten Schnitt.“ Die drastischen Maßnahmen zur Eindämmung seien dringend nötig, damit sich in den kommenden Wochen in Baden-Württemberg nicht Zehntausende infizierten, sagte Scholl.

Die Schulen hätten zu lange für sich und unterschiedlich entschieden, kritisierte Scholl vor der Sondersitzung. „Das waren teilweise hanebüchene Verhältnisse.“ Deshalb sei es besser, man fahre das ganze System bis zu den Ferien herunter. Bis dahin und in den Urlaubswochen sei nun Zeit gewonnen. Die Situation in China, in der ganze Städte von der Außenwelt abgeschlossen wurden, habe gezeigt, dass es möglich sei.

Scholl brachte für überlastete Eltern auch eine Notbetreuung der Kinder ins Spiel. „Es wird Fälle geben, bei denen die Oma und der Opa nicht zur Verfügung stehen, um sich um ein Kind zu kümmern. Da muss man sehen, ob man etwas organisieren kann.“

Bürgerbüros bis auf Weiteres geschlossen

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte sich bislang gegen pauschale Schulschließungen ausgesprochen und die Forderung des Philologenverbands nach einer präventiven Schließung aller Schulen als „unverantwortlich“ bezeichnet.

Der Hauptgeschäftsführer der baden-württembergischen Arbeitgeberverbände, Peer-Michael Dick, sagte, dass Schulen und Kindergärten geschlossen werden sollen, bringe Beschäftigte mit Kindern und Unternehmen in exorbitante Schwierigkeiten. „Sollten die Schulen und Kindergärten in Baden-Württemberg flächendeckend bis auf Weiteres geschlossen werden, sehen wir in erster Linie einen unbezahlten Freistellungsanspruch, zunächst für die Organisation einer notwendigen Kinderbetreuung, aber auch für die notwendige Kinderbetreuung an sich, wenn diese anderweitig nicht möglich ist.“ Ein Vergütungsanspruch bestehe für beide Fälle nicht. Dies sei anders als bei kranken Kindern.

In der Landeshauptstadt Stuttgart sind seit Donnerstagabend alle 22 Bürgerbüros für Besucher bis auf Weiteres geschlossen. Die Mitarbeiter entscheiden, ob eine persönliche Vorsprache nötig und möglich sei, teilte ein Sprecher der Stadt mit.