In Baden-Württemberg haben Frauen in Heidelberg die höchste Lebenserwartung, gefolgt von den Landkreisen Tübingen, dem Bodenseekreis und Breisgau-Hochschwarzwald. Foto: picture alliance / Uli Deck/dpa/Uli Deck

Wie lange haben wir zu leben? Nach Angaben von Statistiken sterben die Bundesbürger deutlich früher als noch vor fünf Jahren. Der Altersforscher Konrad Beyreuther und der Demografie-Forscher Jonas Schöley erklären, was die Gründe hierfür sind und was wir selbst für ein langes Leben tun können.

In Deutschland ist die durchschnittliche Lebenserwartung seit Beginn der Coronapandemie um 0,6 Jahre gesunken. 2022 verringerte sich die Lebenserwartung bei Geburt für Frauen auf 82,9 Jahre und für Männer auf 78,2 Jahre, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Die Werte ergeben sich aus den aktuellen Überlebensverhältnissen aller Altersgruppen. Es handelt sich nicht um Prognosen für heute Neugeborene.

„Wir belegen in Sachen Lebenserwartung den vorletzten Platz in Europa“, sagt Konrad Beyreuther, Gründungsdirektor des Netzwerks Altersforschung (NAR). Das sei für ein wirtschaftlich so gut gestelltes Land „ein wahres Armutszeugnis“, so der Wissenschaftler, der für seine Grundlagenforschung bei neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer preisgekrönt ist.

Ist Corona der alleinige Grund für die höheren Sterbefallzahlen?

Den Statistikern zufolge waren die Sterbefallzahlen vor der Pandemie jährlich um etwa ein bis zwei Prozent gestiegen. In den drei Pandemiejahren gingen die jährlichen Anstiege jeweils über dieses Ausmaß hinaus. So gab es von 2020 bis 2022 insgesamt etwa 140 000 bis 200 000 zusätzliche Sterbefälle.

Das Problem sei aber nicht allein Corona zuzuschreiben, sagt Jonas Schöley vom Max-Planck-Institut für Demografische Forschung. So gab es im Jahr 2022 einen Herbst und Winter eine ungewöhnlich hohe Mortalität durch andere Infektionskrankheiten. Der Altersforscher Beyreuther mahnt zudem noch einen weiteren Grund an: „Es wird seitens der Medizin und Wissenschaft zu wenig auf die Herzgesundheit geachtet.“ Auch von der Gesundheitspolitik werde dieser Bereich wenig gefördert. Das müsse sich ändern. So seien Herz-Kreislauferkrankungen die Todesursache Nummer eins.

Wie kann die eigene Lebenserwartung verbessert werden?

Eine aktuelle US-Studie belegt, dass es sich auszahlt, die Menschen über einen gesünderen Lebensstil aufzuklären: So können 40-jährige Männer damit im Durchschnitt 23,7 Jahre länger leben als mit einem sehr schädlichen Lebensstil. Bei Frauen beträgt der Unterschied 22,6 Jahre. Ein gesunder Lebensstil umfasst acht Gewohnheiten: körperlich aktiv zu sein, nicht zu rauchen, gut mit Stress umgehen zu können, sich gut zu ernähren, nicht unmäßig Alkohol zu trinken, gut und regelmäßig zu schlafen, positive soziale Beziehungen zu pflegen und nicht von Opioid-Schmerzmitteln abhängig zu sein.

Wie lange leben die Menschen in Baden-Württemberg?

Zumindest in Baden-Württemberg sehen die Zahlen im Vergleich zum Bund etwas besser aus: Hier beträgt die Lebenserwartung bei Geburt bei Männern 79,7 Jahre und bei Frauen 84,1 Jahre. Innerhalb des Landes weise derzeit die weibliche Bevölkerung in Heidelberg die höchste Lebenserwartung auf, gefolgt von den Landkreisen Tübingen, dem Bodenseekreis und Breisgau-Hochschwarzwald.

Am geringsten sei die Lebenserwartung der Frauen in Pforzheim. Die männliche Bevölkerung wird laut Statistik momentan im Landkreis Tübingen am ältesten, gefolgt von den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald und Böblingen sowie den Stadtkreisen Freiburg im Breisgau, Heidelberg und Stuttgart. Am geringsten ist die Lebenserwartung der Männer in Pforzheim.

Was sind die Gründe für die regionalen Unterschiede?

Die Gründe für die regionalen Unterschiede sind laut Statistischem Landesamt vielfältig. Entscheidend dürften nicht zuletzt das Bildungsniveau und die daraus resultierende Einkommenssituation sein: Je besser der Bildungsstand und die Einkommensverhältnisse, desto niedriger falle tendenziell die Sterblichkeit aus.

Ein Teil des Unterschiedes in der Lebenserwartung zwischen Süddeutschland und dem übrigen Deutschland könne auch auf das Rauchen zurückgeführt werden, sagt Jonas Schöley vom Max-Planck-Institut für Demografische Forschung. „Die Popularität des Rauchens in Deutschland war und ist regional unterschiedlich und diese Unterschiede schlagen sich in einem Nord-Süd Gefälle bei der Lungenkrebssterblichkeit wieder.“

Haben sich die Voraussetzungen für ein langes Leben verschlechtert?

Dass die Voraussetzungen für ein langes gesundes Leben in Deutschland grundsätzlicher schlechter geworden sind, das vermag Schöley allerdings noch nicht aus den Daten zu lesen: Zwar sehen sich seit 2020 gerade ältere Menschen mit einem merkbar höherem Sterberisiko konfrontiert. So waren Ende 2022 in Deutschland rund 150 000 weniger Menschen im Alter ab 65 Jahren noch am Leben, als unter der üblichen Sterblichkeit zu erwarten gewesen wären. Das ist ein verfrühter Todesfall auf 125 Personen.

Allerdings habe sich an den Grundvoraussetzungen für ein Leben bis zum Alter von 80 Jahren bislang nichts geändert: „Zwar ist Covid-19 ein zusätzlicher Risikofaktor, aber selbst bei einer langfristigen Stagnation der Lebenserwartung auf dem Niveau von 2015 würde die Hälfte aller Neugeborenen Männer jenseits der 80 sterben.“