Nico Rosberg ist dafür, auch Sebastian Vettel spricht sich für den Cockpitschutz Halo aus. Doch ob der sogenannte „Heiligenschein“ das Leben von Jules Bianchi gerettet hätte, ist fraglich. Nun müssen die Teamchefs entscheiden, was Nico Rosberg ärgert.
Stuttgart - Wirklich schön ist er nicht, aber dafür unglaublich sicher. Wer sich vor 30 Jahren einen Volvo gekauft hat, könnte mit diesen Worten um Verständnis bei Frau, Freundin oder Freunden geworben haben. Schönheit oder Sicherheit. Entweder oder. So war das damals. Aber selbst 2016 steht die Formel 1 vor dieser Entscheidung. An diesem Donnerstag trifft sich die Strategiegruppe in Genf, um darüber zu diskutieren, ob der Cockpitschutz Halo (englisch: Heiligenschein) in der kommenden Saison eingeführt werden soll. Toto Wolff ist dabei hin und her gerissen. „Mir gefällt es überhaupt nicht“, sagte der Mercedes-Motorsportchef beim Treffpunkt Foyer unserer Zeitung, aber er drückte sich um ein klares Bekenntnis für oder gegen. „Ich muss mir noch eine abschließende Meinung bilden.“
Nach dem Unfall von Jules Bianchi in Suzuka am 5. Oktober 2014, an dessen Folgen er am 17. Juli 2015 starb, beschleunigte den bereits verfolgten Plan, den Kopf der Piloten durch bauliche Maßnahmen am Cockpit besser zu schützen. Mehrere Systeme wurden entworfen und im Test erprobt, am Ende machte die dritte Version von Halo das Rennen. Der sieben Kilogramm schwere Titanring, der seitlich am Cockpit und mittig davor am Chassis befestigt ist, soll verhindern, das umherfliegende Reifen den Helm treffen oder der Kopf des Fahrers beim Crash eingequetscht wird. Halo 3 hält bei einem Überschlag der zehnfachen Belastung im Vergleich zum aktuellen Überrollbügel stand.
Die Skepsis überwiegt
Beim Briefing in Ungarn präsentierte Rennleiter Charlie Whiting den 22 Fahrern den Abschlussbericht, wonach der Automobil-Weltverband Fia nach 40 realen Unfallszenarien eine um 17 Prozent bessere Überlebenschance errechnet hatte im Vergleich zu einem Formel-1-Boliden ohne den Heiligenschein. „Mit hat die hochgezogene Windschutzscheibe besser gefallen“, sagte Manor-Pilot Pascal Wehrlein beim Treffpunkt Foyer in der Liederhalle Stuttgart, „aber wenn damit die Sicherheit erhöht wird, ist das zu begrüßen.“ Mercedes-Fahrer Nico Rosberg gilt sogar als glühender Verfechter des Cockpitschutzes. „Die Verbesserungen sind in allen Bereichen erheblich“, sagte der gebürtige Wiesbadener, „ich bin mit Sicherheit dafür.“ Auch Sebastian Vettel bekennt sich als Befürworter. „Die Präsentation war ziemlich eindeutig“, sagte der viermalige Weltmeister, „der Ausgang war bei allen Crashs positiv – nun liegt es an der Fia, dass sie das auch durchdrücken.“
Doch es gibt auch andere Stimmen. „Felipe Massa wäre immer noch wie 2009 von der herumfliegenden Stahlfeder am Kopf getroffen worden“, ist Lewis Hamilton überzeugt. Zweifelhaft ist ebenfalls, ober die Verletzungen, denen Jules Bianchi erlegen ist, durch den Cockpitkranz verhindert worden wären. Der Weltmeister so ziemlich der einzige Pilot, der Halo kritisch gegenübersteht – auf der anderen Seite der Boxenmauer, dort wo Teamchefs und Teamberater sitzen, tummelt sich eine Vielzahl von Skeptikern. Toto Wolff hat bemängelt, dass bei den Test mit Halo 3 mindestens ein Szenario nicht berücksichtigt wurde: wenn ein Auto kopfüber in Flammen steht. Helmut Marko drückt sein Urteil nicht so rational und diplomatisch aus. „Diese Idiotie mit dem Cockpitschutz zerstört die ganze Formel 1“, wetterte der Red-Bull-Berater und kam zu dem Schluss: Wem es auf den Rennstrecken zu gefährlich zugeht, der möge halt zurücktreten.
Nun sind die übrigen Teambosse nicht so harsch, doch die Skepsis überwiegt, und weil die Teams sowie die kommerziellen Rechtehalter in der Strategiegruppe abstimmen, sieht es so aus, dass Halo 3 nicht kommen wird. Zumindest nicht 2017. „Es geht um die Sicherheit, es ist daher seltsam, dass es in den Händen der Teams liegt“, wundert sich Nico Rosberg. Ein berechtigter Einwand, aber in der Formel 1 fällt eben auch nicht jede Entscheidungen ausschließlich rational.