Klaus Läpple mit dem Beinsteiner Tor im Hintergrund und der von dem Klimaforscher Ed Hawkins erstellten Strichcode-Grafik zur Erderwärmung im Vordergrund Foto: Gottfried Stoppel

Die Stadt Waiblingen hat gleich zwei klimaneutrale Baugebiete ausgewiesen, in denen die Arbeiten nun beginnen können. Der Umweltbeauftragte Klaus Läpple erzählt, wieso das sowohl für das Klima als auch für Bauherren gut ist.

Waiblingen - Beim Blick auf dieses Poster wird wohl jedem klar: die Lage ist ernst. Klaus Läpple, der langjährige Umweltbeauftragte der Stadt Waiblingen, zeigt auf das mit farbigen Linien bedruckte Papier, das den Klimawandel als Strichcode darstellt. Jeder Farbstreifen symbolisiert ein Jahr. In der linken Hälfte dominiert die Farbe Blau, rechts aber sind viele Linien Dunkelrot, was beweist: die Jahresdurchschnittstemperatur in Deutschland hat sich von 1881 bis 2017 dramatisch erhöht.

Klaus Läpple arbeitet seit 1993 als Umweltbeauftragter bei der Stadt Waiblingen. Dass er im Umweltschutz tätig sein will, das war für den Agraringenieur früh klar. Ein Bereich, der viel Frustpotenzial birgt, könnte man meinen angesichts all der Meldungen von Umweltkatastrophen und verfehlten Klimaschutzzielen. Klaus Läpple sieht seinen Job anders. Das Jonglieren mit CO2-Bilanzen, das Drehen an Stellschrauben und die Erfolge, die man so erzielen und auch messen kann, findet er spannend. Wichtig ist ihm, „durch gute Beispiele zu zeigen, welche Wege man gehen kann“.

Nur selten sind ganze Wohngebiete klimaneutral

Die Stadt Waiblingen gehe ganz schön weit beim Klimaschutz, auch wenn sie es nicht an die große Glocke hängt. An diesem Freitag fällt der Startschuss für das klimaneutrale Baugebiet Berg-Bürg II in der Ortschaft Bittenfeld, am Mittwoch folgt in der Kernstadt mit der Grundsteinlegung im ebenfalls CO2-neutralen Wohngebiet Hoher Rain gleich der nächste. Was klimaneutrales Bauen angehe, sei Waiblingen zwar nicht alleine, „aber in dieser Konsequenz führend“, sagt Klaus Läpple. Andernorts würden zwar einzelne klimaneutrale Gebäude erstellt, aber selten ein ganzes Wohngebiet.

Waiblingen also hat demnächst zwei davon. Während im Hohen Rain nur ein Bauträger verantwortlich ist, sind in Bittenfeld auch etliche private Bauherren am Start. 25 Anträge hat Klaus Läpple für Berg-Bürg bereits daraufhin geprüft, ob die geplanten Häuser die energetischen Vorgaben für Klimaneutralität erfüllen. Konkret heißt das: die CO2-Emissionen, die in jedem Haus durchs Heizen und den im Haushalt verbrauchten Strom verursacht werden, müssen über regenerativ erzeugten Strom ausgeglichen werden. Die Gebäude müssen bestimmte Dämmwerte und einen geringen Primärenergiebedarf aufweisen „Jedes Haus ist für sich gerechnet CO2-neutral“, sagt Klaus Läpple.

Mehr Flexibilität für Bauherren

Dass das machbar ist, hat die Stadt vorab mittels eines Gutachtens klären lassen. Für dieses Modell zwingend nötig sei aber, dass die Stadt Eigentümerin der Flächen sei, sagt Läpple: „Sonst wird es schwierig, Bauherren könnten zum Beispiel klagen.“

Und während man 2006 noch vorwiegend auf Solarenergie setzte und in Bebauungsplänen festlegte, dass mindestens 50 Prozent der geeigneten Dachflächen mit Solaranlagen versehen werden müssen, räumt man den Bauherren nun mehr Möglichkeiten ein – Hauptsache sie dienen dazu, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. „Man kann den Leuten mehr Flexibilität geben“, sagt Klaus Läpple. Da kommen sie wieder ins Spiel, die Stellschrauben: Wer zum Beispiel ein sehr gut gedämmtes Haus erstelle, der brauche nur noch wenig Restwärme, die er über eine Luft-Wasser-Wärmepumpe erzeugen könne, erklärt Läpple. In anderen Gebäuden kommen Pellet-Öfen zum Einsatz oder die oberflächennahe Erdwärme wird genutzt. Ein Gasnetz hingegen gibt es in Berg-Bürg nicht.

Bauherren bräuchten einen Energieberater an ihrer Seite, sagt Klaus Läpple. Die Stadt zahlt ihnen zwei Beratungsstunden bei der Energieagentur Rems-Murr und hat ein Berechnungstool entwickelt – eine Tabelle, mit deren Hilfe sich ausrechnen lässt, welcher CO2-Ausstoß verursacht wird, wenn man das jeweilige Gebäude beheizt und den für den Haushalt benötigten Strom verbraucht. Ist das Ergebnis unter dem Strich negativ, errechnet das Programm beispielsweise, wie groß die Fotovoltaikanlage sein muss, um die Treibhausgas-Emissionsbilanz auszugleichen. Der ein oder andere würde sich gerne freikaufen und stattdessen lieber einen Ausgleich zahlen – „aber das machen wir nicht.“

Bisher habe es noch jedes Mal geklappt mit der Klimaneutralität, sagt Klaus Läpple, dem eine Botschaft besonders wichtig ist: dass man nicht nur drauflegen muss, wenn man umweltbewusst baut. „Es kommt etwas zurück. Auf zehn Jahre rechnet sich eine Fotovoltaikanlage, dann klingelt es. Und wenn die Strompreise weiter steigen, dann noch früher.“