Mit Grimassen, Späßen und Musik gewinnt Clown Sunny die Aufmerksamkeit der jungen Patientinnen und Patienten. Foto: Simon Granville

Clown Sunny therapiert schwer kranke Kinder und Jugendliche in Kornwestheim regelmäßig. In der Intensivpflegeeinrichtung Bärenfamilie gelingt der Krankenschwester, was andere Fachkräfte nicht schaffen.

Als sich Sunny dem Rollstuhl nähert, ist der Achtjährige in sich gekehrt. Der Junge hat Arme und Beine an sich gezogen, den Kopf nach unten gerichtet. Langsam zieht der Clown seine Aufmerksamkeit auf sich, kniet sich nahe vor das Kind, berührt es mit der Hand und lächelt es an. Die bunte, geschminkte Gestalt mit der roten Nase kramt in einer kleinen Umhängetasche und holt eine kleine Spieluhr hervor. Jetzt kann die Clowntherapie in der Bärenfamilie, einer Einrichtung für Kinderintensivpflege, in Kornwestheim losgehen.

Seit drei Jahren werden in der Salamanderstadt Kinder und Jugendliche stationär versorgt, die ein Tracheostoma, einen künstlichen Zugang zur Lunge, haben und rund um die Uhr medizinisch beobachtet werden müssen. Die jungen Bewohnerinnen und Bewohner werden teilweise dauerhaft beatmet. Sie sind zum Großteil in ihrer Mobilität stark eingeschränkt, verbringen die meiste Zeit im Bett oder Rollstuhl. „Toben, rennen, schaukeln oder normal spielen, das können die Kinder hier nicht“, sagt Sonja Marhart, die pädagogische Leiterin der Einrichtung. Neben Logopädie und Ergo- und Physiotherapie kommt dort seit diesem Jahr eine unkonventionellere Methode zum Einsatz: Alle zwei Wochen ist Heidi Härter-Schnaidt in ihrer Rolle als Clown Sunny zu Gast.

Körperlicher Zustand bessert sich nachweislich

„Wollen wir Musik machen?“, fragt die bunte Gestalt den Jungen im Rollstuhl. Mit den Tönen der Spieluhr kommt Bewegung in den Achtjährigen. Er wiegt sich sachte hin und her, als ob er zu der langsamen Melodie tanzen wollte. Clown Sunny lässt ihn nicht aus dem Blick und lächelt ihn an.

Bei der Arbeit von Gesundheitsclowns geht es zwar auch darum, Ablenkung und Freude zu bieten. Sie unterstützen allerdings auch die therapeutische Pflege und tragen dazu bei, dass sich der körperliche Zustand von Kranken bessert. „Die Clowntherapie wird bei uns pädagogisch begleitet“, erklärt Sonja Marhart. In der Einrichtung in Kornwestheim hätten sich damit schon einige Erfolge erzielen lassen. „Bei den Kindern wird der Herzschlag gleichmäßiger, die Sauerstoffsättigung besser“, sagt sie.

Nun zieht Sunny einen langen Luftballon aus der Umhängetasche heraus. „Orange magst du gerne, oder?“, fragt der Clown mit leiser Stimme. Mit einer kleinen Pumpe pustet er in den Ballon und imitiert mit einem langen „Pffff“ das Geräusch. Erst formt Sunny eine Nase, dann zwei Ohren. Das Gummi des Ballons quietscht. Mit einem Filzmarker malt er Augen auf. Dann drückt der Clown dem Achtjährigen vorsichtig den Ballon in die Hände. Der Junge öffnet seine Augen weit und tastet das Gummitier ungelenk ab.

Sonja Marhart beobachtet die Szene mit Freude. Dass der junge Bewohner seinen Blick auf die rote Nase und den orangenen Ballon heftet, ist für sie ungewöhnlich. „Er fixiert sonst nie Dinge“, sagt sie fasziniert. Als der Achtjährige in die Einrichtung kam, sei unklar gewesen, wie viel er sehen kann. Es bestand sogar die Sorge, er könnte blind sein. Auch dank der Clowntherapie ist nun klar, dass dem nicht so ist. Auf positive Weise überraschend ist für die pädagogische Leiterin außerdem, dass der Junge nach dem Ballon greift. Das schaffe die gewöhnliche Physiotherapie oft nicht.

Zum Gesundheitsclown fortgebildet

Zuletzt befestigt Sunny den Ballon am Rollstuhl und zieht einen kleinen Ball aus der Tasche. Langsam lässt der Clown ihn über die Füße und Hände des Jungen rollen und summt dabei leise ein Lied. Der Achtjährige versucht, den Ball zu fassen, und hält ihn kurz fest. Sunny gibt ihm Zeit, den Gegenstand mit den Fingern zu erkunden. Dann nimmt der Clown Abschied von dem Kind, um sich der nächsten Patientin zu widmen.

Erst seit wenigen Jahren arbeitet Heidi Härter-Schnaidt in der Rolle des Clowns. Die 55-Jährige ist ausgebildete Krankenschwester und hat sich in einer zweijährigen Ausbildung zum Gesundheitsclown fortgebildet. Neben ihrem Job in einer Klinik ist sie nun in einem 100 Kilometer Radius rund um Herrenberg als Sunny unterwegs: auf Krankenstationen, in Seniorenheimen und ähnlichen Einrichtungen. Die Arbeit mit mental beeinträchtigen Mädchen und Jungen sei sehr besonders. „Es ist gerade bei diesen Kindern wunderschön zu sehen, was eine Berührung oder Musik auslösen kann“, sagt sie. Diese Arbeit gebe ihr persönlich sehr viel. „Für mich ist unbezahlbar, was ich dabei von den Kindern zurückbekomme“, sagt sie.

Programm wird auf Bedürfnisse der Patienten abgestimmt

Damit sich die Therapeutin auf den Besuch vorbereiten kann, tauscht sie sich mit dem pflegerischen und pädagogischen Personal aus. So erhält sie vom Team der Bärenfamilie zum Beispiel Hinweise zum Gesundheitszustand der Kinder und Jugendlichen. Da sie die jungen Bewohnerinnen und Bewohner in Kornwestheim seit einer Weile kennt, ist mittlerweile nur noch eine kurze Übergabe nötig, um die Requisiten und ihre Vorgehensweise individuell abzustimmen.

Auch bei der 15-Jährigen, die jetzt an der Reihe ist, bewirkt der Clown kleine Wunder. Die Jugendliche sitzt ebenfalls im Rollstuhl. Zur Begrüßung zieht Sunny ein Fläschen Lauge hervor, pustet kräftig und lässt Seifenblasen in die Luft schweben. Die 15-Jährige staunt und verfolgt die schillernden Gebilde mit den Augen. Das gemeinsame Pusten will jedoch nicht so richtig klappen. Deshalb geht Sunny zum nächsten Punkt über: Sie macht seltsame Geräusche und schneidet Grimassen. Die Jugendliche lacht laut und herzhaft. Mit den Füßen strampelt sie vor Vergnügen über die Albernheiten.

„Es ist erstaunlich, wie schnell Sunny die Kinder für sich einnehmen kann“, sagt Sonja Marhart. Der Therapeutin gelinge es, eine Beziehung zu den jungen Bewohnern aufzubauen, mit ihrem feinen Gespür, ihrer ruhigen Art und ihrer Fähigkeit, auf die speziellen Bedürfnisse einzugehen. Durch ihre Clownsrolle hat Heidi Härter-Schnaidt einen Vorteil: Sie wird nicht als Pflegerin oder Ärztin wahrgenommen. „Die Kinder haben mehr Spaß als bei anderen Therapien“, erklärt sie. Deshalb passierten immer wieder Dinge, die sonst nie zu beobachten sind.

Jugendliche ist wie verwandelt

Die 15-Jährige im Rollstuhl wirkt ebenfalls wie verwandelt. Obwohl sie sonst Schwierigkeiten damit hat, sich selbst zu regulieren, und häufig unruhig ist, bleibt sie bei Sunny ganz gelassen. Aufmerksam schaut sie zu, wie der Clown einen gelben Ballon zu voller Größe aufbläst. Mit einem Knall platzt er plötzlich. Und erneut erntet Sunny lautes Gelächter.

Unkonventionelle Arbeit ist auf finanzielle Hilfe angewiesen

Belegung
Seit drei Jahren ist die Kinderintensivpflege der Bärenfamilie in Kornwestheim beheimatet. Die Räumlichkeiten an der Eastleighstraße bieten Platz für bis zu 17 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Aufgrund des Mangels an Pflegekräften ist die Einrichtung bisher nicht komplett belegt. Derzeit werden nur fünf junge Bewohnerinnen und Bewohner dort versorgt.

Spenden
Anders als konventionelle Therapieformen wird die Arbeit mit Doktorclowns von den Krankenkassen nicht übernommen. Um die Besuche von Sunny, die einen Stundenlohn von rund 70 Euro erhält, weiterhin zu finanzieren, ist die Einrichtung auf Spenden angewiesen. Diese werden über den Verein Bärenstark abgewickelt. Weitere Infos dazu gibt es unter: www.verein-baerenstark.de