Der Amazon-Film „The Report“ rekonstruiert die Aufarbeitung der Folter vermeintlicher Islamisten durch die CIA – als spannender Doku-Thriller mit Adam Driver und Annette Bening.
Stuttgart - Als der amerikanische TV-Sender CBS im Frühjahr 2004 die Öffentlichkeit mit Folterfotos aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib schockierte, war ein Skandal in der Welt, der dem ohnehin beschädigten Ruf Amerikas enormen Schaden zufügte. Die Schandtaten waren zwar von Angehörigen des Militärs begangen worden, aber die CIA hat sich nach den Anschlägen vom 11. September 2001 systematisch und mit Rückendeckung des Weißen Hauses ganz ähnlicher Praktiken bedient: Um Informationen über die Drahtzieher zu erhalten und zukünftige Anschläge zu verhindern, wurden vermeintliche islamistische Terroristen gefoltert. Weil Folter laut der amerikanischen Verfassung verboten ist, setzte die CIA diese Methoden, die sie euphemistisch „erweiterte Befragungstechnik“ nannte, in ausländischen Geheimgefängnissen ein.
Dass diese Praktiken publik geworden sind, ist im Wesentlichen das Verdienst eines Mannes, des Senatsmitarbeiters Daniel J. Jones. Der Film „The Report“ ist eine Hommage an ihn und eine Handvoll Mitstreiter, mit denen er Jahr um Jahr in einem Kellerraum ohne Tageslicht Hunderttausende von CIA-Dokumenten durchforstet hat. Das Ergebnis ist ein 6700 Seiten umfassendes Werk, dessen Veröffentlichung die CIA auf jeden Fall verhindern wollte; auch um den Preis weiterer Verstöße gegen Recht und Ordnung.
Adam Driver spielt einen Mann mit moralischem Kompass
Scott Z. Burns (Buch, Regie, Produktion) ist das Kunststück gelungen, aus diesem zwar schockierenden, aber im Grunde trockenen Stoff einen packenden Polit-Thriller zu machen. Der Drehbuchautor („Das Bourne-Ultimatum“, „Der Informant!“) ist mit Polit-Thrillern wie „Die drei Tage des Condor“ und „Zeuge einer Verschwörung“ aufgewachsen und stellt seinen Film in die Tradition dieser Klassiker. Die Spannung entsteht aus dem immer einsameren Kampf von Jones, dargestellt von Adam Driver, der sich nicht nur gegen einen übermächtigen Gegner durchsetzen muss, sondern auch gegen die eigenen Leute. Seine Chefin, die demokratische Senatorin Dianne Feinstein (Annette Bening), ist zwar nicht minder empört, muss aber das große Ganze im Blick haben. Dazu gehört auch die Wiederwahl Barack Obamas, weshalb der Bericht tatsächlich unter Verschluss bleiben soll.
Nicht zuletzt dank des komplexen politischen Hintergrunds erinnert „The Report“ an den Klassiker „Die Unbestechlichen“ („All the President’s Men“, 1976). Alan J. Pakulas Film war eine Verbeugung vor den „Washington Post“-Reportern Woodward und Bernstein, deren unermüdliche Recherche zur Aufdeckung des Watergate-Skandals und zum Rücktritt von Präsident Richard Nixon führte. Dan Jones ist eine ganz ähnliche Figur, zumal Driver, der in den letzten drei „Star Wars“-Filmen die dunkle Seite der Macht repräsentiert, zunächst vor allem den klaren moralischen Kompass des jungen Mannes in den Vordergrund stellt und auf jede Heldenattitüde verzichtet. Das ändert sich erst, als Jones klar wird, dass sein Report womöglich nie veröffentlicht wird.
Die Folter brachte keinerlei Erkenntnisse
Burns gelingt es, die komplexen Hintergründe herunterzubrechen. Eine weitere große Stärke des Dramas, das eigentlich „The Torture Report“ (Der Folter-Report) heißt – „Torture“ allerdings durchgestrichen –, ist seine Arbeit mit den ausnahmslos vorzüglichen Schauspielern. Eine Zumutung ist der betont schnörkellos inszenierte und daher fast dokumentarisch wirkende Film freilich auch, denn er zeigt den Anlass der Empörung. Viele der angewandten Techniken fallen in den Bereich der sogenannten weißen Folter, die keine körperlichen Spuren hinterlässt: Schlafentzug durch grelles Licht und ständige Beschallung mit Heavy-Metal-Musik, unterschiedlichste Formen von Demütigung, sexuelle Erniedrigung, simuliertes Ertränken („Waterboarding“). Die entsprechenden Szenen sind kaum auszuhalten.
Die bittere Ironie des Skandals verhehlt Burns ebenfalls nicht: Laut Abschlussbericht war keine einzige auf diese Weise erlangte Information von geheimdienstlichem Wert. Viele Opfer waren unschuldig, andere haben nur erzählt, was die CIA ohnehin bereits wusste.
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