Ein zahlungskräftiger Gast: Der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang (l.) zu Besuch bei Ungarns Premierminister Viktor Orban Foto: AFP

Schmiergeld für australische Parlamentarier, Anwerbeversuche über soziale Netzwerke in Deutschland: Immer aggressiver versucht China, die öffentliche Meinung in anderen Ländern zu beeinflussen. Die Taktik der Weltmacht geht häufig auf.

Stuttgart - Für Peking ist es nur ein Erfolg von vielen: Ab diesem Januar herrschen in Nepal die Vereinigten Marxisten-Leninisten zusammen mit dem Maoistischen Zentrum. Der Staat im Himalaja rückt damit an das kommunistische China heran. Aus Sicht des langjährigen Verbündeten Indien ist eindeutig, dass der Nachbar im Norden hier seine Finger im Spiel hatte – mit finanzieller Unterstützung, mit Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Fest steht auf jeden Fall: Bei der Wahl in Nepal haben auch die Strategen in Peking gewonnen.

China dehnt seinen Einfluss rund um den Globus konsequent aus. Wirtschaftlicher Druck, Cyber-Angriffe und bezahlte Propaganda gehören ebenso zu den Instrumenten wie das Anwerben von Fürsprechern und Spionen. Für all das stehen enorme Ressourcen zur Verfügung: China ist heute das kapitalstärkste Land der Welt – und seine zahlreichen Sicherheitsdienste wetteifern darum, wer die eigenen Ziele am effektivsten durchsetzt.

Der Verfassungsschutz warnt vor Anwerbeversuchen

Auch in Deutschland warnen immer lautere Stimmen von den Aktivitäten der neuen Großmacht. „China nutzt die Offenheit demokratischer Systeme, um die Stimmung im Sinne der eigenen Agenda zu beeinflussen“, sagt Asienexperte Bernhard Bartsch von der Bertelsmann-Stiftung dieser Zeitung. Er sieht dabei ein erhebliches Ungleichgewicht: „Peking erhöht seinerseits auf allen Ebenen die Barrieren für kulturelle und politische Einwirkung von außen.“ Auch Europa brauche daher eine „neue Diskussion über den Umgang mit dem immer stärkeren Partner – und Rivalen – China“.

Die Großmacht aus Fernost agiert längst auch routiniert auf deutschem Boden. Der Verfassungsschutz warnt bereits vor Anwerbeversuchen über das Karriere-Netzwerk Linkedin. Die Internetnutzer, mit denen Chinas Geheimdienste Kontakt aufnehmen, ahnen oft nicht, mit wem sie es zu tun haben. Da schickte beispielsweise eine junge Dame von einem chinesischen Forschungsinstitut eine Nachricht, um eine informelle Zusammenarbeit anzufragen. Sie bietet Bezahlung für zunächst ganz unverfängliche Berichte an. Doch damit ist der erste Schritt gemacht: Die Zielperson verstrickt sich in eine Zusammenarbeit mit einem chinesischen Geheimdienst.

Die Beziehungen nach Osteuropa sind besonders gut

Ebenfalls beunruhigend: In Osteuropa nutzt China gezielt die zunehmend antieuropäische Stimmung, um einen Fuß in die Tür zu bekommen. Beim „16+1“ Gipfel im November begrüßten 16 osteuropäische Länder die Nummer eins, China, als guten Freund und Partner. Kein Wunder. Allein Bosnien hat seit 2012 rund dreieinhalb Milliarden Euro an Investitionen aus China akzeptiert – ein Fünftel der jährlichen Wirtschaftsleistung des kleinen Landes. Auf dem Gipfel hat es nun einen weiteren Kredit von einer guten halben Milliarde Euro für den Ausbau eines Kohlekraftwerks erhalten.

Die Geldflüsse beeinflussen zunehmend die Wahrnehmung der geostrategischen Lage. „Das Schwerezentrum der Welt verschiebt sich von West nach Ost“, sagte Ungarns Premier Viktor Orban. „Der Westen“ verschließe davor die Augen. Vor zwei Jahren war Ungarn das erste europäische Land, das sich offiziell an Chinas Seidenstraßen-Initiative angehängt hat. China finanziert nun mit gut zwei Milliarden Euro eine schnelle Bahnstrecke von Budapest nach Belgrad – und hätte sie auch gleich gebaut und die Züge geliefert, wenn die EU nicht Druck gemacht hätte und auf einer öffentlichen Ausschreibung des Projekts bestanden hätte.

Australien wehrt sich gegen immer dreistere Meinungsmache

Am ausgeprägtesten sind Chinas Aktivitäten allerdings vor der eigenen Haustür. Thailand kooperiert längst geradezu demütig mit dem Regime in Peking und liefert bedenkenlos politische Gefangene an den großen Nachbarn aus. Chinas Nachbarland im Süden, Myanmar, folgt ebenfalls zunehmend den Vorgaben Pekings. Staatsführerin Aung San Suu Kyi hat Anfang Dezember auf Besuch in Peking der Schaffung einer gemeinsamen Wirtschaftszone zugestimmt. Aung San Suu Kyi hat dafür – ebenso wie Bosnien oder Nepal – ökonomische Gründe: Ihr Land braucht Investitionen.

Ende November hat die Regierung der Malediven aus dem gleichen Grund einen dicken Freihandelsvertrag mit China abgeschlossen – am Parlament vorbei, in dem sich durchaus Widerstand geregt hatte. Auch Pakistan und Sri Lanka werden heftig umworben.

Australiens Regierungschef Malcolm Turnbull reagierte kürzlich alarmiert auf immer dreistere Meinungsmache der Chinesen in seinem Land. „Wir registrieren beispiellose und hoch entwickelte Versuche, Einfluss auf unsere politischen Prozesse zu nehmen“, sagte Turnbull und nannte in diesem Zusammenhang ausdrücklich China. Er brachte eine Gesetzesinitiative auf den Weg, die Spenden und andere Zahlungen ausländischer Mächte an australische Entscheider strafbar macht. Ein australischer Parlamentarier hatte zuvor Geld dafür erhalten, um Verständnis für Chinas militärische Expansion in der Südsee zu werben.

Japan und Indien verlieren immer öfter

Was folgte, war ein Aufschrei in Chinas Staatsmedien. Australien verhalte sich rassistisch und trete die guten Beziehungen mit China mit Füßen. Die Staatszeitung „Global Times“ wehrt sich im Namen des ganzen Landes regelmäßig gegen die Vorwürfe der Einflussnahme. „China möchte bloß das Verständnis des Westens für China verbessern und den Weg für glattere Beziehungen ebnen.“ Stattdessen wirft die Zeitung Deutschland und den USA Einmischung in innere Angelegenheiten Chinas vor – wenn Diplomaten etwa die Verhaftung von Anwälten kritisierten.

In Asien sind Japan und Indien die einzigen beiden Mächte, die sich noch nennenswert gegen die Interessen Pekings stellen. Die selbstbewussten Nachbarländer im Süden und Osten Chinas haben untereinander ein Freihandelsabkommen abgeschlossen, um gemeinsam stärker zu sein. Doch die zwei großen asiatischen Demokratien verlieren zuletzt ein außenpolitisches Scharmützel nach dem anderen. So ist der Wahlsieg der Kommunisten in Nepal eine schwere Schlappe für Indiens Premier Narendra Modi.

Auch die deutsche Regierung übt regelmäßig Kritik. „Wenn es uns nicht gelingt, eine eigene Strategie mit Blick auf China zu entwickeln, dann wird es China gelingen, Europa zu spalten“, warnte Außenminister Sigmar Gabriel im August. Er hatte guten Grund zum Pessimismus. Griechenland hatte kurz zuvor eine EU-Resolution zu Menschenrechten in China blockiert, um Investitionen nicht zu gefährden.