Das Forschungsschiff Max Honsell nimmt bei Bad Wimpfen Wasserproben, wo die Jagst in den Neckar mündet. Foto: dpa

Gut zwei Wochen nach dem Chemieunfall bei Kirchberg ist die Schadstoffwelle von der Jagst in den Neckar geschwappt. Doch der ätzende Ammoniak ist inzwischen so verdünnt, dass er den Fischen nicht mehr gefährlich wird. Das Forschungsschiff „Max Honsell“ nimmt an der Mündung laufend Wasserproben.

Kirchberg/Bad Wimpfen - Für den Neckar gibt es Entwarnung: Das Landratsamt Heilbronn hat festgestellt, die Konzentration an Ammoniak sei für die Fische nicht mehr kritisch. Das wurde am Montag und Dienstag auch dadurch erreicht, dass das aus der Jagst an der Mündung in Bad Wimpfen ankommende kontaminierte Wasser noch einmal mit dem Zehnfachen an Frischwasser vermengt wurde. „Das wird nichts mehr übrig bleiben“, so ein Sprecher. Die Helfer des Technischen Hilfswerks, der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) und der Feuerwehren könnten ihren Einsatz beenden.

Vor Ort bleibt dagegen das Forschungsschiff „Max Honsell“ der Landesanstalt für Umwelt und Messungen (LUBW): Es wird der Schadstoffwelle im Neckar bis zur Mündung in den Rhein folgen und regelmäßig Wasserproben nehmen. Sei sollen später im Labor der LUBW erneut unter die Lupe genommen werden.

Weniger gut sieht es an der Jagst aus. „Seit dem Mühlenbrand läuft die sorgfältige und umfassende Bestandsaufnahme entlang des gesamten betroffenen Streckenabschnittes der Jagst von Kirchberg bis zur Mündung in den Neckar, die die Experten auch noch geraume Zeit beschäftigen wird“, sagte ein Sprecher des baden-württembergischen Umweltministeriums unserer Zeitung. Auf Grundlage der Ergebnisse dieser Bestandsaufnahme werde ein Konzept zur Wiederherstellung der Artenvielfalt im Jagsttal erstellt.

Jagst soll für Fische durchlässig werden

In den nächsten Tagen können die zu ihrem Schutz abgedichteten Biotope wieder geöffnet werden. Auch müssen noch jede Mange Algen abgefischt werden. Sie sind entstanden, weil der Sauerstoffgehalt im Fluss künstlich erhöht worden war, um die Belastung durch das Gift zu senken.

Der Naturschutzbund (Nabu) fordert, die Katastrophe als Chance zu begreifen und den Zustand des Gewässers nun zu verbessern. „Die Jagst muss bis 2025 in einem besseren ökologischen Zustand sein als vor der Katastrophe“, sagt der Vorsitzende des Nabu Baden-Württemberg, Andre Baumann. Einfach den alten Zustand wiederherzustellen reiche nicht aus. Die vielen Wehre und Querbauwerke zurückzubauen und die Jagst sowie ihre Zuflüsse für Fische und andere Lebewesen durchgängig zu machen sei jetzt wichtiger denn je: Damit die durch das Gift fischfreien Abschnitte wieder besiedelt werden, müssen die Tiere wandern können. Wenn Aale, Hechte und Bachflohkrebse am nächsten Wehr ausgebremst werden, ist das fatal – jetzt noch mehr als sonst“, so Baumann.

Umweltminister Franz Untersteller und Naturschutzminister Alexander Bonde (beide Grüne) unterstützen die Forderung: „Je mehr Wanderungshindernisse durchgängig gestalten werden können, umso rascher und besser wird die Wiederansiedlung der Fische und Kleinlebewesen gelingen.“ Minister Untersteller habe bereits Ende August angekündigt, das Land werde die Eigentümer der Querbauwerke dabei unterstützen, wenn sie Maßnahmen zur Herstellung der Durchgängigkeit umsetzen wollten. Die aktuell laufende Bestandsaufnahme solle Defizite aufzeigen, die dann Ausgangspunkt für weitere Maßnahmen seien. „Die Jagst ist fast vollständig Flora-Fauna-Habitat-Gebiet und untersteht daher besonderem Schutz“, so ein Sprecher Unterstellers. Laut FFH-Richtlinie sei „ein guter Erhaltungszustand herzustellen“.

Düngemittel illegal gelagert?

Aus dem Landkreis Schwäbisch Hall, wo das Unglück mit dem Großbrand der Lobenhäuser Mühle seinen Lauf nahm, kommen positive Nachrichten: Ein Gutachter habe festgestellt, dass verschiedenen Kleinstlebewesen, die Nahrung für die Fische und ökologische Grundlage des Flusses seien, überlebt hätten. Insgesamt waren in dem Flussabschnitt bis zur Mündung rund 20 Tonnen Fische verendet.

Bei dem Großfeuer war in der Nacht vom 22. auf den 23. August ein Schaden von rund 1,5 Millionen Euro entstanden. Dort waren tonnenweise Holzpellets gelagert, außerdem Düngemittel, die über Löschwasser in die Jagst gelangten. Die Ermittlungen, wer daran Schuld hat, dauern an. Die Staatsanwaltschaft Ellwangen hat offenbar aber den Betreiber der ausgebrannten Mühle im Visier. Rund 100 Tonnen Düngemittel mit dem giftigen Stoff Ammoniumnitrat seien illegal auf dem Gelände gelagert worden, so das Landratsamt Schwäbisch Hall. Zur Brandursache haben die Ermittler ebenfalls keine neuen Erkenntnisse: Weil es keinerlei Hinweise auf eine Selbstentzündung des an sich explosiven Stoffs Ammoniumnitrat gibt, wird Brandstiftung von den Behörden nicht ausgeschlossen.

Noch keinerlei Anhaltspunkte gibt es bisher, wie viel die Einsätze gekostet haben: „Dazu liegen uns bislang keine Informationen vor“, so das Umweltministerium.