Al Pacino in einer weniger bekannten Rolle: als Carlito Brigante in „Carlito’s Way“ Foto: Arte/Universal City Studios

Al Pacino ist einer der ganz großen US-Schauspieler. Arte zeigt ein Porträt – und ein oft übersehenes Gangsterstück mit Pacino.

Stuttgart - Der Schauspieler Al Pacino ist nicht nur eine lebende Kinolegende. Er ist auch eine Größe der amerikanischen Theaterwelt, wenn er am Broadway auftritt, muss man um Karten kämpfen. Manche wundern sich darum immer noch, dass einer, der Shakespeares Figuren unvergesslich auf die Bühne bringen kann, für Hollywood so oft Verbrecher, Gangster oder deren Mitläufer gespielt hat – in allen drei „Pate“-Teilen unter der Regie von Francis Ford Coppola, in Brian De Palmas „Scarface“ oder in Martin Scorseses Alterswerk „The Irishman“. Dabei ist da gar nicht viel verwunderlich. Al Pacino hat einfach schon lange begriffen, dass diese aufstiegswilligen, machtgierigen Gangster die Shakespeare-Charaktere von heute sind.

Am Sonntag, dem 6. Februar, widmet Arte dem 1940 in East Harlem geborenen, in der Bronx aufgewachsenen Ausnahmeschauspieler einen kleinen Schwerpunkt. Jean-Baptiste Péretiés vor allem aus Archivmaterial zusammengestellte Doku „Al Pacino – Vom Underdog zur Filmlegende“ (22.35 Uhr) ist vielleicht nicht das tiefschürfendste Porträt des Ausnahmetalents. Aber es vermittelt in knapper Form ganz gut, dass auch Pacinos Karriere ihre Brüche hatte, dass der heute so glorios Dastehende Phasen großer Verunsicherung durchlaufen musste.

Gefährlich nahe am Milieu

Das wirklich habhafte Stück des Abends aber ist Brian De Palmas Film „Carlito’s Way“ (20.15 Uhr). Pacino spielt auch hier einen Gangster, den puerto-ricanischen New Yorker Drogenboss Carlito Gigante. Der hatte eine 100-Mann-Organisation aufgezogen, aber nun, da er wegen Verfahrensfehlern vorzeitig aus dem Knast kommt, will er tatsächlich sauber bleiben und ruhiger leben. Was ihm weder seine alten Kumpel, seine alten Rivalen, die jungen Aufsteiger noch Polizei und Staatsanwaltschaft glauben.

Carlito bewegt sich gefährlich nahe am alten Milieu und den alten Geschäften entlang, er braucht schließlich Startkapital, um legal etwas auf die Beine zu stellen. Man sieht schon zu Beginn dieses in einer langen Rückblende erzählten Films, dass Carlitos Träume nicht wahr werden können.

Halb raus aus dem Sumpf

Pacino ist groß in Form in diesem 1993 uraufgeführten Film, den es nicht so oft zu sehen gibt wie seine ganz großen Klassiker. Carlito ist ein Typ auf halbem Wege zwischen dem wie ein Konzernboss denkenden Michael Corleone aus „Der Pate“ und dem im tiefsten Dreck rudernden kleinen Mafia-Unterboss Lefty Ruggiero in Mike Newells Meisterstück „Donnie Brasco“, um zwei der besten Pacino-Rollen als Maßstab zu wählen. Dieser Ex-Drogenlord ist im Kopf schon raus aus dem Sumpf, aber die Füße stecken fest.

Dem Regisseur Brian De Palma wird oft vorgehalten, er orientiere sich viel zu stark, aber mit zu schwachen Ergebnissen an Alfred Hitchcock. Mit „Carlito’s Way“ wandelt er auf Martin ScorsesesSpuren, aber nie so penetrant, dass es peinlich würde. Al Pacino spielt den Gangster so, als müsse er anhand von dessen Rangeleien und Problemen die Rätsel und Schmerzen des Daseins schlechthin erklären. Was er bekanntlich so gut kann, dass man immer Shakespeare aus dem Grab applaudieren hört.