Es hapert am Material, trotz 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen. Foto: IMAGO/Uwe Meinhold/IMAGO/Uwe Meinhold

Berater des Wirtschaftsministers raten zu einer großen Reform des Bundeswehrbeschaffungswesens. Dafür wollen sie auch bestehende Rechte des Bundestags beschneiden.

Dass die Bundeswehr in keinem guten Zustand ist, war vielen Menschen über Jahre klar. Panzer rosteten in ihren Garagen, Hubschrauber flogen nicht, sondern verstaubten schlecht gewartet in ihren Hangars. Selbst für Schießübungen war die Munition häufig zu knapp. Lange konnte man das verschmerzen, weil es für die Streitkräfte nicht viel zu tun gab. Für die Auslandseinsätze wurde knappes Material aus ganz Deutschland zusammengekratzt. Und wenn es irgendwo in Deutschland ein Hochwasser gab, dann schaffte man, auch dort zu helfen.

Durch Russlands Aggressionen gegen die Ukraine ist das, was man stillschweigend hinnahm, zu einem Sicherheitsrisiko geworden. Nun kommt es auf einmal doch darauf an, dass man Panzer hat, die auch fahren, und Flugzeuge, die fliegen. Und dass für den Ernstfall auch genug Munition da ist.

Es hapert am Material

Doch immer noch hapert es am Material, trotz 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen. Nun hat der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums Vorschläge gemacht, wie man die Beschaffung beschleunigen könnte. Der Beirat ist unabhängig und hat sich das Thema des Berichts selbst ausgesucht, wie das Ministerium betont.

Das Ergebnis ist 41 Seiten lang und trägt den Titel „Bundeswehr besser ausrüsten – aber wie?“. Die Wissenschaftler äußern Fundamentalkritik: „In diesem Gutachten weist der Beirat auf einige erhebliche Schwachstellen im Beschaffungsprozess der Bundeswehr hin.“

Als Hauptkritikpunkt haben die Wissenschaftler die sogenannten 25-Millionen-Vorlagen identifiziert, eine heilige Kuh im Beschaffungswesen. Wenn das Verteidigungsministerium etwas anschaffen möchte, das teurer als 25 Millionen Euro ist, muss der Haushaltsausschuss des Bundestags dies abnicken. Egal, ob es Panzer, ein neues IT-System oder Flugsimulatoren sind.

Wird die heilige Kuh geschlachtet?

Die Forscher sehen darin eine unnötige „Parlamentsschleife“, die die Verhandlungsposition der Bundesregierung gegenüber den Rüstungsfirmen schwäche. „Diese Regel sollte abgeschafft werden. Der Bundestag sollte seinen Einfluss darauf beschränken, dem Verteidigungsministerium jährlich seinen Haushalt zuzuweisen“, sagt Christoph Engel vom Max-Planck-Institut Bonn und federführendes Mitglied der Arbeitsgruppe zu dem Gutachten. Die heilige Kuh gehört geschlachtet, meinen die Wissenschaftler.

Neben der notwendigen Reform der 25-Millionen-Vorlagen plädieren die Wissenschaftler unter anderem dafür, dass mehr militärische Forschung an Universitäten möglich sein soll. Zusätzlich befürworten sie eine militärische Innovationsagentur nach US-amerikanischem Vorbild. Im Verteidigungsministerium reagiert man zurückhaltend auf die Vorschläge. „Wir nehmen das Gutachten mit Interesse zur Kenntnis und freuen uns stets über konstruktive und konkrete Verbesserungsvorschläge“, heißt es auf Anfrage. Im Klartext: Auf noch einen klugen Ratschlag haben wir sicher nicht gewartet.

„Der Faktor Zeit hat höchste Priorität“

Außerdem verweist das Ministerium auf bereits erfolgte Bemühungen des Ministeriums. Im April hatte es zwei interne Papiere mit Weisungen gegeben. Darin hieß es etwa: „Der Faktor Zeit hat höchste Priorität.“ Damit wollte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) auch einen Kulturwandel anstoßen: Nicht das juristisch wasserdichte Verfahren, sondern eine schnelle Beschaffung ist das Ziel. Die Notwendigkeit dafür sehen auch die Autoren des Berichts.

Auch aus dem Bundestag gibt es kritische Stimmen zu dem Bericht. Sebastian Schäfer (Grüne) ist als Haushaltspolitiker für die Rüstungsprojekte bei der Bundeswehr zuständig. Er verteidigt etwa verstärkte Parlamentsbeteiligung. Sie biete „einen echten Mehrwert für den Steuerzahler“ und beuge Risiken vor.

Deutlicher wird Ingo Gädechens (CDU), zuständiger Haushälter der Union. Dass es Reformbedarf gebe, sei eine „Binsenweisheit“. Zwar würden in dem Gutachten viele wichtige Punkte angesprochen, aber Gädechens macht deutlich, dass er den Beiratsbericht für schlampige Arbeit hält: „Zugleich zeigt es in vielen Aspekten einen Mangel an Wissen und Verständnis, wie der Beschaffungsprozess abläuft, insbesondere auch der parlamentarische Anteil“, sagte Gädechens unserer Redaktion.