Der biologische Vater vor dem Verfassungsgericht Foto: dpa/Uli Deck

Das Bundesverfassungsgericht muss zum komplizierten Verhältnis zwischen dem biologischen Vater und dem rechtlichen Vater Stellung beziehen.

Vor fast 30 Jahren hat Herbert Grönemeyer nicht ohne Augenzwinkern den Deutschen erklärt, wann ein Mann eigentlich ein Mann ist. Das Bundesverfassungsgericht ist am Dienstag den nächsten Schritt gegangen. Der 1. Senat hatte darüber zu befinden gehabt, wann ein Vater ein Vater ist. Oder genauer: Welcher Vater eigentlich wann was darf.

Tobias E. ist im April 2020 Vater geworden. Heute darf er seinen Sohn alle zwei Wochen für wenige Stunden sehen. „Ich möchte an seiner Entwicklung beteiligt sein“, sagt Tobias E. mit Tränen in den Augen. Dass er der biologische Vater ist, ist unstrittig. Rechtlicher Vater ist er allerdings nicht, und, das ist das Problem, er kann es auch nicht werden. Das Oberlandesgericht in Naumburg hat in seiner Entscheidung schon nahezu bedauernd festgestellt, dass ihm das Gesetz keine andere Möglichkeit lasse, als gegen den biologischen Vater zu entscheiden. Ob dem wirklich so ist, muss nun das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe klären. Nicht zum ersten Mal übrigens, denn dass die aktuellen Regeln so sind, wie sie sind, geht maßgeblich auch auf eine andere Entscheidung des Gerichts aus dem Jahr 2003 zurück.

Es kann nur zwei Eltern geben

Rechtliche Eltern kann es nur zwei geben, hat das Bundesverfassungsgericht damals gesagt, und das mit dem Kindeswohl begründet. Dem biologischen Vater wurde aber zugestanden, dass es einen effektiven Weg geben muss, auch zum rechtlichen Vater zu werden. Die daraufhin im Bürgerlichen Gesetzbuch geänderte Vorschrift des Paragrafen 1600 mag in vielen Fällen zu erträglichen Ergebnissen führen, aber eben nicht in allen. Denn die Vorschrift hat eine entscheidende Einschränkung: Der biologische Vater kann die Anerkennung der Vaterschaft durch einen anderen Mann nur dann anfechten, wenn dieser nicht in einer „sozial-familiären Beziehung“ mit dem Kind lebt.

Strittig, und im nun verhandelten Fall von entscheidender Bedeutung, ist die Frage, zu welchem Zeitpunkt der neue Freund der Mutter mit dieser zusammenleben muss, um dem biologischen Vater den Weg zum eigenen Nachwuchs zu versperren. Als Tobias E. damit begann, sich um die Vaterschaft auch rechtlich zu bemühen, war die Mutter seines Sohnes noch nicht mit ihrem neuen Partner zusammen. Im Laufe des Verfahrens schon. Die meisten Gerichte gehen bisher davon aus, dass dann der Weg für den biologischen Vater versperrt ist.

Keine Prüfung im Einzelfall möglich

Die aktuelle Gesetzeslage sieht auch keine Prüfung vor, was für das Kind im Einzelfall besser wäre. Es geht nicht um eine Abwägung von Interessen, die hat der Gesetzgeber vorgenommen – mit einem ganz klaren Prä zugunsten der rechtlichen Väter. Bei Adoptionen sei es unstrittig, dass es für die Kinder gut ist, Kontakt zu den echten Eltern aufzunehmen, sagt Franziska Köpke, die Anwältin von Tobias E. Das sei im hier zugrunde liegenden Abstammungsrecht anders.

Während das Bundesverfassungsgericht nun klären muss, ob sich die bestehenden Regeln mit dem Elternrecht aus Artikel 6 des Grundgesetzes vereinbaren lassen, hat sich auch die Bundesregierung an die Arbeit gemacht. Schon 2017 hat der Arbeitskreis Abstimmungsrecht Änderungen vorgeschlagen. Mehr geschah nicht. Die aktuelle Regierung plant eine umfassende Reform des Abstammungsrechtes, wobei auch die Regeln über die Anfechtung der Vaterschaft fortentwickelt werden sollen. Das werde aber wohl bis zum Ende der Legislatur dauern, so die Vertreterin der Regierung. Das Urteil des Gerichts wird in etwa sechs Monaten erwartet.