Die Interessengemeinschaft Stadtnatur überreicht Baubürgermeister Michael Ilk (rechts) ihren Appell gegen die Baumfällung am Kallenberg’schen Areal. Foto: factum

Anwohner sammeln Unterschriften gegen die geplante Fällung von 40 Bäumen am Kallenberg’schen Gelände. Das Grün sei wichtig für das Stadtklima. Kommt der Bürgerprotest zu früh – oder doch zu spät?

Ludwigsburg - Das Dreiecksgrundstück zwischen Leonberger Straße, Bahnhofstraße und Solitudestraße soll bebaut werden – und zwar bis zu vier Stockwerke hoch und sehr dicht. Wo bisher Autos am Rande des Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) parken, will die Investorengesellschaft D-Quadrat ein Kinderwunschzentrum, ein Hotel sowie ein Café errichten. Dafür müssen die meisten der 40 Bäume im Karree, auf dem bis in die 1970er Jahre die Kallenberg-Fabrik stand, gefällt werden. Dagegen aber wehrt sich die Interessengemeinschaft Stadtnatur. Jetzt hat die Gruppe dem Ludwigsburger Baubürgermeister eine Liste mit Unterschriften von Gegnern des Bauvorhabens überreicht.

„Wir verstehen uns nicht als Dauernörgler“, sagte Heidrun Schmid, eine Sprecherin von Stadtnatur, „und wir sind auch nicht voll gegen eine Bebauung des Kallenberg’schen Areals.“ Die Kritiker möchten, dass die Pläne abgespeckt werden. Weniger hoch, weniger dicht – so, dass die meisten Bäume erhalten werden können.

„Höchste Zeit für ein Umdenken“

„Es ist nicht mehr die Zeit, so zu bauen“, sagt Schmid. „Das einzige Bollwerk gegen den Klimawandel sind gewachsene Bäume.“ Der aktuell extrem heiße und trockene Sommer belege das einmal mehr. Es habe keinen Sinn, in einem Stadtquartier jahrzehntealte Bäume zu fällen und als Ersatz am Stadtrand junge zu pflanzen, die erst in drei bis vier Jahrzehnten eine positive Wirkung auf das Klima hätten. Eine derart massive Bebauung und die damit einhergehende Abholzung widersprächen dem 2016 beschlossenen Klimaschutzplan der Stadt Ludwigsburg, ergänzt die Lubu-Stadträtin Elga Burkhardt.

Doch die Kritiker des Bauprojekts befinden sich in einem Dilemma: Sie kommen entweder zu früh – oder zu spät. Zu spät, weil der Gemeinderat die Baupläne von D-Quadrat schon abgesegnet hat. Zuvor hatte das Stadtplanungsamt dem Unternehmen klare Vorgaben gemacht. Eine davon lautete: Gewünscht ist eine Blockrandbebauung, damit die Stadt an dieser Stelle am Rande des Zentralen Omnibusbahnhofs „wieder ein Gesicht“ bekommt. Daraufhin hatte D-Quadrat einen Architektenwettbewerb ausgelobt. Nicht nur das Stadtplanungsamt, auch das Gros der Stadträte war von dem Ergebnis, das im Mai des vorigen Jahres vorgelegt wurde, begeistert.

Wichtig erschien damals nur, dass das Areal nach einer langen Zwischenphase als Autoabstellplatz wieder mit Leben gefüllt werden könne. Statt über stattliche Bäume wurde nur über eher wertlose Sträucher diskutiert. Wie sich später herausstellte, hatte es keinen Vororttermin gegeben. Den meisten Stadträten war nicht klar, dass das Gelände dicht mit Bäumen bewachsen ist.

Die meisten Unterzeichner des Appells gegen einen Kahlschlag sind Anwohner aus dem Umfeld der Leonberger Straße. Sie kritisieren, dass sie nicht in einem früheren Stadium der Planungen informiert und befragt worden sind. Dafür sei es noch zu früh, sagt der Baubürgermeister Michael Ilk: „Noch liegt kein Bauantrag der Firma D-Quadrat vor.“ Er rechne damit, dass er im Herbst vorgelegt werde. Erst dann müssten die Anwohner informiert werden.

Wind aus den Segeln genommen?

Das klinge, als wolle man den Kritikern damit den Wind aus den Segeln nehmen, meint ein Mitstreiter von Stadtnatur. Sobald der Bauantrag vorliege, sei es sicher zu spät, um noch etwas am Konzept zu ändern. Ilk verwies auf das übliche Prozedere: „Planungsrecht für das Gelände ist vorhanden.“ Darum sei es auch nicht nötig gewesen, die Anwohner früher einzubinden.

Dafür erntet Ilk Widerspruch: „Für dieses Gelände gibt es keinen Bebauungsplan“, behauptet die Stadträtin Elga Burkhardt. Und die Anwohnerin Heidrun Schmid berichtet, dass es keinen gegeben habe, als sie vor 30 Jahren an der Leonberger Straße gebaut habe: „Und seither ist wohl auch keiner erstellt worden.“ Ilk hält dagegen: „Das Kallenberg’sche Gelände ist aus rechtlicher Sicht bebaubar. Grundlage ist ein Bebauungsplan von 1885.“

Im Unterschied zu modernen Regelwerken schreibe so ein Uralt-Bebauungsplan zwar nur Baulinien vor. Das sei aber unproblematisch, da sich an der Nutzung im Umfeld seither kaum etwas geändert habe, sagt der Bürgermeister. Der alte Plan werde um „die Regelungen von Paragraf 34 Baugesetzbuch“ ergänzt. In dem genannten Paragrafen wird sichergestellt, dass ein Bauvorhaben „in Maß und Art“ in das nächste Umfeld passt. Und nach Ansicht des Baubürgermeisters gehört das Kallenberg’sche Areal zum Bahnhof und nicht zum Wohngebiet Leonberger Straße.