Der Gemeinderat hat jetzt den Neubau der Hanns-Martin-Schleyer-Brücke zwischen Mettingen und Brühl abgesegnet – obwohl er mit rund 27 Millionen Euro einiges teurer wird als zuletzt geplant.
Esslingen - Kaum ist mit der Ertüchtigung der Vogelsangbrücke Ende des Jahres eine Großbaustelle erledigt, folgt die nächste auf dem Fuße. Im Januar soll der Startschuss für den Abriss und Neubau der Hanns-Martin-Schleyer-Brücke fallen. Mit seiner Zustimmung zur Vergabe der Arbeiten hat der Gemeinderat am Montag den Weg frei gemacht für das Mammutprojekt – obwohl dieses mit insgesamt 27,2 Millionen Euro nun weitere rund fünf Millionen Euro teurer wird als zuletzt geplant. Ein Vorstoß der Linken, das Vorhaben noch einmal auf den Prüfstand zu stellen, verlief im Sande: Laut der Stadtverwaltung ist der Neubau alternativlos.
Vorstoß: Die Linke hatte zusammen mit der Esslinger Gruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) angeregt, statt des Neubaus der Schleyer-Brücke lieber den Fußgänger- und Radfahrersteg über die B 10 zwischen Brühl und Weil zu bauen, den die SPD vor einigen Jahren vorgeschlagen hatte. Doch im Gemeinderat fanden sich außer der Gruppe FÜR keine Unterstützer für diese Idee. Selbst die Grünen als Ökopartei winkten ab: „Wenn die Verkehrsplaner sagen, dass man auf die Schleyerbrücke nicht verzichten kann, müssen wir uns auf ihre Aussage verlassen“, erklärte die Fraktionschefin Carmen Tittel in der Sitzung am Montag. Aber ob nicht zumindest ein vom Fußweg getrennter Radweg auf der Brücke möglich sei? Der Baubürgermeister Wilfried Wallbrecht verneinte: Die neue Brücke entstehe auf den bestehenden Pfeilern und könne deshalb nicht verbreitert werden. Der Platz reiche daher nur für einen kombinierten Geh- und Radweg.
Vollsperrung: Von Januar an bis voraussichtlich Juni 2023 wird die Hanns-Martin-Schleyer-Brücke gesperrt. So lange dauert es, um die Brücke bis auf die Pfeiler abzureißen und anschließend neu aufzubauen. Damit soll die Querung zwischen Mettingen und Brühl fit gemacht werden für die nächsten 80 Jahre. Während der Bauzeit wird der Autoverkehr vor allem über die Vogelsangbrücke sowie über die Hafenbahnbrücke auf Stuttgarter Gemarkung umgeleitet. Der Fuß- und Radverkehr – laut der Stadtverwaltung ist er aktuell nicht besonders dicht – wird über den Steg in Mettingen geführt. Äußerlich wird sich nicht viel ändern: Das Erscheinungsbild der Brücke, die zwei Fahrspuren und einen kombinierten Geh- und Radweg erhält, bleibt weitgehend bestehen. Wallbrecht betont: „Der Brückenneubau sichert den Erhalt dieser wichtigen Querung auf lange Zeit und bewahrt die gewachsene Verbindung zwischen den Ortsteilen. Unsere Investitionen in den Erhalt der Neckarbrücken sind unabdingbar, um kommenden Generationen eine intakte Infrastruktur zu überlassen.“ Im Übrigen bleibe die Stadt nicht auf den gesamten Kosten sitzen, betonte der Oberbürgermeister Jürgen Zieger in der Gemeinderatssitzung. Der Verkehrsminister Winfried Hermann habe bereits eine Förderung von rund fünf Millionen Euro aus dem kommunalen Sanierungsfonds Brücken zugesagt. „Angesichts der deutlich gestiegenen Kosten für den Ersatzneubau hofft die Stadt jedoch auf weitere Fördermittel des Landes“, so Zieger. Er könne noch nichts verkünden, doch er habe Anhaltspunkte, dass es noch einen siebenstelligen Nachschlag geben könnte.
Abriss: Ab Januar wird die Brücke zunächst in den Rohbauzustand zurückversetzt: Leitungen, Geländer, Beläge und Abdichtungen werden entfernt. Von Mai bis August soll die alte Brücke dann abgerissen werden – sofern die EnBW ihre neue Fernwärmeleitung unter dem Neckar planmäßig im April 2021 in Betrieb nimmt. Der Rückbau ist eine Herausforderung: Dafür muss die Brücke über dem Neckar in mehrere Teile zersägt werden, die jeweils rund 100 Tonnen wiegen. Diese werden auf schwimmende Pontons abgelassen und per Schiff abtransportiert. Die Randbereiche der Brücke werden konventionell abgebrochen.
Neubau: Bis Dezember 2022 soll die neue Brücke gebaut werden. Dazu werden zunächst die Pfeilerköpfe und Widerlager erneuert. Daraufhin wird der Stahlhauptträger in der Brückenmitte entsprechend ausgerichtet und der Stahlüberbau in den Randbereichen angefügt. Schließlich können Betonfertigteile Stück für Stück auf die Stahlkonstruktion aufgelegt und mit Beton befestigt werden. 2023 werden schließlich die neuen Versorgungsleitungen eingebaut, Treppenanlagen errichtet, Geländer und Beleuchtung installiert und der Straßenbau fertiggestellt. Im Juni 2023 soll die neue Brücke eröffnet werden.
Verkehrsführung: Während bislang eine dreispurige Straße über die Brücke führt, wird künftig auf eine Spur verzichtet. Lediglich für die Abfahrt auf die B 10 in Richtung Stuttgart wird eine zusätzliche Abbiegespur eingerichtet. Ein Verkehrsgutachten hatte ergeben, dass eine Fahrspur je Richtung auch in Spitzenstunden ausreicht und in aller Regel kein Stau zu erwarten ist. Dafür will man für mehr Sicherheit sorgen, indem die Spuren von heute drei auf künftig 3,75 Meter verbreitert werden. Ein kombinierter Rad- und Fußweg von drei Metern Breite wird auf der westlichen Brückenseite eingerichtet. Da auf der östlichen Brückenseite lediglich ein schmaler Notgehweg entsteht, wird die Fußgängertreppe zur Palmenwaldstraße in Brühl auf die westliche Straßenseite verlegt. Eine Fußgängerquerung auf der Brücke wird so laut der Stadtverwaltung nicht mehr benötigt. Auch die weiterführenden Fußgängerwege in Brühl und Mettingen sollen optimiert werden.
Infoveranstaltungen: Für die betroffenen Anlieger plant die Stadt im Herbst Informationsveranstaltungen, um detailliert über den Bauablauf und die damit verbundenen Einschränkungen zu informieren. Die Stadt will die Termine rechtzeitig vorab bekannt geben.