Ex-Präsident Lula da Silva soll ins Gefängnis. Foto: AFP

Das Oberste Gericht Brasiliens hat lange getagt und knapp entschieden: Brasiliens verurteilter Ex-Präsident soll in Haft. Für das Präsidentenamt könnte Lula da Silva dann nicht mehr kandidieren – obwohl er in den Umfragen derzeit führt.

Rio - Brasiliens linker Ex-Staatschef Lula da Silva hat am Mittwoch einen schweren und vermutlich entscheidenden Rückschlag in seinem Kampf gegen die Haftstrafe wegen einer Korruptionsverurteilung und für eine erneute Präsidentschaftskandidatur erlitten. Das Oberste Gericht in der Hauptstadt Brasilia wies nach einer Marathonsitzung von nahezu zwölf Stunden äußerst knapp mit 6:5 Stimmen Lulas Versuch zurück, den Haftantritt zu vermeiden, bis in dem Hauptsacheverfahren alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind.

Den Ausschlag gab eine halbe Stunde nach Mitternacht die Präsidentin des Gerichts Carmen Lucía, die gegen Lula stimmte.    Die elf Richter hatten lediglich darüber zu befinden, ob der Politiker der linken Arbeiterpartei PT trotz einer Verurteilung in zweiter Instanz noch in Freiheit bleiben kann. Der 72-Jährige war Ende Januar von einem Bundesberufungsgericht wegen Vorteilsnahme und Geldwäsche zu zwölf Jahren und einen Monat Gefängnis verurteilt worden. Eigentlich hätte Lula umgehend in Haft genommen werden müssen, rief aber das Oberste Gericht umgehend zur Haftprüfung an.

In den Umfragen ganz vorne

Doch auch hier unterlag der Ex-Staatschef nun, der in den Umfragen für die Präsidentenwahl am 7. Oktober klar vorne liegt. Da Silva, der Brasilien von 2003 bis 2011 regierte, wirft der Justiz vor, gegen ihn ein politisches Verfahren zu führen, um seine neue Präsidentschaft zu verhindern.    Lula muss aber vermutlich dennoch nicht sofort in Haft, sondern hat noch eine allerletzte Einspruchsmöglichkeit vor dem erstinstanzlichen Gericht in Porto Alegre bis zum 10. April. Aber laut Juristen ist es nahezu ausgeschlossen, dass der Ex-Staatschef so dem Weg ins Gefängnis entgeht.

Wenn dann anschließend die Staatsanwaltschaft den Haftbefehl ausstellt, gibt es keinen Ausweg mehr.    Noch in der Nacht versammelten sich Lulas Anhänger vor seinem Haus in São Bernardo do Campo, um ihre Solidarität zu bekunden. Politiker aller Parteien reagierten auf den Richterspruch: „Ein klares Zeichen, dass das Gesetz für alle gilt“, feierte der Chef der Demokratischen Partei DEM, Rodrígo Garcia. Senatorin Gleisi Hoffman, Vorsitzende von Lulas Partei PT sprach hingegen von einem „traurigen Tag für die Demokratie und für Brasilien“.   Die drohende Inhaftierung Lulas dürfte die ohnehin angespannte politische Situation im Land deutlich verschärfen.

Das Verfahren spaltet das größte Land Lateinamerikas tief. Auch am Mittwoch demonstrierten landesweit vor der Urteilsverkündung zehntausende Gegner und Anhänger des 72-Jährigen. Schließlich hat das Urteil direkte Auswirkungen auf die politische Zukunft Brasiliens. Eine Kandidatur Lulas bei der Präsidentenwahl in einem halben Jahr ist damit so gut wie ausgeschlossen, auch wenn er weiter alle Rechtsmittel ausschöpfen will.    Doch das Gesetz „Ficha-Limpa“, das Gesetz der Weißen Weste, schließt rechtskräftig Verurteilte von politischen Ämtern aus. 

Noch eine allerletzte Chance bleibt

Der Ausschluss ist aber kein Automatismus, er muss vom Obersten Wahlgericht auf Antrag des Berufungsgerichts bestätigt werden. Theoretisch kann sich Lula also beim Wahlrat als Kandidat registrieren lassen. Das muss bis zum 15. August geschehen. Unwahrscheinlich ist, dass bis dahin das Strafverfahren ausgeurteilt ist. Die Aussichten, die Verurteilung in der Sache aus der Welt zu bekommen, sind aber gering. Sollte das Urteil gegen ihn vor der Wahl rechtskräftig werden, müsste der Wahlrat ihm die Kandidatur wieder aberkennen. Und was, wenn Lula tatsächlich gewählt wird, möglicherweise als Häftling, und nach der Wahl letztinstanzlich verurteilt wird?    Durch die Entscheidung steht die Linke sechs Monate vor der Wahl vermutlich ohne Kandidat da. Ein Politiker der Arbeiterpartei PT, der Lula annähernd ersetzen könnte, ist nicht zu sehen. 

  Anti-Korruptionsrichter Sérgio Moro ermittelt seit fast  vier Jahren in dem Verfahrenskomplex „Lava-Jato“ (Autowäsche), der die größte Korruptionsaffäre in Brasiliens Geschichte rund um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras aufdecken will. Dabei geht er allerdings nach Meinung vieler Beobachter mit unterschiedlicher Härte gegen die Angeschuldigten vor. Gegen den ehemaligen Arbeiterpräsidenten Lula ermittelte er immer besonders scharf.

  Aber die Beweislage ist dürftig, es liegen mehr Indizien als klare Beweise vor. Für die Richter gilt es dennoch als erwiesen, dass Lula da Silva  sein Amt dazu missbraucht hat, dem Baukonzern OAS lukrative Aufträge von Petrobras zuzuschustern.    Dafür habe er von OAS eine teure Penthouse-Wohnung südlich von São Paulo  aufwendig renovieren lassen. Die Liegenschaft gehört  zwar weder Lula noch seiner Familie, aber die umfangreichen und teuren baulichen Veränderungen sollen nach den Wünschen von Lulas im Februar 2017 verstorbener Frau Letizia vorgenommen worden sein.