Rund 400 Mitarbeitern aus verschiednen Firmen protestierten mit einer Menschenkette um das Werk in Bietigheim. Foto: IG Metall/IG Metall

Die Beschäftigten von Bosch AS wollen das Aus des Standorts in Bietigheim nicht hinnehmen. Die Produktion soll ins europäische Ausland verlagert werden – möglicherweise nach Ungarn. Verhandlungen darüber sollen bis Ende Oktober laufen.

Bietigheim-Bissingen - Die Schreckensnachricht, dass ihr Werk schließt, traf die Beschäftigten von Bosch Automotiv Steering (Lenksysteme) in Bietigheim (Kreis Ludwigsburg) mitten in der Corona-Krise. Im Juni verkündete die Geschäftsführung, dass die Produktion am Standort bis Ende 2021 eingestellt werde. Am Montag versammelten sich nun laut Polizei rund 400 Menschen rund um das Bosch-Werk, um mit einer Menschenkette auf den drohenden Verlust des Arbeitsplatzes aufmerksam zu machen.

Die rund 290 Betroffenen aus der Fertigung im Bereich Lenksysteme wurden unterstützt von zahlreichen Delegierten anderer Unternehmen aus dem Umland, darunter Mahle, Stihl oder Dürr. „Wir sind dankbar, dass sich so viele Unterstützer mit uns solidarisch gezeigt haben“, sagt Vincenzo Basile, Betriebsratsvorsitzender der Bosch Automotive Steering Bietigheim. Solidarisch auch wohl deshalb, weil jene Betriebe vor ähnlichen Problemen stehen.

Kostendruck und Umsatzrückgang

Politische Sprecher bei der Aktion waren der Ludwigsburger SPD-Kreisvorsitzende, Daniel Haas sowie der Bundesvorsitzende der Links-Partei, Bernd Riexinger. Beide forderten bei der Kundgebung, dass die Transformation nicht auf Kosten von Arbeitsplätzen geschehen dürfe. Das fordert auch Matthias Fuchs. Er ist Geschäftsführer der IG Metall Ludwigsburg-Waiblingen und sagt: „In Zeiten wie heute braucht es intelligente Lösungen. Es ist nicht intelligent, Umsätze durch Köpfe zu teilen und daran die Unternehmensstrategie fest zu machen. Mit der Entlassung von Beschäftigten gewinnt man keinen Wettbewerb.“

Bosch begründet die Produktionsverlagerung und die damit einhergehende Werkschließung mit einem anhaltenden Umsatzrückgang des Geschäftsbereich – und das bereits vor der Corona-Krise. „Notwendig wurde diese Maßnahme aufgrund des Kostendrucks, mit dem das Werk seit Jahren zu kämpfen hat.“

Bosch ist bereits in Ungarn

Sowohl die Montage von Sensor- und Servoeinheiten (Steuerung und Motor) für Elektrolenkungen als auch die Fertigung von Produkten zur Nachserienversorgung für Elektrolenkungen und Ventile werde an andere bestehende europäische Standorte verlagert, teilte der Konzern mit. Der Betriebsratsvorsitzende ist darüber erschüttert. „Uns wird gesagt, dass wir nicht wirtschaftlich arbeiten – aber dafür können wir nichts“. Was Basile allen voran kritisiert ist, dass die Produktion der Ventile angeblich nach Ungarn verlagert werden solle. „Statt an der Zukunftsfähigkeit unseres Standortes zu arbeiten, will Bosch weitere Arbeitsplätze in einem nicht gerade demokratischen Land aufbauen.“ Bosch hat sich bis zum Redaktionsschluss unserer Zeitung nicht zu diesem Vorwurf geäußert. Fakt ist, dass der Konzern mit fast 15 000 Beschäftigten größter industrieller Arbeitgeber in Ungarn ist. In der Hauptstadt Budapest befindet sich das Batterie-Kompetenzzentrum des Stuttgarter Unternehmens.

Ministerin Hoffmeister-Kraut will sich für Produktionsstandort einsetzen

„Der Standort Bietigheim soll als Entwicklungsstandort weitergeführt werden. In den vergangen Jahren wurden in der Entwicklung bereits 270 neue Stellen in Bietigheim angesiedelt“, sagt eine Bosch-Sprecherin. Zumindest in Teilen widerspricht Basil dieser Aussage. Laut ihm sei der Großteil der „neuen Stellen“ eine Verlagerung von Mitarbeitern aus anderen Standorten.

Beide Parteien verhandeln seit vergangener Woche über die Zukunft des Standortes. Bosch berichtet, dass die Gespräche „konstruktiv“ verlaufen. Die Verhandlungen sollen bis Ende Oktober abgeschlossen sein. „Wir hoffen und arbeiten weiterhin daran, dass die Arbeitsplätze von knapp 300 Angelernten und Facharbeitern bestehen bleiben“, so Basil. Auch Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) bestätigt gegenüber unserer Zeitung, sich für den Produktionsstandort Baden-Württemberg einzusetzen. Sollte dies im Fall des Bosch-Werkes Bietigheim nicht zum Erfolg führen, müssten sozialverträgliche Lösungen, ohne Kündigungen für die Belegschaft gefunden werden, so die Ministerin.