Sollte die Bodenzerstörung im Zeitalter des Klimawandels so weitergehen wie bisher, könnte in einigen Jahrzehnten vielerorts wie auf diesem Foto aussehen. Foto: Imago/Panthermedia

Durch Raubbau, Versiegelung, Verschmutzung und Erosion wird der Boden immer mehr ausgelaugt – auch in Deutschland. Dabei ist die Erde unter unseren Füßen unser kostbarstes Gut, ohne das wir nicht überleben können. Der neue „Bodenatlas“ 2024 macht darauf aufmerksam.

Der Schutz der weltweiten Böden muss den Herausgebern des neuen „Bodenatlas“ zufolge stärker vorangetrieben werden. Durch Flächenversiegelungen, intensive Landwirtschaft und Klimawandel seien viele Böden in einem schlechten Zustand, heißt es in dem am Dienstag (9. Januar)in Berlin vorgestellten Atlas. Allein in der Europäischen Union gelten demzufolge mehr als 60 Prozent der Böden als geschädigt.

Herausgeber des „Bodenatlas“ sind die Heinrich-Böll-Stiftung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der TMG Think Tank for Sustainability. Stiftung und BUND geben jährlich einen Atlas zu einem bestimmten Thema heraus, der der Wissensvermittlung dienen soll.

Böden sind wichtige Kohlenstoffspeicher

Böden sind – wie hier ein Moor in der Lüneburger Heide – neben Wäldern wichtige Kohlenstoffspeicher. Foto: Imago/Maximilian Koch

„Politik muss Böden besser schützen, auch mit Blick auf die enorme Artenvielfalt: Denn unter einem Hektar Land leben 15 Tonnen Bodenlebewesen. Das entspricht dem Gewicht von 20 Kühen“, sagte BUND-Vorsitzender Olaf Bandt. Täglich gingen in der Bundesrepublik 55 Hektar Land für Siedlungsbau oder Verkehrsflächen verloren. Das entspricht etwas mehr als der Fläche der Vatikanstadt.

Böden können große Menge Kohlenstoff speichern, sogar mehr als Wälder. Außerdem speichern und reinigen sie Wasser, sind ein wichtiger Nährstofflieferant für Pflanzen und bieten Lebensraum. Mindestens ein Viertel aller Lebewesen der Erde bewohnen Böden, wie im „Bodenatlas“ erklärt wird. Gesunde Böden mit einer ausgeglichenen Porenstruktur nehmen wie ein Schwamm Wasser auf und geben es bei Bedarf wieder ab.

„Durch Versiegelung, aber auch industrielle Formen der Landwirtschaft geht die Fähigkeit von Böden, Wasser aufzunehmen, zurück“, sagt Imme Scholz, Vorständin der Heinrich-Böll-Stiftung. Das habe verheerende Folgen, wie derzeit an der Hochwasserkatastrophe in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu sehen sei.

Weltweite Zerstörung der Ressource Boden

Rollfeld des Airports im indonesischen Benlelang Foto: Imago/Cavan Images

Jedes Jahr gehen durch falsche Nutzung mehr als 220 Milliarden Tonnen fruchtbarer Boden verloren. Nach Angaben der Vereinten Nationen wird „alle fünf Sekunden das Äquivalent eines Fußballfeldes des Erde abgetragen“.

Allein in Deutschland werden pro Tag mehr als 70 Hektar mit Fabrikhallen, Häusern und Straßen zugepflastert. Das sind über 100 Fußballfelder.

Fruchtbarer Boden wird immer knapper

Englisches Rebhuhn bei der Futtersuche auf gepflügtem Feld im Frühjahr. Foto: Imago/Imagebroker

Laut UN sind bereits mehr als 33 Prozent der Böden der Erde degradiert. 90 Prozent könnten sich bis 2050 verschlechtern. Damit ist Folgendes gemeint: Die Verschlechterung der Bodeneigenschaften durch Erosion oder trockene Sommer ist ein natürlicher geologischer Vorgang. Doch durch Überweidung, Entwaldung, Intensiv-Landwirtschaft sowie Straßen- und Siedlungsbau wird dieser Prozess so stark beschleunigt, dass unsere Lebensgrundlage ernsthaft in Gefahr gerät.

Um den wachsenden Bedarf an Nahrung zu decken, müsste die Produktion bis 2050 um rund 70 Prozent wachsen. In den Entwicklungsländern wäre wegen des stärkeren Bevölkerungswachstums sogar eine Verdopplung nötig. Tatsächlich geht aber immer mehr Ackerland durch Verstädterung, Raubbau, Industrialisierung, Versteppung, Versalzung und Bodenerosion verloren.

Mehr Menschen, weniger Agrarflächen

Wie hier im indischen Jalandhar fällt immer mehr fruchtbarer Boden Foto: Imago/Joerg Boethling

Fakt ist: Alle Fortschritte werden durch das unbegrenzte globale Bevölkerungswachstum und die anthropogen bewirkte Degradation der Böden – also die Verschlechterung der Bodenfruchtbarkeit – zunichte gemacht.

Nach Angaben des „Bodenatlas“ verschlechtert die Bodendegradation jedes Jahr eine Fläche von der Größe Österreichs. Der „Bodenatlas“ wird von der Heinrich-Böll-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Potsdamer Forschungsinstitut IASS, dem BUND und Le Monde Diplomatique herausgegeben.

Hotspot Asien

Arbeiter mit Motorpflug bei der Arbeit in den terrassierten Reisfeldern von Jatiluwih im Hochland von Westbali (Indonesien). Foto: Imago/Imagebroker

Am schlimmsten betroffen ist Asien, wo bereits rund 40 Prozent der Böden schwere Mangelerscheinungen aufweisen. Besonders betroffen sind auch Trockengebiete, die 40 Prozent der Landfläche der Erde ausmachen und zu gut 70 Prozent geschädigt sind.

Dem rasanten Wachstum der Weltbevölkerung stehen schwindende Anbauflächen gegenüber, deren Böden immer mehr ausgelaugt werden. Ursachen für diese besorgniserregende Entwicklung sind:

  • Vernichtung der Vegetationsdecke durch Abholzung, Brandrodung oder Überweidung
  • Misswirtschaft durch den Anbau von Monokulturen und den massiven Einsatz von Kunstdünger
  • Verschmutzung mit Abfällen
  • Zerstörung der Bodenstruktur durch Maschinen und große Nutztierbestände, die den Boden verdichten, so dass er nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Wasser versorgt wird.

Mehr Menschen – höherer Konsum

Straße mit roter Erde in der Serra da Canastra, Bundesstaat Minas Gerais (Brasilien). Foto: Imago/Imagebroker

Die UN-Ernährungsorganisation FAO rechnet bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts fast mit einer Verdoppelung der Welt-Fleischproduktion von rund 250 auf 463 Millionen Tonnen. Vor allem Schwellenländer wie China heizen die Nachfrage nach hochwertigen Nahrungsmitteln an. Der Pro-Kopf-Fleischverbrauch ist dort seit 1980 von 20 auf 50 Kilogramm pro Jahr gestiegen (Deutschland: 60,5 Kilogramm, USA: 125 Kilogramm).

Heute werden Rinder, Schweine und Hühner für den Weltmarkt mit Getreide und Soja gemästet. Während etwa 33 Prozent der weltweiten Anbauflächen für die Produktion von Viehfutter genutzt werden – in der Europäischen Union landen sogar 60 Prozent der Getreideernte in Tier-Mägen –, muss fast eine Milliarde Menschen hungern.

Globale Landfläche schwindet

Ausgetrockneter, rissiger Ackerboden n Südfrankreich. Foto: Imago/Dirk Sattler

Die globale Landfläche umfasst nach Angaben des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung rund 13 Milliarden Hektar Land. Davon sind etwa 3,2 Milliarden Hektar potenzielles Anbauland, wobei de facto knapp die Hälfte für die Landwirtschaft zur Verfügung steht.

Laut Welthungerhilfe müsste bis 2030 die verfügbare landwirtschaftliche Fläche um mehr als 500 Millionen Hektar wachsen, um eine ausreichende Versorgung der Weltbevölkerung zu gewährleisten. Diese gewaltige Fläche könne aber nur zur Hälfte durch ungenutzte landwirtschaftliche Areale und optimierte Produktionsbedingungen gedeckt werden.

Öko-Landbau – ein Weg aus der Krise?

Es bedarf nicht einer weiteren UN-Konvention zum Schutz der Böden, sondern der Einsicht jedes Einzelnen, dass der Boden unter unseren Füßen die Basis für alle anderen Ökosysteme und damit für das Überleben der Menschheit ist.

Ein Weg dorthin führt über den Öko-Landbau im globalen Stil. Das bedeutet: verstärkter Fruchtwechsel für den Schutz der Artenvielfalt, mehr organische Düngung für Humusbildung und eine Regeneration der Böden, weniger Viehwirtschaft und Monokulturen.