Bei einer Bildungsplan-Demo in Stuttgart versucht die Polizei, Gegner und Befürworter auseinanderzuhalten Foto: dpa

Monatelang gab es heftige Auseinandersetzungen über die künftigen Bildungspläne für die Schulen im Südwesten. Jetzt kann sich jeder selbst ein Bild machen – und sich dazu äußern.

Stuttgart - Die neuen Bildungspläne für die Schulen in Baden-Württemberg sind fast fertig. Ab sofort können Interessierte auf der neuen Internetplattform des Kultusministeriums erfahren, was die Schüler in Baden-Württemberg vom Schuljahr 2016/17 an lernen sollen.

Bis zum 30. Oktober können sie sich dort auch dazu äußern und Anregungen geben – ebenso wie 175 Anhörungspartner. Diese kommen aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, beispielsweise den Beratungsgremien des Kultusministeriums – Landesschülerbeirat, Landeselternbeirat und Landesschulbeirat –, Gewerkschaften, Berufsverbänden und -vereinigungen, Personalräten, Kommunalen Landesverbänden, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Fachverbänden, Organisationen der Wirtschaft und Kammern, Universitäten und Pädagogischen Hochschulen. Auch Politik und Landesverwaltung sind einbezogen.

Durchlässigkeit soll erhöht werden

Die neuen Bildungspläne lösen die Bildungspläne aus dem Jahr 2004 ab. Ziel ist, die Durchlässigkeit zwischen den Schularten zu erhöhen. Für Haupt-/Werkrealschulen und Realschulen gibt es keine eigenen Pläne mehr. Was sie vermitteln sollen, findet sich im neuen gemeinsamen Bildungsplan für die Klassen fünf bis zehn (Sekundarstufe I), der auch einen Oberstufenplan für die Gemeinschaftsschule umfasst. Denn an den neuen Gemeinschaftsschulen lernen Schüler auf unterschiedlichen Niveaus – wer das grundlegende Niveau erfüllt, erreicht den Hauptschulabschluss, Schüler mit mittlerem Niveau die mittlere Reife, und Schüler mit erweitertem Niveau können Abitur machen. Für die achtjährigen Gymnasien gibt es einen eigenen Bildungsplan, der aber eng mit dem Plan für die Sekundarstufe eins verknüpft ist, ebenso für die Grundschulen.

Viele der bisherigen Fächerverbünde werden aufgelöst und die entsprechenden Fächer an den Schulen wieder einzeln unterrichtet. So erhalten etwa die Grundschüler wieder eine feste Stundenzahl von Sport und Musik. Neu ist für alle weiterführenden Schulen der Fächerverbund „Biologie, Naturphänomene und Technik“ in den Klassen fünf und sechs, Biologie und Technik bleiben aber insgesamt weiter Einzelfächer. Ebenfalls neu ist von der achten Klasse an das Fach Wirtschaft/Berufs- und Studien-orientierung, das für alle Schularten verbindlich ist.

"Sexuelle Vielfalt" ließ Wogen hochschlagen

Die Bildungspläne wurden von einem Beirat erarbeitet, dem neben Experten aus Schule und Hochschule auch Eltern und Schüler, Lehrerverbände und die bildungspolitischen Sprecher aller Landtagsfraktionen angehörten. Um die Schüler auf die Zukunft vorzubereiten, hat der Beirat sogenannte Leitperspektiven entwickelt, die übergreifend in den verschiedenen Fächern behandelt werden sollen: nachhaltige Bildung, Prävention und Gesundheitsförderung, berufliche Orientierung, Medien- und Verbraucherbildung sowie die Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt. Insbesondere Letztere hatte in den vergangenen Monaten für großen Wirbel gesorgt, als ein internes Arbeitspapier an die Öffentlichkeit geriet. Eine Arbeitsgruppe hatte darin vorgeschlagen, als übergeordnetes Leitprinzip die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ zu verankern. Das rief viele Kritiker auf den Plan. Sie warfen der Landesregierung vor, sie wolle den Unterricht „sexualisieren“ und „pornografisieren“, mehrmals gingen die Bildungsplangegner auf die Straße. Rund 192.000 Personen unterzeichneten eine Online-Petition gegen die Bildungspläne.

Fast ebenso viele sprachen sich in zwei anderen Petitionen dafür aus, auch in der Schule über Homosexualität und gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften zu sprechen und diese auch als gleichwertig zu behandeln. In der neuen Leitlinie sollen diese Fragen wertfrei behandelt werden. Auch religiöse oder ethnische Minderheiten sollen thematisiert werden. Änderungsvorschläge werden bis Mitte Februar bewertet und teils in den Planentwurf eingearbeitet. Im April sollen sie bei mehreren Veranstaltungen vorgestellt werden. Im Schuljahr 2016/17 starten dann die ersten und zweiten Klassen an den Grundschulen sowie die fünften und sechsten an den weiterführenden Schulen.