Beim Bezirksparteitag spielt Plagiatsaffäre der Ministerin keine Rolle – und ist doch stets präsent. Foto: dpa

Bundesbildungsministerin Annette Schavan hat beim Parteitag in ihrem CDU-Heimatbezirk viel Zuspruch erhalten. Sie selbst verliert über die Plagiatsaffäre jedoch kein Wort.

Münsingen - Der Cluo des Tages sind ein Paar Boxhandschuhe. „Du steht ja gerade im Ring“, sagt CDU-Bezirkschef Thomas Bareiß, als er Annette Schavan die roten Fäustlinge überreicht. Und: „Du musst ein bisschen kämpfen.“ Die Bundesbildungsministerin lächelt tapfer, die Delegierten applaudieren – dann hat sich’s aber auch schon mit Anspielungen auf die Affäre um ihre Doktorarbeit.

Sie selbst verliert beim Parteitag des württembergisch-hohenzollerischen CDU-Bezirks kein Wort darüber – da mögen die eigens auf die Alb gereisten Kamerateams noch so bitten. Ein merkwürdiger Kontrast. Da vergeht kein Tag ohne neue Mutmaßungen, Vorwürfe und Rechtfertigungen, da ist auch in der Münsinger Alenberghalle das Thema förmlich mit Händen zu greifen – doch die Hauptperson referiert über den Wert der Bildung, geißelt die grün-roten Reformen und strahlt eine kühle Ruhe aus, als gehe sie das alles nichts an.

Doch was soll sie auch sagen? Dass sie um ihre Reputation kämpfen will, hat sie bereits mitgeteilt. Und dass sie es unfair findet, dass ein internes Gutachten vorab an die Medien gelangte. In ihrer heimatlichen CDU muss sie ohnehin niemanden überzeugen. Hier spürt die frühere Kultusministerin,wiewohl nicht immer wohlgelitten, einen starken Rückhalt. „Das ist doch Wahlkampf, wenn man nach 32 Jahren anfängt, das Feuer zu schüren“, regt sich Brigitte Roll aus Reutlingen aus, und der Münsinger Johann Arnold gibt ihr Recht: „Die Vorwürfe sind an den Haaren herbei gezogen.“

„Wir stehen hinter Dir“

Ursula Immler aus Weingarten wittert gar eine „Hexenjagd“, und der frühere Grüne Oswald Metzger meint, falls Schavan nicht sauber gearbeitet habe, dann sei das doch wohl anders gelagert als bei Ex-Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg, der wegen einer fast gänzlich abgeschriebenen Doktorarbeit zurücktreten musste.

„Wir stehen hinter Dir“, hat ihr am Morgen schon Bezirkschef Bareiß zugerufen – und dafür viel Beifall erhalten. Ob das stimmt, wird sich spätestens im Januar zeigen. Dann will sich Schavan in ihrem Ulmer Wahlkreis erneut um ein Bundestagsmandat bewerben. 2008 ist ihr das nur mit Mühe gelungen, weil man ihr vorhielt, sie sei zu selten zu Hause. Doch diesmal werde das besser klappen, meinen viele ihrer Parteifreunde.

„Es könnte sogar sein, dass die Mitglieder ihr in dieser Lage besonders den Rücken stärken“, meint Josef Rief, CDU-Bundestagsabgeordneter und Kreisvorsitzender von Biberach.

Es sieht so aus, als habe sich die bisweilen so basisferne Bundesbildungsministerin mit ihrer Heimat versöhnt. In ihrer Rede („Es ist schön, heute morgen hier zu sein“) zeigt sie denn auch, dass sie Landespolitik noch nicht verlernt hat. Motto: Grün-Rot wirtschaftet Baden-Württembergs Schulen herunter.

Gerade ist sie in Fahrt, da betritt Günther Oettinger den Saal

Gemeinschaftsschulen? Unverantwortlich sei es, wenn man diese Schulart bevorzuge. Ihre Amtsnachfolgerin? Schwänze die Pressekonferenz zum Schuljahresbeginn und urlaube lieber. Und hat sie selbst nicht die Bildungshäuser eingerichtet, um eine Brücke zwischen Kindergarten und Grundschule zu schlagen? Grün-Rot zerschlage dieses Zukunftsmodell nun.

Gerade ist sie in Fahrt, da betritt Günther Oettinger den Saal. Sie begrüßt ihn, und als er auf die Bühne kommt, berührt er sie vertraulich am Arm. Die beiden Ex-Rivalen um das Amt des Ministerpräsidenten werden zwar keine dicken Freunde mehr, aber sie gehen respektvoll miteinander um. Und Oettinger weiß ja nur zu gut, wie es sich anfühlt, wenn man politisch angeschlagen ist.

„Wir haben gegeneinander gekämpft lange Jahre, und doch ist mein Respekt vor Dir in den letzten Tagen gewachsen“, sagt der EU-Energiekommissar und lässt dann ihre Arbeit als Kultusministerin Revue passieren – fast so, als gelte es Bilanz zu ziehen.

Der frühere Regierungschef hat sich längst wieder aufgerappelt. Er ist jetzt ganz Europapolitiker und pflegt doch noch einen engen Draht zur heimischen CDU. Eloquent und witzig erklärt er den Südwürttembergern die große Welt. Einige hundert Parteifreude hängen ihm in der Münsinger Sporthalle an den Lippen, als erwarteten sie noch viel viel mehr von ihm.