Seit Samstagabend hält ein bewaffneter Mann die Polizei am Hamburger Flughafen in Atem. Foto: dpa/Bodo Marks

Nervenzehrende Geduldsprobe auf Hamburgs Flughafen: Sei Samstagabend verhandeln Polizisten mit einem bewaffneten Mann. Der war mit seinem Auto und der vierjährigen Tochter als Geisel auf das Vorfeld durchgebrochen. Seitdem ruht dort alles.

Sorge um ein vierjähriges Mädchen und nervenzehrendes Verhandlungsringen mit einem Geiselnehmer auf dem Hamburger Flughafen: Ein bewaffneter Mann hält seit Samstagabend die Polizei in Atem. Der 35-Jährige durchbrach gegen 20.00 Uhr mit seinem Auto samt Tochter eine Absperrung am Tor zum Vorfeld des Airports. Seit mehr als 16 Stunden versucht die Polizei, die Geiselnahme unblutig zu beenden, bis Sonntagmittag erfolglos. Der Flugbetrieb ruht im Norden weiter.

Der 35-Jährige schoss am Samstagabend auf dem Gelände in die Luft und warf „eine Art Molotowcocktails“ aus dem Wagen. Seitdem steht das Auto neben einer Maschine der Turkish Airlines. Der Geiselnehmer ist nach Einschätzung der Polizei noch bewaffnet. „Aktuell müssen wir davon ausgehen, dass er im Besitz einer scharfen Schusswaffe ist und evtl. auch von Sprengsätzen unbekannter Art“, schrieb die Polizei auf X, früher Twitter. Oberste Priorität sei der Schutz der vierjährigen Tochter des Mannes.

Sorgerechtsstreit soll Tat vorausgegangen sein

Vorausgegangen war laut Polizei wohl ein Sorgerechtsstreit mit der Mutter. Das vom Vater als Geisel im Auto festgehaltene Mädchen ist allem Anschein körperlich unversehrt. „Wir gehen im Moment davon aus, dass es dem Kind körperlich gut geht. Das sagt uns der Blickkontakt, den wir im Moment haben, und die Telefonate mit dem Täter, da ist das Kind im Hintergrund zu hören“, sagte Polizeisprecherin Sandra Levgrün am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur am Airport.

Die Hamburger Polizei stehe weiter in Kontakt mit dem Mann. Bereits die ganze Nacht wurde verhandelt. Es werde auf Türkisch gesprochen, sagte Polizeisprecherin Levgrün. „Wir setzen hier auf eine Verhandlungslösung.“ Dass sich die Gespräche so lange hinzogen, bewertete sie positiv: „Das ist ein absolut gutes Zeichen. Er ist uns zugewandt. Er will mit uns sprechen und das bewerten wir erst einmal als sehr positiv.“ Allerdings gab es noch keinen Durchbruch. „Wir sprechen, wir sprechen, wir sprechen - und versuchen eine friedliche Lösung zu finden, mit der alle gut leben können“, sagte Levgrün am Sonntagvormittag. Es gebe keine Geldforderung des Mannes.

Die Ehefrau des Geiselnehmers, die sich in Stade bei Hamburg aufgehalten haben soll, hatte sich nach Angaben eines Sprechers wegen möglicher Kindesentziehung bei der Landespolizei gemeldet. „Wir gehen derzeit davon aus, dass ein Sorgerechtsstreit Hintergrund des Einsatzes ist“, twitterte die Hamburger Polizei.

Mutter befindet sich am Airport

„Die Mutter möchte natürlich so schnell es geht zu ihrem Kind“, sagte der Leiter des Kriseninterventionsteams des DRK Hamburg, Malte Stüben, der dpa. Die Frau stehe in direktem Kontakt mit dem DRK und befinde sich am Airport. Wegen der noch laufenden Geiselnahme könne ein direkter Kontakt derzeit nicht gewährleistet werden. „Das heißt, wir halten die Situation gemeinsam mit der Mutter aus und gucken, was die Mutter jetzt braucht, um das für sie einigermaßen erträglich zu machen“, sagte Stüben. Es sei auch eine Kinderärztin da, die sich nach der Geiselnahme um das vierjährige Mädchen kümmern soll.

Der Flughafen war am Sonntag weiter weiträumig gesperrt. Die Zahl der wegen der Geiselnahme am Hamburger Flughafen gestrichenen Flüge steigt weiter. Nach Angaben des Flughafens vom Sonntagvormittag sind seit dem eigentlichen Betriebsbeginn um 6.00 Uhr bis 11.00 Uhr bereits 126 Flüge gestrichen worden. Fünf Ankünfte seien zu anderen Flughäfen umgeleitet worden. Für den gesamten Tag seien eigentlich 286 Flüge - 139 Abflüge und 147 Ankünfte - mit rund 34 500 Passagieren geplant. Wie viele davon tatsächlich stattfinden können, ist laut Flughafen unklar. Bereits am Samstag waren 27 Flüge mit rund 3200 Passagieren betroffen.

Passagiere schildern Eindrücke

„Beängstigend“, „gruselig“ - so schildern Passagiere, die aus ihren Maschinen geholt wurden, ihre Eindrücke. Eine junge Frau, die nach Mallorca fliegen wollte, sagte der dpa, sie habe ein Feuer gesehen und erst gedacht, das werde schnell wieder gelöscht. Dann habe sie gehört, es gebe einen Amoklauf, das sei schon gruselig gewesen. Tatsächlich hatte der bewaffnete Mann bei seiner Fahrt auf dem Flughafen heraus Brandflaschen geworfen, die auf dem Vorfeld Feuer auslösten.

Zahlreiche Passagiere haben die Nacht in einem Flughafen-Hotel verbracht. „Wir haben hier im Endeffekt 250 Leute untergebracht“, sagte Frank Kohlstädt, Leiter der DRK-Station am Flughafen. Rund 200 Menschen hätten zudem noch Hotelzimmer bekommen. „Im Moment ist das Hauptproblem, dass sie nicht genau wissen, wie es weitergeht.“ Die Menschen seien eher aufgeregt gewesen als psychisch belastet.

Bereits im Oktober war der Hamburger Flughafen gesperrt worden, damals allerdings wegen einer Anschlagsdrohung auf eine Maschine von Teheran nach Hamburg. Im Juli hatten Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation den Hamburger Flughafen für Stunden lahmgelegt. Damals hatte es Forderungen nach einer Verstärkung der Sicherheit gegeben. Der Flughafen Hamburg sieht aber trotz Geiselnahme keine Versäumnisse bei der Sicherung des Geländes. „Die Sicherung des Geländes entspricht allen gesetzlichen Vorgaben und übertrifft diese größtenteils“, sagte eine Flughafensprecherin der dpa.