Wir werden in der Nacht 5- bis 20-mal wach. Manche erinnern sich daran, andere nicht. Foto: Fotolia

Zwar weiß die Wissenschaft wenig über den Schlaf, der fast ein Drittel eines Menschenlebens einnimmt. Eines aber scheint sicher: Wie Säugetiere und Vögel müssen auch Menschen schlafen. Wie man am besten ruht, sagt der Schlafforscher Göran Hajak.

Zwar weiß die Wissenschaft wenig über den Schlaf, der fast ein Drittel eines Menschenlebens einnimmt. Eines aber scheint sicher: Wie Säugetiere und Vögel müssen auch Menschen schlafen. Wie man am besten ruht, sagt der Schlafforscher Göran Hajak.

Herr Hajak, warum schläft der Mensch?
Fast jeder Organismus lebt mit dem Wechsel von Hell und Dunkel. Menschen zum Beispiel sorgen tagsüber für Nahrung, nachts erholen sie sich, um währenddessen Energie zu sparen. Zusätzlich verarbeitet der Mensch im Schlaf die Informationen, die er tagsüber aufgenommen hat. Ohne Schlaf gäbe es keinerlei intellektuelle Entwicklung.
Heute schreibt man dem Schlaf nicht nur zu, dass er uns geistig fit macht. Es heißt auch, er sei wichtig, um das Körpergewicht zu halten.
Genetisch ist vorgegeben, dass und wie viel wir schlafen müssen – und wenn man diesen Vorgang stört, dann bedeutet das Stress. Der wiederum verändert den Stoffwechsel, man kann höhere Blutfett- und Cholesterinwerte bekommen, der Blutzucker steigt, man kann Diabetes entwickeln. Es finden sogar hormonelle Veränderungen statt, die das Krebsrisiko erhöhen. Es gibt große Studien mit Schichtarbeiterinnen, die zeigen: Wenn man den Schlaf-wach-Rhythmus ständig wechselt, dann steigt das Brustkrebsrisiko und auch das Risiko, ein Magengeschwür zu bekommen – selbst, wenn man den Beruf liebt.
Wann ist Schlaf gut?
Der Nachtschlaf setzt sich aus verschiedenen Phasen zusammen. Es ist wichtig, dass es ausreichende Mengen an Tiefschlaf und ausreichende Mengen an Traumschlaf, sogenannte REM-Phasen, gibt. Den Tiefschlaf braucht man vorwiegend für die tiefe körperliche Erholung und den REM-Schlaf, um den geistigen Speicher wieder neu zu organisieren. Beide müssen ausreichend vorhanden sein. Es gibt eine Faustregel: Ist man eine Stunde nach dem Aufwachen fit und konzentriert, war der Schlaf gut.
Wie viele Stunden Schlaf braucht man?
Jeder Mensch hat einen individuellen Schlafbedarf, von vier bis zwölf Stunden pro Nacht. Der Durchschnittsmensch braucht 7,3 Stunden Nachtruhe. Entscheidend sind Wachsamkeit und das Wohlbefinden tagsüber. Das haben Tests ergeben. Wenn die Wachsamkeit uneingeschränkt ist, kann man davon ausgehen, dass ausreichend Schlaf vorhanden war. Wenn nicht, war der Schlaf zu kurz oder nicht von guter Qualität. Das bedeutet, die Betreffenden sind morgens müde und gereizt, depressiv, haben Schmerzen. Oder sie sind am Tage schlapp.
In welcher Schlafphase sollte man aufwachen, um fit für den Tag zu sein?
Wenn man durch den Wecker aus dem Tiefschlaf gerissen wird, ist man noch eine ganze Weile müde, kommt nicht richtig in Schwung. Das geht vorbei am gleichen Morgen. Am besten ist allerdings, man wird spontan wach, also während des Leichtschlafs. Dann ist man auch schneller fit.
An was fehlt es Menschen meistens?
Viele haben Probleme mit dem Tiefschlaf. Oder die Schlafkontinuität wird durch ganz kurze Aufwachvorgänge gestört. Wir werden in der Nacht 5- bis 20-mal wach. Manche erinnern sich daran, andere nicht. Bei Menschen mit Schlafstörungen kann dies öfter passieren: Etwa alle Viertelstunde gibt es eine Wachphase von zehn Sekunden. Für sie ist es unmöglich, in eine Tiefschlafphase zu kommen. Die Betroffenen haben den Eindruck, die ganze Zeit wach gewesen zu sein. Das führt zu Tagesmüdigkeit.
Es wird viel über die richtige Schlafhygiene diskutiert – was versteht man darunter?
Schlafhygiene ist gleichbedeutend mit einem vernünftigen Umgang mit Schlaf. Dazu gehört, schlafstörendes Verhalten zu vermeiden und schlafförderndes Verhalten einzuüben. Beispielsweise sollte man keine große Mengen Alkohol trinken. Der fördert zwar das Einschlafen. Doch bereits im Laufe der Nacht kommt es zu einem Entzugssyndrom, und man schläft nicht gut durch. Dazu reichen schon ein bis zwei Gläser. Guter Nachtschlaf hängt auch von der Raumtemperatur ab: Viele schlafen in überheizten Räumen, andere in zu kalten. Temperaturen zwischen 18 und 21 sind ideal. Außerdem bedeutet Schlafhygiene, regelmäßig ins Bett zu gehen und auch regelmäßig aufzustehen – auch am Wochenende.
Schadet Licht dem Schlaf?
Licht macht wach. Schon eine Deckenlampe kann ausreichen, um der inneren Uhr das Signal zu geben, dass es Morgen ist und man aufstehen muss. Man sollte also, wenn man mal zur Toilette muss, das Licht dimmen. Wichtig ist, dass man im Schlafzimmer lichtundurchlässige Vorhänge hat, weil es besonders in Städten viele Lichtquellen gibt, die den Schlaf stören können. Wer kann, sollte mit Schlafbrille schlafen. Damit schläft man deutlich besser.
Wie sehr schadet Verkehrslärm dem Schlaf?
An einen gleichmäßigen Lärmpegel kann man sich gewöhnen. Diskontinuierliche Geräusche jedoch – wie etwa startende und landende Flugzeuge – stören den Schlaf. Das hat evolutionäre Gründe: Auch in der Nacht muss sich der Mensch auf sein Alarmsystem verlassen können, um im Notfall aufzuwachen und auf Gefahren reagieren zu können. Wir werden wach bei starken Temperaturschwankungen, Schmerz und lauten Geräuschen. Der einzige Umweltfaktor, an den der Mensch gut angepasst ist, sind Gerüche. Wenn man mit anderen Menschen in einem Raum schläft, nimmt nach einer Weile selbst unangenehmen Geruch nicht mehr wahr.
Viele Menschen behaupten, man solle nachts nichts mehr essen, weil sonst der Schlaf gestört werde – stimmt das?
Viele Organe des Körpers schalten im Schlaf auf Sparflamme. Auch die Nahrung wird nicht so schnell abgebaut. Wenn man spätabends viel Kalorienreiches zu sich nimmt, ist der Schlaf oft nicht so gut. Auf der anderen Seite ist ein leichtes Nachtmahl oft etwas sehr Beruhigendes für Körper und Seele. Menschen, die schlecht einschlafen können, hilft es oft, wenn sie nachts eine kleine leichte Mahlzeit zu sich nehmen.
Was eignet sich dazu? Ein Käsebrot vielleicht?
Ja, ein Käsebrot ist okay!
 

Göran Hajak ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie mit den Schwerpunkten Psychotherapie und Schlafmedizin und leitet in Bamberg die Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Klinikum am Michelsberg.

Hajak ist Mitglied in zahlreichen Fachgesellschaften und hat mehrere viel beachtete Bücher zum Thema Schlafstörungen geschrieben. Sein besonderes Interesse gilt der Entwicklung einer modernen Psychiatrie und interdisziplinären Behandlungsmethoden. (StN)