Er weiss, wie man ordentlich Sprit spart: Eco-Fahrtrainer Udo Wollenhaupt Foto: Lichtgut/Horst Rudel

Der VW-Abgasskandal hat den Druck auf die Autokonzerne, saubere Fahrzeuge herzustellen, erhöht. Aber was ist eigentlich mit den Fahrern? Welche Verantwortung tragen sie? Wie viel Sprit bläst man unnötig durch den Auspuff, wenn man besonders sorglos umherfährt?

Stuttgart - Während draußen in der Autowelt das Chaos regiert, lehnt sich Udo Wollenhaupt entspannt im Sitz zurück. Lächelnd dreht er den Zündschlüssel herum. Mit einem leichten Zittern springt der Motor an. In Rentnermanier setzt Wollenhaupt, Jahrgang 1941, den Blinker, legt gemächlich den ersten Gang ein und lässt die Kupplung kommen. „Ganz sanft“, sagt er. „Einfach anrollen und ziehen lassen.

Als die Tachonadel acht Stundenkilometer erreicht lässt er den zweiten Gang einrasten und gibt Vollgas. Die Gänge jagt er nun förmlich durch die Schaltbox. Bei knapp zwanzig Stundenkilometern ist der Dritte dran. Bei 37 der vierte, bei fast 50 der Fünfte. Innerhalb von fünf Sekunden hat Wollenhaupt, den manche als deutschen Spritspar-Papst bezeichnen, ein 1,3 Tonnen schweres Auto in Rennfahrermanier auf Tempo 50 beschleunigt. „Immer voll drauf“, sagt der 75-Jährige. „Spritsparen kann auch Spaß machen.“

Während die ganze Welt argwöhnisch auf die Autoindustrie blickt, die seit dem VW-Skandal um manipulierte Abgaswerte gerade den Beweis antreten muss, ihre Kundschaft in Sachen Nachhaltigkeit und Effizienz nicht jahrelang an der Nase herum geführt zu haben, arbeitet sich Wollenhaupt seit Jahrzehnten an einem anderen Problem ab: Den deutschen Autofahrern und ihrer unerklärlichen Neigung täglich Hunderttausende Liter Sprit sinnlos aus dem Auspuff ihrer meist mausgrauen Fahrzeuge zu blasen. Gut 55 Millionen Tonnen Treibstoff verbrauchten die knapp 42 Millionen deutschen PKW und Lastwagen im vergangenen Jahr. Ein Wert, der nach Einschätzung von Fachleuten 2016 noch einmal deutlich ansteigen könnte. Seit Diesel und Superbenzin so günstig ist wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr, drücken Automobilisten weltweit auf die Tube. In den USA wurden im Jahr 2015 so viel gefahren wie noch nie seit Erfindung des Automobils. 500 Millionen Tonnen Benzin – Diesel nicht mitgerechnet – blubberten durch US-Motoren. In Deutschland ziehen die lange stagnierenden Autoverkäufe seit Monaten wieder spürbar an. Der Frachtverkehr über Straßen steigt stark.

Früher verbrauchten Trucks 50 Liter auf 100 Kilometer

Wollenhaupt rauft sich bei dem Gedanken daran die Haare, nicht weil er ein reinrassiger Ökoverfechter wäre, der Mobilität zuvorderst als Vortrieb durch Muskelkraft definiert. Im Gegenteil. Fast sein ganzes Arbeitsleben hat er im Automobilbereich verbracht. Mehr als 30 Jahre stand er in Diensten des Stuttgarter Daimler-Konzerns, zuletzt in der Konzernforschung. Dorthin gelangte er, weil er als junger Mann gerne auf dem Beifahrersitz von Truckern saß und dort aus ersten Hand mitbekam, was es heißt, ohne Rücksicht auf die Tankuhr unterwegs zu sein. „Die damals üblichen riesigen LkW-Motoren schluckten locker fünfzig Liter“, sagt Wollenhaupt. Manche verbrauchten aber seltsamerweise auch nur die Hälfte. Seine Beobachtungen schilderte der Jungingenieur seinen Vorgesetzten – und bekam prompt den Auftrag, dem sonderbaren Phänomen nachzugehen.

Der Schuldige war schnell ausgemacht. Er hatte für gewöhnlich Schuhgröße 43 und saß beim Trucker rechts unten: Der Gasfuß. Während manche Kraftfahrer ihre 40-Tonner rücksichtslos durch Europa prügelten, gingen einige wenige mit Bedacht vor, schalteten früh zurück, ließen vor Ampeln ausrollen und schafften so erhebliche Einsparungen. Wollenhaupt bekam das OK, die Ursachensuche systematisch und mit schwäbischer Akribie anzugehen. Kurze Zeit später avancierte er zum Chef-Spritspartrainer des Weltkonzerns. Tausende Daimler-Fahrer und wichtige Kunden hat er seit damals systematisch geschult. Seine Erkenntnisse, die nicht nur für Trucks, sondern auch für gewöhnliche PKW gültig sind – lassen sich kurz so zusammenfassen: Wer will kann bis zu 50 Prozent Kraftstoff sparen, ohne dabei den Komfort oder den Fahrspaß über Bord werfen zu müssen. Eine Erkenntnis, die dem heute im Remstal ansässigen rüstigen Schnurrbartträger früh den Titel „Mister 50 Prozent“ einbrachte.

Auf seiner selbst zusammengestellten Teststrecke, die sich von Stuttgart über das mittlere Neckar- und das Remstal erstreckt, erreichte er mit gewöhnlichen Familienkutschen schon vor mehr als einem Jahrzehnt bessere Verbrauchswerte als jene, mit denen die großen Autobauer heute in Hochglanzmagazinen auf Kundenfang gehen. „Unter drei Liter Sprit auf Hundert Kilometer war schon damals kein Problem“, sagt er.

Diese Erkenntnis berührt einen durchaus heiklen Punkt in der Debatte um tricksende Autokonzerne, erhöhte Schadstoffemissionen, unrealistische Testverfahren und Aufsichtsbehörden, die ihre Aufgabe vornehmlich darin sahen, der Mobilitätsbranche nicht zu genau auf die Finger zu schauen: Den Fahrer-Faktor und seine Verantwortung für mehr Nachhaltigkeit im Verkehr.

Dem Fahrer eine kluge Fahrweise beizubringen, würde sich volkswirtschaftlich lohnen

Anders als die Autobauer, die sich immer strengeren Vorgaben zum Verbrauch und zum Ausstoß von Schadstoffen gegenübersehen, unterliegen die Lenker keinerlei Reglementierung – sieht man einmal vom Führerscheinerwerb und der Pflicht zum regelmäßigen Besuch der Hauptuntersuchung ab. Ihre Verantwortung ist demgegenüber enorm. Auch weniger optimistische Fachleute wie Spritspar-Papst Wollenhaupt messen dem Fahrverhalten nämlich einen entscheidenden Einfluss auf die Öko-Bilanz zu. Michael Bargende, Professor am Institut für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen (IVK) der Universität Stuttgart und einer der Top-Experten für Antriebstechnik, hält 20 Prozent weniger Sprit allein durch eine bessere Fahrweise für „absolut realistisch“. Zumindest bis moderne Automobile so weit automatisiert sind, dass sie sich die verbrauchsärmste Betriebsweise selbst wählen, hält er es für zielführend, „dem Fahrer eine kluge Fahrweise beizubringen“.

Eine volkswirtschaftlich kostengünstige Variante wäre es wohl allemal. Dem im Zuge der Abgasaffäre zurückgetretenen VW-Vorstands-Chef, Martin Winterkorn, wird der Satz zugeschrieben, es koste sein Unternehmen 100 Millionen Euro den durchschnittlichen CO2-Ausstoß aller Konzern-Modelle nur um ein Gramm pro Kilometer zu senken. Zum Vergleich: Aktuell liegen die gemittelten CO2-Emissionen bei den meisten Autobauern zwischen 110 und 130 Gramm pro Kilometer.

Mögen solche schwer nachprüfbaren Äußerungen auch als Schutzbehauptung durchgehen, klar ist: Die Politik setzt die Entwicklungsabteilungen der Autokonzerne unter gehörigen Stress. Sowohl für den Ausstoß des Klimagases CO2 als auch für Schadstoffe wie Stickoxid gibt es klare Marschrouten nach unten. Als „immer verrückter“ beschreiben Techniker die Bemühungen, den Verbrennungsmotor sauberer zu machen. Bargende spricht diplomatisch von „einem enormem Aufwand“, der mittlerweile getrieben werden müsse.

Ist die Zeit des Dieselantriebs vorbei?

Das lässt sich an den Investitionen ablesen. Nach nicht einmal zehn Jahren hebt Daimler derzeit eine neue Motorenfamilie in die Spur und macht dafür 2,6 Milliarden Euro locker. Ziel ist es, die Sickoxid-Emissionen des Diesels um 80 Prozent zu reduzieren.

Andere halten so viel Liebesmüh für den alten Ölbrenner für überflüssig. Allein das kleine Chemiewerk namens Abgasstrang, das der Selbstzünder mittlerweile mit sich herumschleppt und die Luft sauber zu halten, koste mitunter so viel wie ein kompletter Ottomotor, heißt es. Aus Kostensicht bedeutet das eine Art Totalversagen des Diesels.

Wollenhaupt, der mit seiner Firma Eco-Tech auch heute noch Spritsparkurse anbietet, sieht das anders. Der Diesel sei nun man der effizienteste Verbrennungsmotor, sagt er. „An seine Wirkungsgrade komme der Benziner nicht ran. Aus seiner Sicht sind es eher die Autofahrer, die sich weiterentwickeln müssen. „Ich drücke es mal positiv aus. Zu lernen gibt es noch eine Menge“, sagt er. Später wird er deutlicher. Gerade ist vor ihm ein Autofahrer quasi über die Fahrbahn gehoppelt. Erst hat er beschleunigt, dann abgebremst, ist Kurven nicht voll ausgefahren und hat an der Ampel den Motor einfach weiterlaufen lassen. „Manche werden es nie lernen“, sagt Wollenhaupt. „Manchmal glaube ich, die halbe Welt hat noch nie etwas von Spritsparen gehört.“