Der Vorsitzende des baden-württembergischen Beamtenbundes, Volker Stich (links) und Ministerpräsident Winfried Kretschmann Foto: dpa

Die Stimmung gleicht dem aktuellen Wetter. Es geht mal wieder heiß her zwischen Landesregierung und Beamtenbund, wie ein sonst gemütliches Grillfest zeigt. Die CDU hat nun zusätzlich Öl ins Feuer gegossen.

Stuttgart - Gartenpartys zeichnen sich eigentlich durch eine gewisse Form von Gelassenheit aus. Nicht so beim traditionellen „politischen Sommerfest“ des baden-württembergischen Beamtenbunds diese Woche. Seit Jahren ist dieser Abend ein Pflichttermin für die Landespolitik, für Kammerpräsidenten, Behördenleiter – sozusagen für die Führungselite des Landes. So auch in dieser Woche. Und wie meistens schaut auch der Ministerpräsident beim Empfang der Staatsdiener vorbei. Doch die Stimmung ist hitzig. „Ich komme gerne her“, sagt Winfried Kretschmann, um dann vor Abgeordneten, Regierungsmitgliedern, Verbandsvertretern und anderen Gesandten des öffentlichen Lebens mit verbittertem Unterton hinzuzufügen: „Aber das hier ist das einzige Fest mit einer beinhart politischen Rede.“

Gemeint sind die Worte von Volker Stich, Landeschef des Beamtenbunds. Gerade eben hat der Gastgeber der Gartenparty nicht nur die Gäste begrüßt, er hat auch an die vielen Konflikte mit Grün-Rot in dieser Legislaturperiode seit 2011 erinnert. An die wiederholten Sparrunden, an die Senkung der Eingangsbesoldung für junge Beamte, an die Verschiebung der Besoldungserhöhung und, und, und. Stichs Botschaft: Beim Umgang des Staats mit den Staatsdienern trage Baden-Württemberg „inzwischen die rote Laterne“. Mehr noch: Kretschmann habe sich einem „politischen Dialog“ mit dem Beamtenbund entzogen, habe trotz „sprudelnder Steuereinnahmen“ stets nur bei den Beamten gespart, damit viel Vertrauen verspielt, und dass nun die Tariferhöhung aus dem öffentlichen Dienst erst mit bis zu acht Monaten Verzögerung auf die Beamten übertragen werde, während andere Bundesländer ihre Mitarbeiter sofort höher bezahlen und damit ganz anders pflegen, sei eben „ein Zeichen mangelnder Wertschätzung“ der grün-roten Koalition für die Beamten.

Selbst beamtenkritische Insider sagen hernach, Stich habe eine „faire Rede“ gehalten, er habe den „monatelangen Ärger“ nicht fortgesetzt, sondern für die Rückkehr zu einem freundlichen Gesprächsklima geworben. Doch Kretschmann, wie Stich von Haus aus studierter Lehrer in den Fächern Biologie, Chemie sowie Physik beziehungsweise Ethik, sieht das offenbar anders. „Politik braucht Werte wie Respekt“, sagt der 67-Jährige mit fester Stimme und erinnert an den lautstarken Protest des Beamtenbunds im März 2012 in Stuttgart. Dass man ihn, den Ministerpräsidenten, ob der damals ersten Sparbeschlüsse mit Pfeifkonzerten und ohrenbetäubendem Vuvuzela-Lärm empfangen habe, sei „gar nicht lustig“ gewesen, immerhin habe er „schon mal ein Knalltrauma gehabt“. Es habe „keinen Grund gegeben“, ihn so zu begrüßen, ist Kretschmann noch immer hörbar verärgert.

War dieser Protest womöglich der ausschlaggebende Grund für das inzwischen zerrüttete Verhältnis, wie es sich in den vergangenen drei Jahren zwischen Grün-Rot und Beamtenbund entwickelt hat? Kretschmann jedenfalls wirbt vehement für seinen politischen Kurs. Er müsse den „Haushalt sanieren“, die Schuldenbremse bis 2020 „erfüllen“, und deshalb müsse er bei den Personalkosten sparen, die bis zu 50 Prozent des Landeshaushalts ausmachen. Dass der Beamtenbund trotz dieser finanzpolitischen Zwänge zuletzt laut über den Aufruf zu einem Wahlboykott von Grünen und SPD bei der Landtagswahl 2016 nachgedacht habe, sei deshalb „nicht besonders charmant gewesen“.

Kein Zweifel: Kretschmann ist ob der Kritik der vergangenen Monate tief verletzt. An diesem Abend zahlt er zurück. Ein Beispiel: „Auch wenn ich mit Ihnen drei Stunden geredet hätte, wäre nichts anderes dabei herausgekommen“, sagt der Regierungschef im Rückblick auf die Phase, als bei Grün-Rot ohne Beteiligung von Stich beraten wurde, wie man den aktuellen Tarifabschluss aus dem öffentlichen Dienst auf die Beamten umsetzt. Mancher im Garten des Beamtenbunds hoch über Stuttgart ist entsetzt über diesen Satz. „Das zeigt doch, was der von uns hält“, meint einer.

Zur Erinnerung: Gegen den Widerstand des Beamtenbunds hatte Grün-Rot entschieden, den Tarifgruppen bis A 9 die Gehaltserhöhung von 2,1 Prozent (2015) und 2,3 Prozent (2016) sofort zu geben, aber für A 10 und A 11 die Auszahlung um vier Monate, ab A 12 gar um acht Monate zu verschieben. Zwar betont der Regierungschef in seiner Rede immer wieder seine „große Wertschätzung“ für die Beamten. Und er erinnert an die Schaffung der vielen Hundert neuen Jobs bei Polizei, Finanzämtern und anderen öffentlichen Stellen. Aber nahezu im gleichen Atemzug teilt er aus. „So schlimm wie Sie immer über uns reden, sind wir nicht.“ Oder: „Wir können das Geld nicht mit vollen Händen rausschmeißen.“ Oder: „Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir mehr gespart. Was wir jetzt machen, ist schön für Sie, aber schlecht für den Landeshaushalt.“

Kretschmann jedenfalls ist sich sicher, dass der Kurs seiner Regierung „einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhält“. Soll heißen: Selbst wenn der Beamtenbund, wie derzeit geprüft wird, gegen die Tarifpolitik von Grün-Rot vor Gericht geht, sieht sich der Ministerpräsident als Sieger. Und so bietet er dem 64-jährigen Stich, worauf der seit Monaten wartet, plötzlich „Folgegespräche“ an. „Meine Türen sind für Sie offen“, schließt er seine Rede, stärkt sich noch am Gegrillten und eilt zum nächsten Termin.

Zurück bleiben sichtbar konsternierte Führungskräfte der Beamtenschaft. „Was war das denn?“, fragt ein Gewerkschaftler und meint: „Die Tür ist nur einen Minispalt offen.“ Und wirklich, der Konflikt dürfte sich bis zur Landtagswahl 2016 hinziehen.

Den ersten Beleg gibt es am Donnerstag: Da bringt die CDU im Finanzausschuss des Landtags einen Antrag ein, das Tarifergebnis „zeit- und inhaltsgleich auf die 240 000 Beamten im Land zu übertragen“. Dass dies 435 Millionen Euro mehr koste als bisher von Grün-Rot eingeplant, könne nicht das Argument sein, sagt CDU-Finanzexperte Klaus Herrmann. Erstens gehe es dem Land wirtschaftlich gut, die Steuereinnahmen würden sprudeln. Zweitens bestehe angesichts der Entwicklungen in der freien Wirtschaft mit Lohnsteigerungen, Zuschlägen und Prämien „keinerlei Veranlassung, die Beamten des Landes von dieser Entwicklung abzukoppeln“. Stich und seine Getreuen werden den Vorstoß aufmerksam zur Kenntnis genommen haben. Vor allem auch das Ergebnis. Denn der Ausschuss lehnt den Antrag mit der Mehrheit von Grünen und SPD ab. Im Landtag, wo das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschiedet werden soll, wird es nicht anders sein.