Die Landstadt-Siedlung ist ein Hingucker. Die Häuser sind klein, aber fein. Nach Jahren des planungsrechtlichen Chaos gibt es nun ein einheitliches Baurecht. Foto: Judith A. Sägesser

Für die Landstadt gilt bald neues Baurecht. Die Stadt ist froh darüber, die Hausbesitzer nicht. Sie haben auf einer Zehn-Punkte-Liste festgehalten, was sie am Bebauungsplan stört.

Stuttgart-Sillenbuch - Frank Maurer kann sich nur noch wundern. „Am Donnerstag wurden Fakten geschaffen“, sagt der Mann, der in der Sillenbucher Landstadt-Siedlung lebt. Der Stuttgarter Gemeinderat hat am vergangenen Donnerstag eine Entscheidung getroffen, gegen die Maurer und seine Nachbarn seit Monaten kämpfen. Die Fraktionen haben einen neuen, einheitlichen Bebauungsplan beschlossen; er gilt schon bald für die mit ihren kleinen Häusern entzückende Siedlung am Silberwald.

Wie bereits mehrfach berichtet, regierte in der Landstadt-Siedlung bisher planungsrechtlich gesehen das Chaos. Es gibt mehrere Regelwerke, die bestimmen, was Hausbesitzer in dem Sillenbucher Wohngebiet dürfen und was nicht. Und das ist sehr unterschiedlich. Je nach Zeitgeist hat die Stadt Stuttgart die Rahmenbedingungen eher leger oder rigide abgesteckt. Die Stadtverwaltung ist schon seit Langem bemüht, dieses Potpourri in einen einzigen Plan zu gießen. Kein einfaches Unterfangen. Einerseits soll die Siedlung nämlich optisch bleiben, was sie ist: ein Ort zum Staunen. Andererseits will die Stadt Bauherren nicht alle Wünsche versagen.

„Es herrscht ein hohes Maß an Frustration“

Dies scheint nun – jedenfalls aus Sicht der Stadtverwaltung und des Gemeinderats – gelungen zu sein. Der Bebauungsplan ist bei der jüngsten Sitzung mehrheitlich durchgewinkt worden. Ein Drittel der Räte aus dem Lager von CDU, FDP und Freien Wählern haben dagegen gestimmt. Eine Debatte gab es nicht, „es ging völlig geräuschlos über die Bühne“, sagt Erwin Grimme, der persönliche Referent des Baubürgermeisters Matthias Hahn. Die Fraktionen hätten sich vorab geeinigt, sich weitere Diskussionen zu sparen, so Grimme.

Frank Maurer und die anderen verstehen das Schweigen als Affront. „Es herrscht ein hohes Maß an Frustration“, sagt er. Er und seine Mitstreiter kreiden den Verwaltungsleuten und Politikern an, dass sie sich kaum mit den Einwänden der Anwohner auseinandergesetzt hätten. „Die Art und Weise stößt uns stark auf“, sagt Maurer. „Wir sind ja nicht nur drei Hansel, sondern eine überwältigende Mehrheit.“ Nach eigenen Angaben hat er 75 Prozent der Leute aus der Siedlung hinter sich. Und etwas mehr als 100 Leute haben Anfang Juli einen Brief an den Oberbürgermeister Fritz Kuhn unterschrieben, darin kritisieren die Siedler die Stadtverwaltung harsch.

Plan gilt nicht fürs ganze Gebiet

Die Bewohner haben auf eine Zehn-Punkte-Liste festgehalten, was sie am Bebauungsplan stört. Sie wollen sich zum Beispiel nicht vorschreiben lassen, dass ihre Zäune nur 1,35 Meter hoch sein dürfen. Und sie befürchten, dass das Baurecht an der einen oder anderen Stelle zu lasch sein könnte. „Der Plan hat mit einem Erhalt der Siedlung nichts zu tun“, sagt Maurer. „Das ist eine Mogelpackung.“

Besonders stößt ihnen aber auf, dass der neue Plan nicht fürs ganze Gebiet gilt. Die Häuser rund ums Bädle sind ausgenommen. Die Stadt hat diesen Weg gewählt, weil ansonsten die Zukunft des Sillenbucher Freibads zur Debatte stehen könnte. Es könnte Anwohner geben, die die Gelegenheit nutzen und sich wegen Lärms aus dem Bädle beschweren würden. Dies müsste die Stadt dann berücksichtigen, weshalb sie das Thema lieber komplett ausspart.

„Dies bedeutet für uns, dass derzeit und auch in Zukunft drei Bebauungspläne für die Siedlung gelten werden“, steht in dem Brief an Kuhn. „Sollte dies so bleiben, ist dies ein eindeutiger Vertrauensbruch der Bevölkerung gegenüber.“ Für die Häuser beim Bädle gilt sowohl ein Bebauungsplan aus 1974 als auch eine Ortsbausatzung von 1937. „Wir appellieren an Sie: Missachten Sie nicht den Bürgerwillen“, steht im Brief. Bald dürfte Kuhn neue Protestpost erhalten. Unkommentiert wollen die Siedler die Entscheidung nicht lassen. Frank Maurer muss allerdings einräumen, dass er und die anderen den Kampf wohl verloren haben. Nächste Woche ist der Plan rechtskräftig.