Ein Baum geht in die Luft: Fällarbeiten per Helikopter im Feuerbacher Tal. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Immer wieder müssen in Stuttgart aus Sicherheitsgründen Bäume gefällt werden. Das ist jetzt erstmals per Hubschrauber passiert. Eine Aufgabe für Spezialisten, bei der es auf jeden Zentimeter ankommt.

Das Bächlein plätschert, der Hahn kräht und ein Marder huscht über den Weg. Am Ortsausgang von Feuerbach erwacht die Welt am frühen Freitagmorgen gerade erst. Es wird langsam hell, die Kälte hat die Landschaft am Rand des Feuerbacher Tals weiß gefärbt. Doch dann beendet ein lautes Knattern die Stille. Ein Hubschrauber nähert sich, nur knapp über den Baumwipfeln. Menschen kommen aus ihren Häusern und schauen erstaunt. Manche machen schnell ein paar Fotos.

Es handelt sich hier nicht um einen Such- oder Rettungseinsatz. Und doch um ein ganz besonderes Ereignis. Denn zum ersten Mal werden im Auftrag der Stadt Stuttgart Bäume mit Helikopterunterstützung gefällt. Und zwar erst in Feuerbach und später noch im Bereich Kauzenhecke auf dem Haigst in Degerloch. Insgesamt 25 Stück, die Gutachter als abgestorben oder nicht mehr standsicher und damit gefährlich beurteilt haben. Kostenpunkt für die Helikopterfällung: pro Baum etwa 800 Euro.

Das klingt zunächst viel. Doch für die Stadt stellt der ungewöhnliche Einsatz, der anderswo seit vielen Jahren Usus ist, trotzdem die beste Methode dar. „Eine konventionelle Fällung wäre hier deutlich aufwendiger und teurer und würde erhebliche Flurschäden an schützenswerten Freiflächen verursachen“, sagt Sprecherin Jana Steinbeck. Baumfällungen mittels Helikopter seien in schwer zugänglichem und sensiblem Gelände deutlich schneller abgeschlossen als herkömmliche, „weil die Bäume nach wenigen Minuten vom Ort der Fällung entfernt sind und das zeit- und lärmintensive Zerlegen und Laden nicht im Gelände erfolgen muss“.

Der Hubschrauber ist inzwischen auf dem benachbarten Sportplatz gelandet. Es ist zwar eisig kalt, doch das Wetter trotzdem ideal. Denn Sturm oder starker Regen würden einen Einsatz unmöglich machen. Rund ein Dutzend Männer versammelt sich. Sie besprechen die bevorstehenden Arbeiten rund um die Animal Farm nebenan. Jeder Griff muss sitzen, denn es kommt bei dem nicht ungefährlichen Vorhaben auf Zentimeter an.

Spezialisten sind international unterwegs

„Wir haben am Vortag schon die Bäume vorbereitet, Schlaufen eingehängt und einiges zugeschnitten“, sagt Marcel Hoch. Seine Baumpflegefirma aus Rottenburg hat viel Erfahrung. Die Spezialisten sind in ganz Deutschland und im angrenzenden Ausland im Einsatz. In Feuerbach geht es um 14 Bäume, zwei große und viele kleinere. „Es sind hauptsächlich Eschen, die krank und deshalb nicht mehr stand- und bruchsicher sind“, erzählt Hoch. Die größeren Bäume müssen in mehreren Teilen abtransportiert werden, weil sie zu schwer wären.

Der Hubschrauber ist hier im Einsatz, weil das Gelände schwer zugänglich ist. Die Zufahrt wäre ohnehin nur für Fahrzeuge bis zu 1,5 Tonnen geeignet. Das Fluggerät gehört aber nicht dem Baumpflegeunternehmen. „Mit Helikopter machen wir das nur in absoluten Ausnahmefällen, etwa fünf bis sieben Mal pro Jahr“, erzählt der Fachmann. Dafür wird ein Flugunternehmen gebucht, das möglichst in der Nähe sein sollte.

Das „Eichhörnchen“ hebt ab

In diesem Fall ist das die Helix Fluggesellschaft aus Neuenstein bei Öhringen. Deren Mannschaft besteht heute aus vier Leuten, die zum Teil aus dem Allgäu hergekommen sind, weil man sich dort mit Holztransporten besonders gut auskennt. „Wir fliegen alles, wofür man einen Hubschrauber braucht“, erzählt der Pilot Steffen Becher. Oft geht es dabei um Wege- oder Hüttenbau in den Bergen, um Industriebau oder eben auch um Forstarbeiten.

Bechers Maschine trägt den Beinamen „Eichhörnchen“. Allerdings wirkt der gelbe Einsitzer, offiziell ein Eurocopter AS 350, deutlich wuchtiger als das Tierchen. Dabei handelt es sich tatsächlich um eine leichte Mehrzweckmaschine. Tragen kann sie am Seil maximal 1,4 Tonnen. In Feuerbach wird man nicht ans Maximum gehen. „Wir machen das wie immer: Schön in Ruhe arbeiten. Es kann lieber eine Minute länger dauern, bis alles sicher ist“, sagt Becher in der Runde, bevor es los geht.

Knapp am Kopf vorbei

Warum das wichtig ist, zeigt sich schnell. Marcel Hoch schickt seine Baumkletterer in mehrere Wipfel gleichzeitig. Dann folgt ein beeindruckender Ablauf, bei dem Teamarbeit und jeder Zentimeter zählen. Der Hubschrauber fliegt heran. Der Kletterer nimmt das Seil entgegen und befestigt es an den Gurten im Baum. Der Helikopter steigt leicht und spannt das Seil. Der Waldarbeiter lehnt sich zurück, startet die Motorsäge und kappt den oberen Teil des Baumes. In dem Moment, in dem der Stamm durch ist, zieht er den Kopf weg und der Pilot steigt mit seiner rund 1000 Kilo schweren Last nach oben.

Danach legt er die Stämme etwa 50 Meter entfernt auf dem Gelände der Animal Farm ab. Die hat dafür einen Großteil ihrer Tiere in Sicherheit gebracht. Der Helikopter fliegt abwechselnd verschiedene Bäume an. Kleinere Exemplare nimmt er gleich am Stück mit.

Nur wenige Stunden nach der Ankunft am frühen Morgen ist die Arbeit erledigt. Das Holz kommt später im Auftrag der Stadt nach Möhringen und wird zu Hackschnitzeln verarbeitet. Das „Eichhörnchen“ hat seinen Flug derweil schon fortgesetzt – zum nächsten Einsatz in unwegsamem Gelände.