Der Pleidelsheimer Nicolaj Reck wie auch die WIR-Räte Christel Staudenmaier und Albrecht Reuther (von links) sprechen bei der Aktion von einem „brachialen und irreversiblen Eingriff“ in die Natur. Foto: Werner Kuhnle

Nahe des Wasserkraftwerks in Pleidelsheim sind rund 50 Bäume gefällt worden. Das stößt Verfechtern der Biodiversität sauer auf. Die Verwaltung erklärt die Maßnahme mit der Neugestaltung alter Bestände, um den Lebensraum für Bewohner von Streuobstwiesen und halb offener Landschaften zu erhalten.

Pleidelsheim - Enttäuschung und Fassungslosigkeit machen sich auf den Gesichtern von Christel Staudenmaier und Albrecht Reuther breit, als sie auf die zum großen Teil abgeholzte Fläche starren, auf der lediglich noch eine Handvoll Bäume stehen. „Da sind bestimmt rund 50 Bäume gefallen“, stellt der Pleidelsheimer Mandatsträger Reuther fest. Er gehört zusammen mit Staudenmaier zur Gemeinderatsfraktion der unabhängigen Wählervereinigung „WIR-Bürger für Pleidelsheim“, die auch die Initiatoren eines Ökologiekonzeptes ist, welches sich für die Bewahrung und Förderung der Biodiversität vor Ort einsetzt, wobei auch Arbeitsgruppen aktiv sind. Den Antrag, dass sich der Gemeinderat mit dem Thema beschäftigt, hatte WIR bereits 2018 gestellt.

Ein „brachialer und irreversibler“ Eingriff

Doch jetzt zeigt sich vor allem Frust: die Pleidelsheimer Gemeindeverwaltung habe ohne konkreten Auftrag gehandelt, als sie die Gehölzpflanzungen auf der Fläche zwischen dem Wasserkraftwerk und dem sogenannten „Eiskeller“, bis auf wenige Restbäume roden ließ, beklagen die beiden Räte bei einem Vorort-Termin mit der Presse. Das knapp 30 Ar große Grundstück sei zwar in Gemeindebesitz, doch für die Mitstreiter in Sachen Biotopverbundplanung, die in einem landesweiten Verbund gipfeln sollte, komme „der Kahlschlag“, einer Zerstörung von Lebensraum für die dortige Tierwelt gleich.

Die beiden WIR-Räte, die wohl auch im Namen der Offenen Grünen Liste sprechen – betrachten die Maßnahme als „brachialen und irreversiblen Eingriff“, von der sie sich „öffentlich distanzieren“ wollen. Sie befürchten erhebliche Akzeptanzprobleme: „Auf der einen Seite bitten wir die Bürger, ihre Gärten nicht auszuräumen, Sträucher und Stauden für Insekten zu pflanzen, weniger oft zu mähen oder auch Igelhäuschen zu bauen. Und auf der anderen Seite passiert so etwas. Da machen wir uns doch unglaubwürdig“, so Christel Staudenmaier. „Es hätte doch andere Möglichkeiten gegeben und solche, die in mehreren Schritten vorgenommen hätten werden können.“

Die bisherige Tierwelt ist verschwunden

Die beiden Gemeinderäte reklamieren das Vorgehen. „Ein Auslichten wäre doch die bessere Methode gewesen, um anderen, als den bisher dort lebenden Tieren, neuen Lebensraum zu bieten“, sagte Reuther, der sich erschüttert zeigt, dass alle Lebewesen, die bis vor Kurzem hier lebten, verschwunden seien. „Und im Sommer knallt die Sonne nun direkt auf die abgeholzte Fläche“. Durch den einst dichten Bewuchs sei das Feldgehölz ein idealer Brutplatz für Vögel oder auch Rückzugsort für Feldhase, Fuchs und andere Kleinsäuger gewesen. „Nun stehen wir vor einem Kahlschlag.“ Ärgerlich empfinden sie außerdem den Umstand, dass es nun fünf bis zehn Jahre dauere, bis sich die Fläche erholt habe: „Das sind dann völlig neue Strukturen, die man auf einem beliebigen Grundstück in der Nähe hätte umsetzen können, ohne diesen wertvollen Bestand zu zerstören“.

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Mit im Boot der Empörung ist auch der Bürger Nikolaj Reck, der sein Unverständnis in einem Brief an Bürgermeister Ralf Trettner festgehalten hatte.

Die Maßnahmen waren im Gremium vorgestellt worden

Vorausgegangen war der Holzfällaktion die professionelle Begleitung durch das Team der INA Südwest Partnerschaftsgesellschaft. Deren Mitarbeiter, Agrarbiologe Florian Wagner, hatte dem Gemeinderatsgremium am 16. Dezember vergangenen Jahres geeignete Maßnahmen zur Biotopverbundplanung vorgestellt. „Maßnahmen, von denen jede mit uns Räten hätte abgesprochen werden müssen“, sagen Staudenmaier und Reuther, die sich nun enttäuscht zeigen. „Das Vertrauen ist weg – wir sind davon ausgegangen, dass wir gemeinsam entscheiden und dass die Verwaltung nicht einfach 1:1 das übernimmt, was das Büro vorschlägt.“

„Wir haben hier nichts still und heimlich durchgeführt“

Bürgermeister Ralf Trettner indes kann den ganzen Wirbel nicht nachvollziehen, denn „wir haben hier ja nichts still und heimlich durchgeführt“. Es habe zwar durchaus leichte Kritik daran gegeben, dass die von Florian Wagner vorgestellten Maßnahmen nichts Weltbewegendes seien, aber konkrete Reaktionen hätte es auf diese nicht gegeben. Trettner erklärt: „Wir als Verwaltung haben uns dann für die Maßnahmen zum Artenschutz entschieden, über die auch im Mitteilungsblatt berichtet wurde. Im Übrigen haben wir uns von Fachleuten beraten lassen, die das studiert haben.“ Die Entscheidungen seien außerdem noch mit dem Landratsamt abgestimmt worden. „Dass unterschiedliche Meinungen darüber herrschen, was gut sei für den Umwelt- oder für den Artenschutz, diesen Zwiespalt haben wir in vielen Situationen“, so Ralf Trettner.

Für die Pleidelsheimer Verwaltung geht es bei ihrer Entscheidung aktuell vor allem um die Neugestaltung überalterter Bestände mit dem Ziel, den Lebensraum für Bewohner der Streuobstwiesen und der halb offenen Landschaften zu erhalten. Einer solchen Entwicklung im Sinne des Naturschutz stünden allzu dichte Gehölzpflanzungen aber stellenweise entgegen.