Der Chemieriese soll von Steuergestaltungsmöglichkeiten ausgiebig Gebrauch gemacht haben. Foto: dpa

Dem Ludwigshafener Dax-Konzern wird vorgeworfen, zwischen 2010 und 2014 knapp eine Milliarde Euro Steuern vermieden zu haben. Das Chemieunternehmen wehrt sich.

Brüssel - Seit Jahren geraten die kreativen Steuergestaltungspraktiken von weltweit operierenden Konzernen stärker in den Blick. Fiat und Starbucks haben Schlupflöcher in den Niederlanden und Luxemburg genutzt, Amazon auch. Nun steht die deutsche BASF am Pranger. Der grüne Finanzexperte Sven Giegold bringt schwere Geschütze gegen das Chemieunternehmen mit Sitz in Ludwigshafen in Stellung. „BASF hat ein perfides System zur Steuervermeidung aufgebaut“, klagt der Abgeordnete im Europaparlament an. BASF operiere im gleichen Sumpf wie Apple. Und weiter: „Zu Lasten der normalen Steuerzahler hat BASF in der EU 923 Millionen Euro am Fiskus vorbei geschleust.“ Gewinne in dieser Höhe habe das DAX-Unternehmen in den Geschäftsjahren 2010 bis 2014 den Steuerbehörden vorenthalten.

Vorwürfe sind nicht neu

So ganz neu sind die Vorwürfe nicht. Im Januar hat die EU-Kommission eine Sonderregelung bei der Körperschaftsteuer für weltweit tätige Konzerne in Belgien offen gelegt. Wettbewerbskommissarin Margrete Vestager hatte Steuerprivilegien für 35 Großkonzerne als unzulässige Beihilfen durch den belgischen Fiskus entlarvt. Die Dänin sprach von „unzulässigen Steuervergünstigungen“, die es den Unternehmen erlaube, „den Großteil ihrer tatsächlich erzielten Gewinne nicht zu versteuern.“ Unter den 35 Konzernen, die davon profitierten, war auch die BASF. Inzwischen ist die Privilegierung abgestellt, der belgische Fikus muss sich die entgangenen Steuern von den Unternehmen zurückzuholen. Insgesamt soll es sich dabei um 700 Millionen Euro handeln. Wie hoch die Steuerschuld der BASF in Belgien ist, ist nicht bekannt. Giegold hat errechnen lassen, dass die BASF auf diese Weise Steuern in Höhe von 46 Millionen Euro gespart habe.

Neben Belgien listet Giegold weitere EU-Länder auf, in denen die BASF steuerliche Spezialregeln genutzt haben soll, um weniger Steuern zu zahlen. Darunter sind Malta und die Niederlande. Giegold bezeichnet sie daher als Steueroase. Es geht immer wieder darum, wie Steuerberater und Anwälte die jeweiligen nationalen Steuergesetze so geschickt ausnutzen, dass möglichst viele Gewinne des Konzerns da anfallen, wo sie mit den niedrigsten Sätzen versteuert werden. In den Niederlanden etwa werden Gewinne von weltweit operierenden Unternehmen bei einer bestimmten steuerlichen Konstruktion nur mit dem Steuersatz von rund fünf Prozent belegt. Der Körperschaftsteuersatz liegt bei einem Vielfachen. Im Fachjargon wird dieses Instrument zur Steuergestaltung „Patent-Box“ genannt. Außerdem wirft Giegold der BASF vor, Gewinne aus den Niederlanden in Steuerparadiese außerhalb der EU verschoben zu haben: Puerto Rico und die Schweiz seien genutzt worden, um daheim Steuern in Höhe von 375 Millionen Euro zu umgehen. Was sagt die BASF zu den massiven Vorwürfen?

BASF reagiert betont nüchtern

Die Konzernzentrale reagiert mit einer schriftlichen Erklärung, die drei Absätze lang und betont nüchtern gehalten ist. Den Vorwurf, ein „perfides“ System zur Steuervermeidung aufgebaut zu haben, will die BASF nicht auf sich sitzen lassen. Man lege „großen Wert auf die strikte Einhaltung von Steuergesetzen“. Allerdings macht der Konzern auch keinen Hehl daraus, dass er die Möglichkeiten des Steuerrechts, die von Land zu Land unterschiedlich sind, nutzt. Man zahle in allen Ländern, wo der Konzern tätig ist, „die sich nach jeweiligem Landesrecht ergebenden Steuern“. Steuern und Abgaben seien aber auch ein Kostenfaktor. Und jetzt kommt es: „Im Interesse ihrer Anteilseigner strebt BASF im Rahmen der geltenden Steuergesetze die Reduzierung dieses Kostenfaktors an.“ Dabei überziehe die BASF aber nicht. „Bezüglich der Gewinnaufteilung hält sich die BASF an die von der OECD entwickelten und international anerkannten Standards.“ Die BASF hat in dem Zeitraum 2010 bis 2014 laut Geschäftsberichten knapp 2,3 Milliarden Euro Steuern (Körperschaft- und Gewerbeertragsteuer sowie Soli) an den deutschen Fiskus gezahlt. Wenn es nach Giegold ginge, hätte die BASF rund eine Milliarde mehr zahlen müssen.

Die EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker hat die Bekämpfung von unfairen Steuerprivilegien für Großkonzerne zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht. Viele Punkte, die Giegold und andere jetzt rügen, sind bereits abgestellt oder werden in nächster Zeit abgestellt. So hat die Kommission im Juli eine Richtlinie vorgelegt, die die aggressive Steuervermeidung verhindern soll. Unter anderem sieht diese Richtlinie vor, dass die in Deutschland bereits länger geltende Hinzurechnungsbesteuerung in allen anderen EU-Ländern bis 2019 eingeführt werden muss. Damit wird es dann steuerlich für einen Konzern nicht mehr interessant, Aufwendungen für Forschung und Innovation außerhalb der EU anfallen zu lassen.