Was aus Kräutern alles gezaubert werden kann, lässt sich in Baiersbronn erleben Foto: Ulrike Klumpp/Baiersbronn Touristik

Man nehme: Wilden Wald, blühende Wiesen, kreative Köche und variantenreiche Wanderwege, verfeinere das Ganze mit heimischen Wildkräutern – und fertig ist der Kulinarische Wanderhimmel in Baiersbronn.

Baiersbronn - Plötzlich ist Friedrich Klumpp verschwunden. Eben noch pries er Mädesüß vom Wegesrand als Sirupbasis mit dezentem Mandelgeschmack, dann war er weg. Schließlich ein Rascheln, ein Schnaufen, und der Wildpflanzenwirt taucht wieder auf, in der Hand ein Büschel Brunnenkresse. „Die wächst nur direkt am Bach und ist das erste Wildkraut, weil dort der Schnee zuerst schmilzt“, erklärt er und reicht den Wanderern eine Probe: ein bisschen scharf, aber lecker. In Klumpps Gasthof Rosengarten kommt das Wildkraut in die Suppe oder den Salat. Seine Wildsoßen würzen frische Tannenspitzen, deren hohen Vitamin-C-Gehalt man frisch gut herausschmeckt. Aus den noch zarteren Fichtenspitzen kreiert er Eis, der Wiesenknöterich wird zum spinatähnlichen Gemüse, und Gundermann-Blätter in Schokolade getaucht kredenzt er als „schwäbisches After-Eight“.

Klumpp ist einer von acht Wildpflanzenwirten in Baiersbronn, und die wiederum sind einer von sieben Bausteinen des Kulinarischen Wanderhimmels – der neuen Erfindung der Schwarzwaldtouristiker. „Mit der Wildpflanzenküche setzen wir ein Gegengewicht zur Sternegastronomie“, so Klumpp. Was angesichts von acht Michelinsternen auf 14 500 Einwohner keine schlechte Idee ist. Doch es geht noch um mehr.

Die dienstälteste Wanderführerin ist jetzt Wildpflanzenguide

Seit vergangenem Jahr stellt Baiersbronn mit 6300 Hektar mehr als die Hälfte des neuen Nationalparks Schwarzwald. Rund 80 Prozent der Gemeindefläche bestehen aus Wald, dazwischen plätschern klare Bäche durch bunte Wiesen. Mit der offiziellen Auszeichnung der Waldwildnis rücken jetzt Wildkräuter und Naturerlebnis in den Blickpunkt.

„Baiersbronn steht für hervorragende Gastronomie und für ein vorbildliches Wegenetz mit zertifizierten Wanderrouten und Themenpfaden. Der Kulinarische Wanderhimmel verbindet diese Schwerpunkte und ergänzt sie um lokale Besonderheiten“, erläutert Tourismusdirektor Patrick Schreib. Dazu gehören die Wildpflanzenwirte, die gemeinsam mit einem Sternekoch saisonale Gerichte mit heimischen Wildpflanzen entwickelten. Auf der Menükarte von Matthias Erdmann, Wildpflanzenwirt im Restaurant Müllers Löwen, liest sich das so: zuerst in Bärlauchpesto sautierter Spargel mit marinierten Wildkräutern, dann in Heu geschmorte Lammstelze mit Kräuterspinat, Rosmarinkartoffeln und Löwenzahnpesto und zuletzt Vanilleschaum auf Rhabarberkompott.

Auch Hilde Haist gehört zum Konzept. Sie kennt nicht nur die Geschichte des Benediktinerklosters, sondern auch jedes Pflänzchen im Klostergarten und sämtliche entlang der örtlichen Wanderwege. „Hier haben wir uns früher das Taschengeld verdient“, sagt sie mit Blick auf das junge Grün der Heidelbeeren, das den Weg durchs Reichenbachtal säumt. Keine Frage, dass Baiersbronns dienstälteste Wanderführerin sich jetzt zum Wildpflanzenguide schulen ließ und auch ihr „grünes“ Wissen wortreich weitergibt. Am Ende der Wanderung mit grünen Kostproben und herrlichen Ausblicken wartet mit dem Genussplatz Simonsbrunnen ein weiteres Novum. Gezimmert aus heimischem Holz, laden vier Genussplätze an hübschen Stellen zum Rasten ein. Wohl dem, der den neuen Picknick-Rucksack dabeihat und neben Decke, Geschirr und Besteck die Spezialitäten der Wildpflanzenwirte auspacken kann.

Alle anderen halten sich an die Vesperstu-ben von Baiersbronn. Die „Süßen“ kehren bei Cornelia Zimmermann ein, die den 1555 erbauten Seidtenhof bewirtschaftet und neben einem Stall von Kühen auch Leckermäuler versorgt. Ihr selbst gemachtes Eis aus frischer Rohmilch und heimischen Früchten hat wirklich etwas Himmlisches. Ihr Waldhonigeis wurde gar zum Baiersbronner Schatz geadelt, dem nächsten Bestandteil des Kulinarischen Wanderhimmels.

Ein Schatz ist auch der Ziegenkäse mit wildem Thymian, den Bio-Landwirt Michael Peterle auf seinem Ziegenhof produziert. Der luftgereifte Weichkäse schmeckt auch naturbelassen, denn die 50 Milchziegen fressen nur frische Weide, heimisches Heu und Getreide-Riegel. Nur an die geliebte Rinde von Nachbars Obstbäumen dürfen sie nicht. Zu den Schätzen zählen zudem die Buhlbacher Bachforelle aus der Traditionszucht Sigwart und die Lammbratwürste von Metzgermeister Joachim Koch. Er schwört auf eigene Schlachtung, denn „kurze Wege machen den Tieren weniger Stress“, sagt Joachim Koch. Das schmecke man – wie die schlachtwarme Verarbeitung des Lammfleisches vom örtlichen Wanderschäfer. Noch schmackhafter machen Wiesenthymian und tagelanges Kalträuchern auf Buchenreisig die Würste.

Wer bei all den Leckereien auf den Ge-schmack kommt, sollte zum einen beim Wandern ein paar Kalorien abbauen und zum anderen immer die neue Wildpflanzen-broschüre oder die Wildkräuter-App dabeihaben. Man weiß ja nie, was man findet.