Der Intercity 2K von Stadler soll zuverlässiger zwischen Stuttgart und Zürich fahren – schön wär’s. Foto: /Stefanie Schlecht

Auch wenn der neue IC-Zug zuverlässiger fahren wird, täuscht das nicht darüber hinweg: Der Zugverkehr in Böblingen und Umgebung fährt auf der letzten Rille, meint unser Redakteur.

Seit diesem Montag verkehrt ein IC-Zug des Schweizer Herstellers Stadler auf der Gäubahnstrecke von Stuttgart nach Zürich. Was sich kaum nach einer Nachricht anhört, wird von den Verantwortlichen regelrecht gefeiert. Deutsche Bahn, Verkehrsministerium und Bürgermeister tauften den Intercity 2K auf „Naturpark Schönbuch“. Fehlte nur, dass Champagner gereicht wurde. Es ist offensichtlich: Der Bahnverkehr braucht gute Nachrichten, und die Verantwortlichen ergreifen jede Chance, Positives zu vermelden.

 

Pannen, Verspätungen, Ausfälle

Dabei soll der – wohlgemerkt gebraucht – angeschaffte Zug nur für etwas sorgen, was die Bahn selbstverständlich liefern sollte: Zuverlässigkeit. Doch der aktuelle Bombardier-Zug, der demnächst ausgemustert wird, ist pannenanfällig, verursacht Verspätungen und Ausfälle. Damit nicht genug: Sein Bremssystem hat keine Zulassung für die Schweiz, Reisende in Richtung Zürich müssen in Singen umsteigen. Alles Erlebnisse, die die Nerven der Fahrgäste strapazieren. Und natürlich kann es auch mit Stadler Probleme geben – wie aktuell bei der Zahnradbahn in Stuttgart. Dort spricht man von „Anlaufschwierigkeiten“.

Über dieses Stadium ist man bei der Schönbuchbahn längst hinaus. Seit Sommer 2021 sollten dort die neuen Nexios-Züge des spanischen Herstellers CAF fahren. Doch ihre Bremsen erhielten keine Zulassung, weil sie zwar für eine Straßenbahn, aber nicht für die Schönbuchbahn taugen. CAF ist seitdem nicht in der Lage, das Problem zu beheben und hat zuletzt eine Lösung für März 2024 angekündigt. Die Verantwortlichen der Schönbuchbahn haben längst die Geduld verloren und probieren jetzt andere Züge aus – wenn sie schlau sind, dann ebenfalls gebrauchte, die sich auf vergleichbaren Trassen bewährt haben. Vielleicht findet sich so eine gute Lösung für die Zukunft.

Mit der Gegenwart hingegen müssen sich die Bahnreisenden herumschlagen. In der Region Stuttgart vergeht kein Tag, an dem es nicht zu gravierenden Verspätungen und Ausfällen kommt – sei es im Fernverkehr oder im S-Bahn-Netz. Genau dort gab es im Sommer ein apartes Extraproblem: Weil der S-Bahn-Tunnel zwischen Universität und Stadtmitte gesperrt war, fuhren die Züge über die sogenannte Panoramastrecke – wo sonst auch der Intercity verkehrt. Doch die S-Bahn-Räder erlitten dort einen zu starken Abrieb und mussten durch Regionalzüge ersetzt werden. Dumm nur, dass der S-Bahn-Tunnel die nächsten drei Sommer wieder gesperrt werden muss. Zur Not, so ist zu hören, müssen die Fahrgäste dann halt mit dem Bus fahren – prima Aussichten.

So wird es nichts mit der Verkehrswende

Es ist ernüchternd: In Fahrzeuge und Strecken wurde lange viel zu wenig investiert, jetzt kommen die Betreiber nicht mehr hinterher. Eine Baustelle jagt die nächste. Dabei ist von Verkehrswende die Rede, die Fahrgastzahlen sollen steigen. Bleibt die Frage, ob bald überhaupt noch jemand Lust hat, den Bahnverkehr intensiv zu nutzen. Zu viele Störungen, zu viele Unzuverlässigkeiten dürften eher das Gegenteil erzeugen.

Dabei kommen alle Einschränkungen, die Stuttgart 21 mit sich bringt, noch oben drauf. Wird die Gäubahn ab 2025 in Vaihingen oder am Nordbahnhof gekappt? Was bedeutet der geplante Bau des Pfaffensteigtunnels zwischen Sindelfingen und Flughafen für den Verkehr? Wird Böblingen etwa als IC-Halt gestrichen? Womöglich gibt es am kommenden Freitag, ein paar Antworten, wenn sich das Verkehrsministerium, der Verband Region Stuttgart und die Anrainerkommunen der Gäubahn in Stuttgart treffen. Nicht nur die Bahnkunden sollten darauf hoffen, sondern auch die Verantwortlichen. Denn bei all diesen Problemen ist es schwer genug, die Stammkundschaft zu halten – neue Fahrgäste zu begeistern, wird zur Unmöglichkeit.