Außenministerin Annalena Baerbock sichert der Ukraine Hilfe auf dem Weg in die EU zu. Daran wird die Regierung zu messen sein, schreibt StN-Chefredakteur Christoph Reisinger in diesem Kommentar.
40 weitere Marder-Schützenpanzer soll die Ukraine aus Deutschland bekommen. Das ist ein Wort. Um vieles größer noch ist das Wort, das Außenministerin Annalena Baerbock gleichzeitig in Kiew an die Ukraine gerichtet hat: Wie diese sich gegen den Überfall aus Russland stemme, so „kann auch sie sich auf uns verlassen“.
Was die Ukraine will, daran lässt die Regierung keine Zweifel: Rein in die Europäische Union, rein in die Nato, zurück zu den völkerrechtlich anerkannten Grenzen von 2013. Ebenso wenig Zweifel hat Deutschlands grüne Chefdiplomatin Baerbock daran gelassen, dass ihr Wort genau auf diesen Wunsch gemünzt ist.
Was kommt nach dem Krieg?
Das ist mutig. Schließlich gefällt so ein klares Bekenntnis zu den Europa-Ambitionen der Ukraine nicht allen. Nicht im Inland, nicht in der EU, nicht in der Nato – und schon gar nicht in Russland. Dieses Wort ist zunächst allerdings ziemlich folgenlos. Ein Land im Kriegszustand kann der EU nicht beitreten, sie würde sonst unmittelbar selbst zur Kriegspartei. Aber was kommt nach dem Krieg?
Wenn die Bundesregierung und die sie stützende SPD-Grüne-FDP-Koalition meinen, was die Außenministerin sagt, weist das in die richtige Richtung. Zum einen, weil es gerade in der aktuellen, für die Ukraine schwierigen Kriegsphase darauf ankommt, sehr klar Position für die Zeit nach dem Krieg zu beziehen. Ohne das Ziel EU, ohne die Hoffnung auf eine bessere Zukunft wäre der bewundernswerte Widerstandswille der Ukrainer zweifellos geringer. Zum anderen, weil buchstäblich zur Debatte steht, wie eine europäische Friedensordnung nach diesem Krieg aussehen soll.
Die Ukraine – schon vor dem russischen Überfall 2014 wirtschaftlich alles andere als auf Rosen gebettet – wird vor der gewaltigen Aufgabe des Wiederaufbaus stehen. Und diese Aufgabe wird eine ernüchterte und multi-kriegsversehrte Gesellschaft meistern müssen. Was im Alleingang kaum zu schaffen ist.
Da wird die Unterstützung teuer, die Baerbock abermals versprochen hat. Nicht nur, aber auch finanziell. Vor allem wird sie langen Atem und viel Überzeugungskraft brauchen. Weist die EU doch heute schon Anzeichen der Überlastung und Überdehnung auf, weil die Entwicklung ihrer politischen Mechanismen und Institutionen seit 1999 nicht Schritt gehalten hat mit ihrem Wachstum. Da heißt es dann Kurs halten und stabile Mehrheiten organisieren: in der deutschen Bevölkerung und im Bundestag nicht anders als im Europäischen Rat und im Europäischen Parlament.
Das sind die heiklen Themen
Richtig ist daher auch, dass sich Baerbock bei aller Solidaritätsbekundung den Hinweis nicht verkniffen hat, dass auch die Ukraine an den Voraussetzungen für einen EU-Beitritt arbeiten muss. Und gut, dass die Ministerin dabei keinen Bogen geschlagen hat um das heikle Thema Korruption.
Heikel, weil sich kein Land gerne sagen lässt, hier Schwächen aufzuweisen. Heikel auch, weil gerade die Putin-Versteher in Deutschland so gern über Korruption in der Ukraine reden. Bis hin zu der zynischen Behauptung, der – in Wahrheit verbrecherische – russische Überfall sei halb so schlimm, richte er sich doch gegen ein Land mit Defiziten in Demokratie und Korruptionsbekämpfung.
Böse Folgen für Europas Sicherheit?
Baerbock, die Ampel und später die auf das Kabinett Scholz folgenden Bundesregierungen tun gut daran, sich von solchem Geschwätz nicht beirren zu lassen und bei der in Kiew vorgetragenen Position zu bleiben. Auch wenn es alles andere als einfach wird. Zu viel ist passiert, zu brutal hat Russland seinen Anspruch angemeldet, als dass die Ukraine ohne böse Folgen für die Sicherheit in Europa zurücksinken könnte auf den Status eines armen Niemandslandes.