Neum – das einstige Adria-Aschenputtel hat sich zur Prinzessin gemausert. Foto: imago//goranvrhovac

Bosniens einst verschlafener Badeort Neum erlebt ein Comeback. Die stark gestiegenen Preise beim Nachbarn Kroatien lassen die Kassen dauerhaft klingeln.

Über ein Vierteljahrhundert nährte sich Bosniens verschlafene „Adria-Perle“ eher schlecht als recht von demselben Tourismuskonzept. Transitreisende machten auf dem Weg ins südkroatische Dubrovnik auf der nur zehn Kilometer kurzen Fahrt durch Bosniens Adria-Korridor in dem 3000 Seelen und 5000 Gästebetten zählenden Küstenort Neum meist nur für einen Kaffee halt, eine Pizza und ein Erinnerungsfoto mit der bosnischen Landesfahne.

 

Doch obwohl die 2022 eröffnete Meeresbrücke vom kroatischen Festland auf die Halbinsel Peljesac zur Umfahrung des bosnischen Adria-Korridors die Zahl der Transittouristen drastisch verringert hat, klingeln in dem schmucklosen Küstenort nun schon in der Vorsaison die Kassen. „Neum erwartet die beste Touristensaison seit 20 Jahren“, titelte in dieser Woche aufgeregt das bosnische Webportal „Klix.ba“.

Bosniens schmucklose Riviera

Vom „Ende der goldenen Zeiten“ und einem drohenden „schwarzen Szenario“ hatten die Gastronomen in Neum wegen der Eröffnung von Kroatiens weitgehend von der EU finanzierten Brückenschlags zur Umfahrung von Bosniens Adria-Korridor noch düster orakelt. Tatsächlich hat sich mit den jährlich mehr als zwei Millionen Pkw, die nun über die 2,4 Kilometer lange Pelejesac-Brücke über die Bucht von Mali Slon und an Neum vorbeidonnern, die Zahl der Transitreisenden in Bosniens schmuckloser „Riviera“ um zwei Drittel reduziert. Dennoch hat sich das einstige Adria-Aschenputtel nun zur Prinzessin gemausert.

Der reduzierte Durchgangsverkehr hat in Neum nicht nur das Leben der Einheimischen, sondern auch das der Besucher spürbar entspannt. Doch es sind andere Gründe, warum Touristenverstärkt die lieblos bebauten Gestade von Neum aufsuchen. Erst füllten die Folgen der Pandemie Bosniens bis dahin eher leere Badewanne. Nun bescheren die seit der Euro-Einführung stark gestiegenen Preise im benachbarten Kroatien Neum ungekannte Besucherzahlen.

Zunehmend kommen Urlauber aus Kroatien

Auch ältere Hoteliers könnten sich an eine derart hohe Zahl von Reservierungen selbst für die Vor- und Nachsaison nicht erinnern, berichtet zufrieden Bürgermeister Dragan Jurkovic. In der Sommersaison seien es meist heimische, aber auch zunehmend kroatische Gäste, die in den Hotels und Privatherbergen für eine Auslastung von über 90 Prozent der Gästebetten sorgten. In der Vor- und Nebensaison seien es hingegen vor allem Gäste aus Westeuropa, die Neum auch als kostengünstigen Ausgangspunkt zur Erkundung von südkroatischen oder bosnischen Sehenswürdigkeiten nutzten.

In den Coronasommern 2019 und 2020 waren es einheimische, aber auch serbische Touristen, die Neum wegen der damaligen Einreisebeschränkungen für Nicht-EU-Bürger in Kroatien, Montenegro und Griechenland ein unverhofftes Comeback bescherten. Nun sind es vor allem die im Vergleich zu Kroatien 30 bis 50 Prozent billigeren Preise in Herbergen und Schänken, die nicht nur den Tourismus brummen lassen.

Eine neue Straße verbindet Neum mit dem Hinterland

Auch zur Ausrichtung von Großhochzeiten und anderen Familienfeiern weichen immer mehr Kroaten ins günstigere Nachbarland aus. Bessere Verkehrsverbindungen machen das an Sehenswürdigkeiten arme Neum nun auch für ausländische Besucher attraktiv. Die lange Vorlaufzeit des von Bosnien und Herzegowina zunächst abgelehnten Brückenbaus hatte es der Regierung in Sarajevo immerhin ermöglicht, die befürchteten negativen Folgen mit internationaler Unterstützung abzufedern. Mithilfe von günstigen Krediten der Europäischen Investitionsbank und der Weltbank hat man eine neue Fernstraße von Stolac nach Neum gebaut und damit die Anbindung ans Hinterland merklich verbessert.

Die Fernstraße erleichtert nicht nur den einheimischen Touristen die zuvor eher beschwerliche Anreise an Bosniens nur 22 Kilometer kurzen Küstenstrich. Von Neum lassen sich nun selbst auch für eilige Kreuzfahrttouristen leicht Tagesausflüge nach Mostar, die Wasserfälle von Kravica oder den Wallfahrtsort Medjugorje organisieren. Das kroatische Touristenmekka Dubrovnik ist nur 47 Kilometer, Bosniens nicht minder sehenswerte Hauptstadt Sarajevo lediglich 122 Kilometer entfernt.

Doch der Schlüsselfaktor für den touristischen Aufschwung von Neum bleibt laut Bürgermeister Jurkovic das „korrekte“ Preisniveau: „Der Trend wird sich fortsetzen. Denn der Aufenthalt in Kroatien ist weiter deutlich teurer als bei uns.“