Die ersten modernen Menschen kamen vor rund 45.000 in das Gebiet des heutigen Baden-Württembergs. Hier trafen sie auf den Neandertaler. Es war nicht die einzige große Wanderung in der Steinzeit.
Stuttgart - Bis vor rund 42 000 gehörte Europa dem Neandertaler, der zwischen 450 000 und 40 000 die Steppen und Höhlen Süd-, Mittel- und Osteuropas bevölkerte. Der ausgestorbene Verwandte des heutigen Menschen entwickelte sich in Europa – parallel zum modernen Menschen in Afrika – aus gemeinsamen afrikanischen Vorfahren der Gattung „Homo“.
Ab rund 45 000 wurde er mit einer verwandten Spezies konfrontiert, die bis dahin im fernen Afrika und im Nahen Osten gelebt hatte – dem anatomisch modernen Menschen. Wie die Begegnung ablief, wie oft sich ihre Wege kreuzten und inwieweit der Mensch am Aussterben des Neandertalers beteiligt war, wissen wir nicht.
Der moderne Mensch kommt nach Europa
Bis heute ist auch stark umstritten, wann und in wie vielen Ausbreitungswellen der moderne Mensch von Afrika und dem Nahen Osten ausgehend Europa besiedelte. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Wissenschaftlern der Universität Tübingen und des Max-Planck-Instituts (MPI) für Menschheitsgeschichte in Jena ist es gelungen, die Genome von 51 frühen europäischen Jägern und Sammlern aus der Zeit von vor 40.000 bis 7000 Jahren zu rekonstruieren.
Ihre jüngst im Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlichen Studie liefert sensationelle Einblicke in die frühe Bevölkerungsentwicklung Baden-Württembergs und der Schwäbischen Alb.
Mehrere Einwanderungen zwischen 40.000 und 7000
Demnach hat es mehrere große Einwanderungswellen gegeben, die sehr unterschiedliche Spuren im Erbgut des heutigen Europäers hinterlassen haben:
Die erste Einwanderungswelle moderner Menschen gen Europa erfolgte vor circa 42 000 Jahren. Zu ihnen gehörte auch ein Mann, der vor rund 40.000 Jahren lebte und dessen Knochen im Jahr 2002 in der Oase Höhle („Peștera cu Oas“) in Südwest-Rumänien gefunden wurden. Es sind die ältesten Überreste des modernen Menschen, die jemals in Europa entdeckt wurden.
Die Vorfahren dieses Individuums hatten sich erst kurz zuvor mit dem Neandertaler vermischt. Seine Gruppe trug aber keinen genetischen Beitrag zu den heutigen Europäern bei.
Die Menschen in der darauffolgenden Aurignacien-Kultur (40.000 bis 31.000) fertigten die ersten Musikinstrumente und Kunstwerke wie die berühmte Venus aus dem Hohle Fels. Sie wanderten wahrscheinlich aus dem Nahen Osten entlang der Donau nach Zentraleuropa ein.
Vom Jäger und Sammler zum Bauern und Viehzüchter
Die nächste große Wanderungsbewegung erfolgte vor 14.000 Jahren aus dem Nahen Osten. Es ist nicht genau bekannt, welcher Kultur diese Menschen zugeordnet werden müssen.
Um 7000 kamen Menschen aus dem Nahen Osten, die bereits Ackerkultur betrieben. Aus Jäger und Sammlern werden Bauern und Viehzüchter (sogenannte Neolithische Revolution).
Vor etwa 5000 Jahren kam es zu einer massiven Einwanderung aus den zentralasiatischen Steppen. Die lokale Bevölkerung Mitteleuropas wurde kurzfristig fast komplett verdrängt.
Wir sprachen mit Johannes Krause, Professor für Archäo- und Paläogenetik an der Eberhard Karls Universität in Tübingen und Direktor am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena, über die frühe Besiedlung Mitteleuropas:
Interview mit dem Tübinger Forscher Johannes Krause
Info: Aurignacien
Info: Gravettien
Das Gravettien ist die wichtigste archäologische Kultur des mittleren Jungpaläolithikums in Europa. Jäger und Sammler hinterließen archäologische Spuren in weiten Teilen Europas (Belgien, Niederlande, England, Frankreich, Süddeutschland, Österreich, Tschechische Republik, Rumänien, Bulgarien, der Ukraine). Das Gravettien reichte von 31 000 bis rund 24 000 (d. Red.).
Info: Magdalénien
Die Magdalénien-Zeit ist eine archäologische Kulturstufe im jüngeren Abschnitt des Jungpaläolithikums in Mittel- und Westeuropa am Ende der letzten Eiszeit. Benannt wurde das Magdalénien nach der Halbhöhle La Madeleine im Département Dordogne. Die älteren Zeitabschnitte des Magdaléniens waren auf den südwestfranzösischen Raum beschränkt. Das Magdalénien breitete sich in Mitteleuropa ab 14 000 bis 400 aus. Der älteste Magdalénien-Fundplatz in Süddeutschland liegt bei Munzingen. (d. Red.).
Zur Person: Johannes Krause
1980 geboren im thüringischen Leinefelde
2000- 2005 Studium der Biochemie an der Universität Leipzig, dem University College Cork, Irland (2002-2003) und am Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
2005-2008 Promotion zum Dr. rer. nat. in Leipzig
2010-2013 Juniorprofessor für Umweltarchäologie in Tübingen
2013-2015 Professor für Archäo- und Päläogenetik in Tübingen
Seit 2014 Direktor am Max-Planck-Institut (MPI) für Menschheitsgeschichte in Jena
Seit 2015 Honorarprofessor für Archäo- und Paläogenetik an der Universität Tübingen
Info – Steinzeit
Steinzeit
Die früheste Epoche der Menschheitsgeschichte ist durch den Gebrauch von Steinwerkzeugen gekennzeichnet, die bereits von frühen Vertretern der Gattung „Homo“, dem „Homo habilis“ und „Homo erectus“ hergestellt wurden. Die Steinzeit begann vor 2,6 Millionen Jahren in Afrika und in Europa vor 1,1 Millionen Jahren und endete vor 2200 v. Chr.. Die Steinzeit wird in drei große Perioden unterteilt:
Altsteinzeit
Die Altsteinzeit (Paläolithikum) beginnt mit dem Altpaläolithikum (vor 2,6 Millionen bis 300 000 Jahren), gefolgt vom Mittelpaläolithikum (vor 300 000 bis 40 000 Jahren) und endet mit dem Jungpaläolithikum (vor 40 000 bis 10 000 Jahren). Die Menschen waren Jäger und Sammler, zusammengesetzte Jagdwaffen aus Holz und Stein und das Feuer waren ihnen bekannt.
Mittel- und Jungsteinzeit
Mit dem Ende der Eiszeit beginnt in Europa die Mittelsteinzeit (Mesolithikum, 9600-4500 v. Chr.). Der Übergang von der Jäger- und Sammlerkultur zu Ackerbau und Viehzucht markiert den Beginn der Jungsteinzeit (Neolithikum, deshalb auch Neolithische Revolution genannt). In Mitteleuropa beginnt sie um 5600 bis 4900 v. Chr. und endet um rund 2150 v. Chr..
Kupfer- und Bronzezeit
Das Ende der Steinzeit wird eingeläutet durch den in Ägypten, Südosteuropa und Vorderasien aufkommenden Kupferbergbau und die ersten Techniken der Metallurgie (sogenannte Kupferzeit). Der bekannteste Mensch der Kupferzeit ist der als Kältemumie erhaltene Ötzi (um 3300 v. Chr.).
Mit der Bronzezeit, in der Metallgegenstände vornehmlich aus Bronze (einer Legierung von Kupfer und Zinn) hergestellt werden, endet endgültig die Steinzeit.