Im Januar hatte ein Mobiles Einsatzkommando in Backnang einen mutmaßlichen Dschihadisten festgenommen. Foto: dpa

Der Mann, der im Januar in einer spektakulären Aktion in der Backnanger Innenstadt festgenommen wurde, kommt im Oktober vor Gericht.

Backnang - Es war ein aufsehenerregender Einsatz, der Ende Januar dieses Jahres in der Backnanger Annonaystraße über die Bühne ging: Maskierte Beamte eines Mobilen Einsatzkommandos (MEK) haben damals mit gezogenen Waffen einen Mann dingfest gemacht – um die Mittagszeit, genau vor einer belebten Ladenzeile der Murrmetropole. Die MEK-Männer waren im Auftrag der Landeskriminalämter von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg unterwegs, der Festgenommene ist ein mutmaßlicher Dschihadist.

Seit seiner Festnahme sitzt der 25-Jährige Suliman al-S. in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft hat gegen den Syrer Anklage wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und wegen des Verdachts der Begehung eines Kriegsverbrechens erhoben. Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart wird voraussichtlich vom 20. Oktober an gegen ihn prozessieren.

Die Behörden geben sich zu den Ermittlungen schweigsam

Der Fall des 25-Jährigen wirft die Frage auf, ob sich durch die Festnahme Spuren zu weiteren mutmaßlichen Dschihadisten in Deutschland ergeben haben. „Einzelheiten der Ermittlungen kann ich nicht kommentieren“, so eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft. Auch wie der Syrer nach Backnang gelangt ist, will sie nicht preisgeben – dies sei erst in der öffentlichen Hauptverhandlung zu klären.

Dieser Mantel des Schweigens ist nicht neu: Schon nach der Festnahme hatten sich die Behörden sehr wenig gesprächig gezeigt. Aktionen des MEK laufen im Verborgenen ab, um gegenüber Verdächtigen oder ihren Komplizen einen Vorsprung zu behalten. Laut Augenzeugenberichten war ein Mann, der neben dem mutmaßlichen Dschihadisten gestanden hatte, zunächst auch auf den Boden gezerrt, nach der Feststellung seiner Identität aber wieder freigelassen worden.

Laut der Anklageschrift gehörte der 25-jährige Suliman al-S. zu einer bewaffneten Gruppe, die im Februar 2013 für die al-Kaida-nahe Terrorgruppe Jabhat al-Nusra den kanadischen UN-Mitarbeiter Carl Campeau entführt hat. Campeau war damals als juristischer Berater der Undof-Mission der Vereinten Nationen tätig. Diese hat seit dem Jahr 1974 die Aufgabe, eine Pufferzone auf den von Syrien und Israel beanspruchten Golanhöhen sichern.

Geiselnehmer täuschten abgehacktes Bein vor

Der gekidnappte Kanadier hat später im Rundfunk seines Heimatlandes von seinen Erlebnissen berichtet. Seine Entführer hätten zunächst sieben Millionen US-Dollar Lösegeld oder seinen Austausch gegen Gefangene des berüchtigten US-Militärgefängnisses im irakischen Abu Ghraib verlangt. Um die Forderung zu untermauern, so Campeau, hätten die Entführer mit ihm ein Video gedreht, in dem sie es durch seine Körperhaltung und einen eingefärbten Verband so aussehen ließen, als hätten sie ihm ein Bein abgehackt. Wenn die Verhandlungen mit Campeaus Familie, der kanadischen Regierung und den Vereinten Nationen aus Sicht der Entführer schlecht liefen, sei er mit dem Tode bedroht worden – als er eingewilligt habe, zum Islam zu konvertieren, habe sich die Behandlung merklich gebessert.

Der in Backnang festgenommene Suliman al-S. soll zwischen März und Juni 2013 zu den Bewachern des Entführten gehört haben. Sollte dies zutreffen, dürfte er vom Ende der Entführung nichts mitbekommen haben: Carl Campeau konnte Mitte Oktober 2013, nach fast genau acht Monaten Gefangenschaft, fliehen. Nach seinen eigenen Angaben hatte einer der Entführer vergessen, die Türe abzuschließen. Campeau wurde schließlich von Soldaten im Dienste des syrischen Machthabers Baschar al-Assad aufgegriffen.