Ein Mobiles Einsatzkommando (MEK, hier ein Symbolbild) hat in der Backnanger Innenstadt einen mutmaßlichen Salafisten festgenommen. Foto: AP

Ein Mobiles Einsatzkommando der Polizei hat in der Backnanger Innenstadt einen mutmaßlichen syrischen Kriegsverbrecher gefasst. Bundesanwaltschaft und Polizeipräsidium verraten nur wenige Fakten zu dem Fall.

Backnang - Es ist etwa 12.15 Uhr, in der Mittagspause herrscht vor einer Ladenzeile in der Annonaystraße in Backnang reger Betrieb. Eine Mutter will gerade ihr Kind in den Einkaufswagen setzen, da geht der filmreife Einsatz los. Rund zehn Männer in ziviler Kleidung ziehen sich laut einer Augenzeugin plötzlich Sturmhauben über die Gesichter und zücken ihre Waffen. „Sie haben sich zwei Männer geschnappt und sie auf den Boden gerissen. Von einem haben sie sich den Ausweis zeigen lassen, den anderen haben sie mitgenommen“, erzählt die Frau, die den Vorfall beobachtet hat, der sich am 21. Januar ereignete.

Die Maskierten waren Mitglieder eines Mobilen Einsatzkommandos (MEK) und im Auftrag der Landeskriminalämter von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg unterwegs. Der Festgenommene wird verdächtigt, in Syrien an einem Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein. Es handelt sich um einen 24-jährigen Syrer, der 2013 in der Nähe von Damaskus als Mitglied der Nusra-Front an der Entführung eines Mitarbeiters der Vereinten Nationen beteiligt gewesen sein soll. Der Versuch, Lösegeld zu erpressen, scheiterte, dem Entführten gelang die Flucht.

Die Bundesanwaltschaft gibt sich wortkarg

Inzwischen ist der Festgenommene einem Haftrichter vorgeführt worden und sitzt in Untersuchungshaft. Die Behörden halten sich mit Informationen über den Einsatz in der Backnanger Innenstadt äußerst bedeckt. In den täglichen Pressemitteilungen des Polizeipräsidiums Aalen war von dem Vorfall nichts zu lesen. „Wir wussten lediglich, dass da ein Einsatz des MEK läuft“, beteuert ein Polizeisprecher. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe sei „für den Fall zuständig und auskunftsberechtigt“.

Dort verweist man auf eine Pressemitteilung vom 22. Januar, in der nur der „Großraum Stuttgart“ als Ort des Geschehens genannt ist. Genauere Informationen, etwa, ob es in dem Fall noch weitere Verdächtige gibt oder wo der mutmaßliche Dschihadist gewohnt hat, gibt die Bundesanwaltschaft nicht heraus. „Wir kommentieren das grundsätzlich nicht, weil es die Persönlichkeitsrechte des Verdächtigen zu wahren gilt“, sagt eine Sprecherin. Auch der Hinweis, dass die Öffentlichkeit ein Interesse habe, die Hintergründe der Polizeiaktion zu erfahren, kann sie nicht umstimmen: „Es gibt keinen Anlass, an diesem Grundsatz etwas zu ändern.“

Eine Zeugin, die die Festnahme beobachtet hat, übt allerdings Kritik an dem MEK-Einsatz: „Ein Beamter hätte doch kurz erklären können, was los war und dass das alles seine Ordnung hatte“, meint sie. Sie und die anderen Umstehenden seien durch die Aktion der martialisch auftretenden Spezialkräfte verunsichert worden.

Mutmaßlicher Kriegsverbrecher kam oft zum Kaffeetrinken

Armin Förster, der Pressesprecher des für das MEK zuständigen Polizeipräsidiums Einsatz, erklärt, die Spezialkommandos würden bei ihren Einsätzen vor Ort niemals Auskunft geben. „Das MEK agiert immer im Geheimen, um einen Vorsprung vor dem Gegenüber zu behalten.“

Das Mobile Einsatzkommando ist eine Spezialeinheit der Polizei. Zu seinen Aufgaben gehört es, Gewalttäter festzunehmen, die zu Fuß oder mit dem Auto unterwegs sind – im Gegensatz zum wohl bekannteren Sondereinsatzkommando (SEK), das zum Beispiel bei Geiselnahmen eingesetzt wird. Das MEK, das in ziviler Kleidung auftritt, beobachtet seine Zielpersonen auch, um eine günstige Gelegenheit abzupassen. Auch bei der Festnahme in Backnang war dies wohl der Fall: Laut einem Augenzeugenbericht war der mutmaßliche Salafist regelmäßig in die Annonaystraße gekommen, um dort Kaffee zu trinken.

Die Nusra-Front

Dschihadisten Die Dschabhat an-Nusra („Unterstützungsfront für das syrische Volk“) ist eine der Al-Kaida zugehörige, dschihadistisch-salafistische Organisation. Die Vereinten Nationen stufen sie als Terrororganisation ein. Zu den Zielen der um 2011 gegründeten Gruppe gehört die Errichtung eines salafistisch orientierten islamischen Staats und die Vereinigung aller dschihadistischen Kräfte.

Verbrechen Die Nusra-Front kämpft in Syrien nicht nur gegen Regierungstruppen, sondern auch gegen andere Oppositionskräfte, wie zum Beispiel kurdische Einheiten oder Teile der Freien Syrischen Armee. Die Gruppe hat sich zu mehreren Anschlägen in Syrien bekannt. Laut Berichten von Flüchtlingen ermordet die Nusra-Front auch gezielt Christen und Alawiten.