Pegida-Gründer Lutz Bachmann tritt von allen seinen Ämtern bei dem islamkritischen Bündnis zurück. Die Justiz hatte Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung aufgenommen.

Berlin/Dresden - Es gibt keinen guten Augenblick für eine schlechte Nachricht. Aber so viel ist klar: Der Rücktritt von Pegida-Gründer Lutz Bachmann kommt nun wirklich zum denkbar ungünstigsten Moment für die Montagsdemonstrierer aus Dresden. Dass der Mann sich allen Ernstes einen Spaß daraus gemacht hatte, mit Hitler-Bart und -Frisur zu posieren, und ein entsprechendes Foto im Netz kursieren ließ, ist nicht nur Wasser auf die Mühlen der Pegida-Gegner. Es trifft die Organisatoren genau zu dem Zeitpunkt, da sie doch in einer Art Charme-Offensive ihr Image aufpolieren wollten. „Es tut mir leid, dass ich damit den Interessen unserer Bewegung geschadet habe, und ziehe daraus die Konsequenzen“, erklärte Bachmann am Abend in Dresden. „Ich entschuldige mich aufrichtig bei allen Bürgern, die sich von meinen Postings angegriffen fühlen.“

Schluss mit dem Presseboykott, ein Ende mit der Sprachlosigkeit gegenüber der angeblichen „Lügenpresse“. Das war das neue Motto von Pegida. Und folgerichtig trat nicht nur Kathrin Oertel, die weibliche Stimme der „Bewegung“, am Wochenende bei Günther Jauch auf, sondern auch Bachmann selbst zusammen mit Oertel am Montag in Dresden bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Eine sehr bemerkenswerte Pressekonferenz: Fragen zur Person waren unerwünscht. Dafür gab es einsichtsvolle Erklärungen. Man könnte sie „politisch korrekt“ nennen, aber das gilt ja in Pegida-Kreisen als Beschimpfung. Jedenfalls räumte Bachmann ein, dass „ohne Zweifel fremdenfeindliche Personen“ bei Pegida mitmarschierten. Das sei natürlich nicht im Sinne der Organisatoren. Schon gar nicht, dass Menschen ausländischer Herkunft „Angst haben müssen, durch Dresden zu gehen“.

Raus aus der Schmuddelecke. Das war das Ziel. Und nun das. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Bachmann. Das ist kein ganz ungewöhnlicher Zustand. Nun aber wegen des Verdachts auf Beleidigung und – Volksverhetzung. Bachmann selbst war gestern mit einer gleichermaßen schnellen wie erstaunlichen Erklärung zur Stelle. Das Foto sei zur Veröffentlichung des Hörbuchs „Er ist wieder da“ beim Friseur geknipst worden. Das Buch von Timur Vermes ist eine blendende Persiflage, die einen lächerlich-verstörten Adolf Hitler im modernen Deutschland wiederauferstehen lässt. Bachmann sagt, er habe die Aufnahme dem Schauspieler Christoph Maria Herbst, der als Komiker Hitler schon mehrfach parodiert hatte, auf dessen Facebook-Seite gesendet. Die Aufnahme ist also, versteht man Bachmann recht, satirisch gemeint. Herbst ließ gestern über seinen Anwalt verlauten, er habe gar kein eigenes Facebook-Profil.

Auf jeden Fall ist die Erklärung verblüffend. Bachmann als Satiriker – das will nicht so recht ins Bild passen. In der vergangenen Woche noch hatte er angekündigt, gegen das deutsche Satiremagazin „Titanic“ gerichtlich vorzugehen. Die Profi-Spötter hätten nämlich „Rufmord“ damit begangen, einen fiktiven Gastkommentar von ihm ins Blatt zu heben, der mit – ausgerechnet – „Heil Hitler und einen schönen Tag“ gezeichnet war. Offenbar hat Bachmann selbst in eigener Sache einen breiteren Toleranzrahmen, wenn es um den satirischen Umgang mit dem Namen des Bärtchen-Trägers geht.

Für Bachmann war die Sache der eine Vorfall zu viel. Der Vorwurf der Heuchelei war ihm ohnehin in mehrfacher Hinsicht entgegengeschlagen. Dass er in seinen Auftritten auf den Pegida-Kundgebungen zuletzt immer wieder betonte, die Demos richteten sich durchaus nicht gegen integrierte Muslime und qualifizierte Zuwanderer, während im Publikum Plakate mit der Aufschrift „Islam=Karzinom“ geschwenkt wurden, ließ den Anschein der Doppelzüngigkeit entstehen.

Dass ausgerechnet Bachmann zudem für die Ausweisung krimineller Ausländer eintrat, ist ebenfalls nicht ohne. Bachmann ist wegen Diebstahls, Einbruchs, Körperverletzung und eines Drogendeliktes verurteilt. Um einer Gefängnisstrafe zu entgehen, floh er nach Südafrika, wo er zwei Jahre unter falschem Namen lebte. Wo er – Ironie des Schicksals – aufflog und nach Deutschland abgeschoben wurde. Immerhin, Bachmann versuchte nicht, sich auf den Kundgebungen als Saubermann darzustellen. „Auch ich habe ein Vorleben“, sagte er mitunter in seinen Reden. „Ich bin wegen Eigentumsdelikten, Schwarzfahren und – allerdings eine ernste Sache – in Verbindung mit Betäubungsmitteln in Erscheinung getreten.“

Nun aber tritt Bachmann auch wegen Beschimpfungen in Erscheinung, die möglicherweise volksverhetzenden Charakter haben. Es sind Facebook-Einträge unter Bachmanns Namen aufgetaucht, in denen er Flüchtlinge und Asylbewerber als „Viehzeug“, „Dreckspack“ und „Gelumpe“ bezeichnet. Er soll dies im September 2014 einer Bekannten als Kommentar auf ihrer Facebook-Seite hinterlassen haben. Abrufbar ist der Text nicht mehr. Bachmann hat zu diesem Sachverhalt noch nicht Stellung genommen. Der Chaos-Computer-Club (CCC), Experte in Sachen Hacking – also Vergehen im Internet –, schließt weitgehend aus, dass die Texte Bachmann untergeschoben worden sein könnten. „Ein Hacker-Angriff wäre dem Betroffenen sicherlich noch im September aufgefallen“, sagte CCC-Sprecher Dirk Engling. Es sei zudem „unmöglich, jetzt nachträglich Nachrichten zu erzeugen, die aussehen, als wären sie vom vergangenen September“.

Die Sache erhält zudem vermeintliche Plausibilität, da auch bei Twitter unter Bachmanns Namen anstößige Botschaften verbreitet worden sein sollen. So kursiert im Netz eine Twitter-Botschaft mit seinem Namen, in der es heißt: „Vollspinner! Gehören standrechtlich erschossen diese Öko-Terroristen!. . . allen voran Claudia Fatima Roth.“ Die Echtheit der Kurznachricht wird nun wohl auch Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sein.

Die Pegida-Führung musste rasch handeln. René Jahn, der Vizevorsitzende des Pegida-Vereins, sagte schon gestern Mittag, das Hitler-Bild müsse „Konsequenzen haben“. Er wolle „mit so etwas nichts zu tun haben“. Bachmann blieb nur noch der Rücktritt. Ohnehin waren seit längerem bei Pegida Zweifel gewachsen, ob er noch der ideale Frontmann der Bewegung sein könne. Auffallend, dass bei den vergangenen Kundgebungen zunehmend Kathrin Oertel in den Vordergrund rückte, während Bachmanns Redebeiträge immer knapper ausfielen. Die selbst ernannte Bewegung steckt derzeit in einer strategisch schwierigen Situation: In den eigenen Reihen fragt man sich, ob sich die Wirkung allmontäglicher Demonstrationen nicht irgendwann abnutzen könnte.

Das erklärt auch den Kursschwenk in Sachen Medienkontakte. Man muss ins Gespräch kommen. Auf der Pressekonferenz am Montag machte Oertel klar, dass sie durchaus nicht vorhabe, „jeden Montag durch Dresden zu ziehen“. Für den Dialog mit Politik, Medien und Gesellschaft braucht man, so glauben einige in der Pegida-Führung, also besser vermittelbare Köpfe. Oertel wird nun ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken.

Allerdings ist das für die 37-jährige Mutter von drei Kindern womöglich durchaus nicht ihre Traumrolle. Die selbstständige Beraterin in der Immobilien-Branche aus Cowig bei Dresden ließ in den letzten Tagen anklingen, dass der Rummel für sie auch bedrückende Seiten habe. Aber zahlreiche Alternativen hat Pegida nicht. Von einigen anderen aus der Führungsriege kursieren ebenfalls Zitate aus den sozialen Netzwerken, die in ihrer Deftigkeit denen kaum nachstehen, die Bachmann nun zum Verhängnis geworden sind.

Der politische Schaden ist beträchtlich. Alarmierend muss für Pegida sein, dass gestern auch ihre erste politische Anlaufstelle eindeutig auf Distanz ging. Die AfD ist sauer. „Geschmacklos“ nennt ihr Sprecher, Christian Lüth, Bachmanns Hitler-Foto. Die Bachmann zugeschriebenen Facebook-Äußerungen nennt er „niederträchtig und unerträglich“.