Die EU hat das Aus für den Verbrennungsmotor eingeleitet. Doch für die globalen Hersteller bedeutet dies nicht das Ende dieser Technologie. Denn anderswo hat er noch eine lange Zukunft vor sich – auch in China, dem größten Automarkt der Welt. Dort setzt die Politik auch, aber bei Weitem nicht allein auf das E-Auto.
Während die EU auf das Aus für den Verbrennungsmotor zusteuert, fährt China als größter Automarkt der Welt einen ganz anderen Kurs. Dort wurden zwar allein in der ersten Hälfte dieses Jahres zwei Millionen E-Autos zugelassen und damit mehr als doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Doch von einem Aus für den Verbrennungsmotor kann dort keine Rede sein. JSC Automotive, ein Beratungsunternehmen für den chinesischen Automarkt mit Sitz in Stuttgart und Shanghai, rät den Unternehmen der Branche deshalb davon ab, allein auf die batterieelektrische Mobilität zu setzen.
„Die Subventionen für die Elektromobilität werden schon länger wieder heruntergefahren“, sagt Geschäftsführerin Nicole Steiger unserer Zeitung. Die Erfahrungen mit der hohen staatlichen Förderung seien eher ernüchternd gewesen. So sei die Technologie der Verbrennerfahrzeuge stehen geblieben.
Chinas Technologiepolitik beim Auto
Auch der jüngste Entwurf des chinesischen Ministeriums für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) für die künftige Regulierung des Flottenverbrauchs der Automobilhersteller für die Jahre 2024 bis 2025 belege, dass China längst nicht so sehr auf das Elektroauto setzt, wie das hierzulande wahrgenommen wird. Im Jahr 2023 läuft die heutige Regulierung in China aus – und es ist davon auszugehen, dass der jetzt vorgelegte Entwurf in Kürze verabschiedet wird, berichtet Steiger, deren Firma vor allem Zulieferer über den dortigen Markt berät.
Bislang deute nichts darauf hin, dass China dem Verbrennungsmotor künftig die Daseinsberechtigung absprechen werde, wie die EU das bei Neufahrzeugen beabsichtigt. Das Ziel, einzelne Technologien wie etwa den Batterieantrieb voranzubringen, spiele dort keine Rolle.
Das oberste Ziel von Chinas Technologiepolitik beim Auto besteht nach Steigers Einschätzung in der Versorgungssicherheit. Zwar hat China sich bei Lieferanten für Rohstoffe der E-Mobilität Zugriffsrechte verschafft, gleichwohl wolle das Land vermeiden, in größere Abhängigkeiten zu geraten, die durch eine zu starke Ausrichtung auf einzelne Antriebstechnologien entstehen.
Kompliziertes Punktesystem
Neben Flottenverbrauchszielen für die einzelnen Hersteller gibt es dort auch eine Quote für sogenannte NEV-Fahrzeuge, die mit „neuen Energien“ fahren. Dieser Begriff sei missverständlich, denn mit neuen Energien seien nicht nur reine E-Autos gemeint, sondern auch Plug-in-Hybridfahrzeuge. Nach einem komplizierten Punktesystem, bei dem unter anderem die Größe, das Gewicht und auch die Zahl der Sitzreihen eine Rolle spielt, werde jedes einzelne Fahrzeug bewertet; die Hersteller müssten dann anhand dieser Tabelle und ihrer Kostenstrukturen die optimale Mischung herausfinden.
Punkten könnten die Hersteller im chinesischen System der Regulierung aber auch mit Verbrennungsmotoren – wenn sie zum Beispiel energiesparende Technologien einsetzen, die beispielsweise die Rückgewinnung von Bremsenergie und das Anfahren mittels E-Motor erlauben. Auf diese Technologieoffenheit müssten sich die Hersteller einstellen.
Mercedes-Chef Ola Källenius hatte erklärt, das Unternehmen sei bereit, bis 2030 überall dort voll elektrisch zu werden, wo die Marktbedingungen es zulassen. Im größten Markt, in China, dürfte dies noch lange nicht der Fall sein. JSC erwartet, dass auch im Jahr 2028 noch fast 80 Prozent der in China produzierten Mercedes-Autos mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet sein werden und 21 Prozent rein batterieelektrisch fahren. Das sind zwar mehr als heute, aber nach wie vor eine deutliche Minderheit.
Grüner Wasserstoff gewinnt an Bedeutung
Perspektivisch soll in China – ähnlich wie in Europa – auch grüner Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen, mit dem sich grüner Strom speichern und transportieren lässt. Derzeit liege der Fokus der Regierung auf der Förderung von Projekten mit Brennstoffzellenfahrzeugen, erklärt Steiger. Ob dies in Zukunft so bleiben wird, sei momentan schwer abschätzbar.
Für E-Fuels – synthetische Kraftstoffe, die unter Verwendung von Treibhausgas und grünem Strom hergestellt werden und die die Klimabilanz von Verbrennungsmotoren verbessern können – gebe es bislang keine negative Aussage. Die EU dagegen will nach heutigem Stand die Zulassung von Verbrennungsmotoren 2035 einstellen und den E-Fuels nur eine Außenseiterrolle, etwa bei Sonderfahrzeugen, zugestehen.
Da China – wie Deutschland – die Produktion von Ökostrom stark ausbauen wolle, benötige das Land Speichermöglichkeiten wie E-Fuels, um überschüssige Energie später nutzen zu können. Vieles deute somit darauf hin, dass der Verbrennungsmotor im größten Automarkt der Welt so schnell nicht verschwinden werde.