Von diesem Freitag, 19 Uhr, an ist im Rathaus eine besonders bewegende Ausstellung zu sehen. Eine Mutter zeigt Zeugnisse über eine Auseinandersetzung ihrer Tochter mit dem Sterben.
Stuttgart - Daniela Aldinger ist gefasst. Sehr gefasst. Dabei ist sie eine Mutter, die erst vor eineinhalb Jahren ihr einziges Kind verloren hat. Aber sie erzählt die Geschichte ruhig. Ohne Pathos, ganz aufrecht. Nur die unruhigen Hände, die irgendwie nicht zu diesem Ruhepol passen wollen, lassen erahnen: der Schmerz über den Verlust sitzt vermutlich tiefer.
Maja ist mit 16 Jahren gestorben. Diagnose Knochenkrebs. Damals war Maja zwölf und kämpfte gegen die Krankheit im Olgahospital an. Mit OPs und Chemotherapien. Das ganze Programm eben. Doch dann kam der Punkt. Der Endpunkt hinter dem Leben. So hat es Maja gesehen. Sie wollte nicht mehr. Keine Chemie mehr, kein Gift, keine Operation. Nur noch leben. Bis zum Punkt.
Im Olgäle hatte das Mädchen Professor Bielack gefragt: „Herr Professor, Hand aufs Herz! Gibt es eine Chance auf Heilung?“ Der Krebs hatte zu diesem Zeitpunkt bereits gestreut. Daher musste der Professor zugeben: „Nein, Maja. Wahrscheinlich nicht. Es geht nur noch darum, dein Leben zu verlängern.“ Das war für Maja keine Option. „Okay“, sagte sie, „dann will ich von nun an einfach nur leben.“ Bis zum Punkt.
Auf den Punkt kommt es an
„Der Punkt ist es, auf den es ankommt“, sagt Daniela Aldinger und meint nicht nur im Leben, sondern den Punkt hinter dem Ausstellungstitel „Life.“ Im Erdgeschoss des Rathauses (Foyer Altbau) werden „Fotografien zum erlebten Sterben“ gezeigt. Die Selfies von Maja und die Bilder ihrer Mutter sind bewegende Zeugnisse eines jungen Menschen, der fast in buddhistischer Weisheit mit Tod umging. „Am Schlusspunkt, so sagte Maja, muss man es einfach akzeptieren“, erzählt die Mutter von der bewundernswerten Haltung ihrer Tochter. Maja wollte loslassen und anderen in dieser Situation helfen, das Leben und Tod auf die Weise zu verstehen und anzunehmen. Aus der gemeinsam erlebten Tatsache, dass der Tod zum Leben dazugehört ist für die Mutter die Idee entstanden, die Fotografien öffentlich auszustellen, auch andere daran teilhaben zu lassen. Es sei für die Mutter keine Form der Trauerarbeit, versichert sie in dieser besonderen Klarheit, die man wohl selten nach solchen Verlusten antrifft.
„Maja hat es einem leicht gemacht“, sagt Daniela Aldinger, „besser kann man es nicht machen.“ Sie meint nicht unbedingt das Sterben selbst. Sie meint die Art ihrer Tochter, wie sie den Hinterbliebenen ihren Verlust erträglich machen wollte. Auch ihre Mitschüler hatten dieses Gefühl bei der Beerdigung. Ein Schüler hatte das an diesem Tag besonders gut begriffen. „Maja hatte ihre Stärke“, sagt der Junge zu Daniela Aldinger. „Ich denke, es geht im Grunde nicht darum, wer von uns die Stärkere war. Wir sind wohl beide in dieser Zeit an den Gegebenheiten gewachsen und jede hat auf ihre Weise“, sagt sie, „es ist so, dass ich auch nie Probleme mit dem Tod hatte.“
Leid und Freude verschmelzen
In der Ausstellung kommt auch dieses Verhältnis zum Ausdruck. Dann wenn Farb-Fotos der traurigen Mutter neben Schwarz-weiß-Porträts lachenden Tochter hängen. Gegensätze zwar – und doch eine Einheit. Leid und Freude verschmelzen. Leben und Tod werden eins. „Genau das ist unser Thema in dieser künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Sterben“, sagt Daniela Aldinger, „wir wollen den Tod wieder ins Leben tragen.“ Punkt.