Eines der wichtigsten Ziele für Patienten aus dem Ausland in Stuttgart ist das Olgahospital Foto: Achim Zweygarth

Internationale Patienten sind in Stuttgarter Krankenhäusern gern gesehen, werden sie doch als Privatpatienten abgerechnet. Die wenigsten Patienten aus dem Ausland zahlen ihre Arztrechnungen selbst.

Stuttgart - Es gibt viele Gründe, der Stadt Stuttgart als Tourist einen Besuch abzustatten. Die amerikanischen Gäste kommen, weil Stuttgart für sie direkt neben dem Schwarzwald liegt, und die Schweizer freuen sich über Weihnachtsmarkt und Volksfest. Dass jedoch auch die Krankenhäuser einen Anreiz für Touristen aus dem Ausland darstellen, mag auf den ersten Blick erstaunen. Wer setzt sich schon gerne ins Flugzeug, wenn er krank ist?

„Immer mehr Patienten vor allem aus den Arabischen Emiraten oder Saudi-Arabien kommen zu uns“, sagt Andreas Braun, Leiter der International Unit im Klinikum Stuttgart. Dem Gesundheitswesen im eigenen Land würden die Patienten oft nur wenig zutrauen, manchmal „zu Unrecht“, sagt Braun. „Aber uns kann das nur recht sein.“ Seit 2008 gibt es die International Unit, die sich um die gerngesehenen Patienten aus dem Ausland kümmert. Gern gesehen deshalb, weil sie als Privatpatienten abgerechnet werden. Seit einigen Jahren schon tut sich hier für die unter Sparzwängen leidenden Kliniken eine lukrative Einnahmequelle auf. Jedoch sollen deswegen keine Stuttgarter Patienten zu kurz kommen. „Die Versorgung der Patienten aus der Umgebung hat oberste Priorität“, versichert Braun.

Dass vor allem reiche Scheichs nach Stuttgart reisen, um sich und ihre Familien hier durchchecken zu lassen, ist ein Klischee. „Nur zwei bis drei Prozent unserer internationalen Patienten sind reich“, sagt Braun. Bei den anderen Patienten würden oft Botschaften, Firmen oder Krankenkassen in den jeweiligen Ländern die Kosten für Anreise und Behandlung übernehmen. Darunter seien momentan zum Beispiel auch libysche Kriegsversehrte.

Die internationalen Patienten kommen laut Braun zu 50 Prozent aus Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Doch in den vergangenen Jahren holte eine Gruppe auf: 20 Prozent kommen inzwischen aus Russland und anderen Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion. Zehn Prozent reisen aus Nordafrika an, darunter auch viele Bürgerkriegsversehrte. Die restlichen 20 Prozent kommen aus dem Rest der Welt, darunter auch die USA. Von den Krankenhäusern im Klinikum Stuttgart wählt ein Drittel der internationalen Patienten die Kinderklinik Olgahospital. Von den restlichen zwei Dritteln käme ein Teil wegen der Orthopädie, ein Teil wegen der Onkologie und der Rest wegen unterschiedlicher anderer Beschwerden. Wie viele Patienten pro Jahr aus dem Ausland im Klinikum landen, will Braun nicht sagen, die Zahl liege aber „im vierstelligen Bereich“ – Tendenz steigend.

Der Grund, warum die Patienten nach Stuttgart kommen, ist laut Braun der gute Ruf, den die medizinische Versorgung habe. „Die Multidisziplinarität ist entscheidend. Im Klinikum mit seinen verschiedenen Experten ist der Patient auch dann gut versorgt, wenn bei ihm verschiedene gesundheitliche Probleme zusammenkommen“, sagt Braun. Im Gegensatz zu anderen deutschen Städten wie zum Beispiel München – beliebteste Stadt der Medizintouristen – kümmert sich das Klinikum nur um die medizinische Versorgung. „Es geht den Patienten um die Qualität der Ärzte und dass unser Personal sensibel und respektvoll mit ihnen umgeht“, sagt Braun. Für das „Drumherum“ arbeite man im Klinikum mit Agenturen zusammen.

Einer der Partner ist Europe Health, deren Geschäftsführer Salah Atamna vor zwölf Jahren in München mit seiner Agentur startete. Seit vier Jahren hat er auch eine Agentur in Stuttgart, die sich um das Gesamtpaket für die Medizintouristen kümmert. Als Schnittstelle zwischen Klinik und Patient vermittelt er die ersten Gespräche, kümmert sich um Visa, bucht Flüge, Unterkünfte und ein Unterhaltungsprogramm für mitgereiste Familienmitglieder. Für Atamna ist Stuttgart inzwischen die größte Konkurrenz für München im Medizintourismus: „Stuttgart hat die ausländischen Patienten als Wirtschaftsfaktor erkannt und sich immens in dieser Richtung entwickelt.“ Seine Kunden seien gerne in Stuttgart, da sie sich hier sicher fühlen und freundlich behandelt werden. „Am Anfang gab es Skepsis, wenn man verschleierte Frauen in der Stadt sah. Doch inzwischen sehen die Bürger, dass es sich keineswegs um eine Invasion handelt“, sagt Atamna. Schon Kleinigkeiten wie ein freundliches „Salam alaikum“ zur Begrüßung in den Geschäften erfreue die arabischen Kunden.

Allerdings sollten sich die Verkäufer auch eine russische Begrüßung zurechtlegen. Denn Atamna hat inzwischen mehr russische als arabische Kunden, die das medizinische Angebot in Stuttgart nutzen wollen. Eine Beobachtung, die auch Armin Dellnitz, Geschäftsführer bei Stuttgart-Marketing, gemacht hat: „Die Gäste aus den Arabischen Emiraten und Russland werden zunehmen.“ Besonders das Olgahospital sei im Ausland bekannt. „Wenn Kinder zur Behandlung nach Stuttgart kommen, kommen selbstverständlich auch Familienmitglieder mit“, sagt Dellnitz. Und der Raum Stuttgart biete ihnen genügend Unterhaltung zur Überbrückung der Zeit.

Doch manchmal ist die Hoffnung, die in die Stuttgarter Ärzte gesetzt wird, auch vergeblich. „Es gab schon Einzelfälle, da ist der Patient auf dem Flug hierher verstorben“, sagt Atamna. „Sie haben hier ihre letzte Chance gesehen.“