Wenige Renaissancebauten haben so wenige Umbauten erfahren wie das Oberlenninger Schlössle. Foto: Horst Rudel

Der ehemalige Adelssitz in Oberlenningen bietet mehr als nur eine schöne Fassade: für Kunstfreunde, Bücherwürmer und Geschichtsliebhaber ist das Schlössle ein Pflichtausflug. Besonders eindrucksvoll ist die Fachwerkfassade.

Das Gebäude ist sensationell, allein das ist eine Reise wert“, schwärmt die Leiterin der Lenninger Gemeindebibliothek, Ev Dörsam, über ihren Arbeitsplatz im Schlössle Oberlenningen. Und in der Tat: Das solitär stehende Fachwerkmonument ist beeindruckend. Der strahlend weiße Putz mit Zierstreifen bildet durchbrochen von rotbraunen Balken unzählige geometrische Formen. Die schiere Größe kündet von Relevanz und schreit geradezu: Hier lebte einst der Adel!

Was macht das Schlössle so besonders?

„Die Bausubstanz ist ein Glücksfall“, sagt Dörsam, die regelmäßig auch Führungen durch das über 400 Jahre alte Gebäude anbietet. „Über die Jahre wurde baulich kaum etwas verändert.“ Neben der Gemeindebibliothek im ersten Stock gibt es in dem öffentlichen Gebäude zwei Museen. Ein kleines, das sich mit der Geschichte des Hauses beschäftigt, und ein größeres, in dem zeitgenössische Künstler Werke rund um die Themen Papier und Bücher präsentieren.

Der Blick durch den Haupteingang ist erst einmal ernüchternd. Nicht verwunderlich – nur die oberen Stockwerke waren früher bewohnt und wurden durch eine Außentreppe betreten. Das Erdgeschoss beheimatete lange Zeit Werkstätten von Handwerkern. Die Überraschung kommt, wenn man einen Blick in die offenen Räume wirft. Beeindruckende Rauminstallationen aus Papier machen Lust darauf, das Papiermuseum im zweiten Stock zu besuchen.

Wer ließ das Schlössle errichten?

Rainer Hussendörfer vom Landesdenkmalamt nennt das Schlössle in einer Schrift aus dem Jahr 1992 „eine Rarität“, da es selten vorkommt, dass ein Gebäude aus der Renaissancezeit derart wenige Umbauten erfahren hat. „Es zeigt uns noch überraschend viel von seiner ursprünglichen Ausstattung; es ist weit mehr als nur die bauliche Hülle des Renaissance-Schlösschens“, schreibt er.

Eine bauhistorische Untersuchung aus dem Jahr 1985 datiert den Bau des Schlössles auf 1593. Teile der Dachbalken stammen sogar aus einem Vorgängerbau und sind ungefähr 200 Jahre älter. Der Landadelsmann Johann Georg Schilling von Cannstatt, der seinen Sitz in Owen hatte, ließ das Gebäude vermutlich für seine Kinder bauen.

Warum ist das Gebäude so gut in Schuss?

Nachdem das Gebäude 1983 zum Verkauf angeboten wurde, setzte sich der Förderkreis Schössle dafür ein, dass es von der Gemeinde erworben, aufwendig renoviert und einem öffentlichen Zweck zur Verfügung gestellt wird. Die Planung für die Instandsetzung übernahmen die Architekten von Aldinger & Aldinger aus Stuttgart. Grundgedanke ihrer Arbeit war der Erhalt der Bausubstanz, der Atmosphäre der Räume und der Werkstoffe, sagt Ev Dörsam. Was wegen der Auflagen des Denkmalschutzes eine große Aufgabe gewesen sei. Besonders, weil auch die Statik des Gebäudes, die natürlich nicht den heutigen Standards entsprach, gesichert werden musste. Dabei durften historische Spuren früherer Bewohner, wie Rußflecken in der ehemaligen Küche, Verzierungen an Decken und Wänden und die Inschriften von Handwerkern, nicht verloren gehen.

Was gibt es zu sehen?

Im Hausmuseum werden Alltagsgegenstände früherer Bewohner ausgestellt, die bei der Renovierung des Gebäudes gefunden wurden. Müll, der im Keller vergraben wurde, Münzen, die in Ritzen gerutscht sind und abgetragene Kleidung, die in Hohlräume gestopft wurden. Heute verraten diese Fundstücke viel über die Frage: Wie lebten unsere Vorfahren? Und wer hätte schon gewusst, dass die Oberlenninger früher berühmt für ihre Schneckenzucht waren?

Das Museum für Papier und Buchkunst im zweiten Stock bietet eine vielseitige Auswahl einer spannenden, aber noch jungen Kunstrichtung. Zeitgenössische Künstler präsentieren Collagen, Papierplastiken, Pressendrucke und Künstlerbücher. Dem Besucher wird nach einem Besuch klar, dass Papier mehr als nur der bloße Träger für Malerei und Druck ist.

Wann lohnt sich ein Besuch?

Wer das komplette Schlössle ohne Voranmeldung anschauen möchte, besucht es am besten samstags zwischen 10 und 12 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt sind sowohl das Hausmuseum, das Papiermuseum und die Bibliothek geöffnet. Es können allerdings auch Führungen außerhalb der Öffnungszeiten gebucht werden. Der Besuch eignet sich vor allem für historisch Interessierte und Liebhaber moderner Kunst.

Was kostet es?

Lediglich der Besuch des Papiermuseums kostet für Erwachsene zwei Euro Eintritt. Studenten und Rentner zahlen einen Euro und Schüler 50 Cent. Führungen kosten natürlich extra.

Was gibt es in der Umgebung des Schlössles sonst zu sehen?

Da Oberlenningen idyllisch am Rand der Schwäbischen Alb liegt, bieten sich Wanderungen an. Zum Beispiel durch das Schopflocher Moor zum Aussichtspunkt Hohgreutfels. Unterwegs kann man sich im Gasthof Albengel stärken. Da Oberlenningen am Albtrauf liegt, verlangen die Wanderungen eine gute Grundkondition. Auch die Besichtigung der nahe gelegenen Martinskirche ist empfehlenswert. Das Bauwerk wurde im Jahr 1275 erstmals in historischen Dokumenten erwähnt, stammt aber wohl aus dem frühen Mittelalter. Die romanische Säulenbasilika wurde im 11. Jahrhundert erbaut.

Wie kommt man hin?

Ab Kirchheim unter Teck fahren regelmäßig Busse der Linien 177 und RB 64 nach Oberlenningen. Bis nach Kirchhheim kommt man mit der S-Bahn-Linie 1. Autofahrer finden kostenlose Parkplätze in der Nähe des Oberlenninger Schlössles.

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Unterwegs in der Region

Serie
Auf Erkundungstour in der Region - zu geheimnisvollen Burgen und Ruinen, prächtigen Schlössern und eindrucksvollen Kirchen. Wir machen uns in und um Stuttgart auf die Suche nach Schlossgespenstern, erzählen spannende Geschichten aus vergangenen Tagen und liefern Wissenswertes zu mächtigen Mauern in luftigen Höhen. Unsere Sommerserie widmet sich diesen kulturellen und historischen Sehenswürdigkeiten und bietet Anregungen für Ausflüge, die sich lohnen. Wetten, dass auch für Sie etwas dabei ist?

Öffnungszeiten
Detaillierte Informationen zu Öffnungszeiten, Führungen und Hintergründen der Bibliothek und den Museen sind auf der Internetseite: www.lenningen.de/leben-wohnen/oeffentliche-einrichtungen/schloessle zu finden.

Albtrauf
 Eduard Mörike nannte einst die 200 Kilometer lange Felskante, die das Hochplateau von Albvorland trennt, eine „blaue Mauer“. Die Gemeinde Lenningen liegt im Biosphärengebiet Schwäbische Alb. Um die Gemeinde liegen zahlreiche flächenhafte Naturdenkmäler.